Rachel hörte aus der Kammer neben sich keinen Ton. Eine kleine, hölzerne Tür mit abgenutzten Griff führt dahin. Ungeduldig läuft sie auf und ab. Geht es Serena gut? Was war diese Prüfung des Schicksals? Was erwartet sie? Die hölzerne Tür bewegt sich unter einem knarren und einem quietschen, dass wohl von mangelnder Pflege der Scharniere zeugt. "Komm. Es ist Zeit. Du brauchst keine Angst haben. Eure Prüfung steht in guten Sternen. Ihr wart schnell und bisher die einzigen." Die Frau verschwindet in der Kammer, bevor Rachel etwas sagen konnte. Sie folgt ihr, schließt die Tür in dem neuen Raum. Ein Lagerfeuer ist entzündet. Der Raum ist gerade mal so groß, dass fünf schlanke Personen hineinpassen. Die Frau deutet auf den Platz gegenüber von sich am Feuer. "Setze dich, junge Rachel." Dieser Aufforderung kommt sie ohne Infragestellung nach. Sie starrt in das Feuer mit dem Wissen, das die ältere Frau die Gesprächsleiterin sein wird. "Rachel. Du hast erstaunliche Vorfahren, oder?" Als Antwort nickt sie nur. "Gibst du mir deinen Brief, Rachel?" Die junge Hexe reißt die Augen weit auf. "Woher wissen Sie davon? Ich habe es..."
"Doch kaum jemanden verraten", beendet die ältere Frau den Satz für Rachel. "Ich bin keine normale Hexe, Rachel. Ich hatte damit gerechnet, dass ihr alle versagt. Gib mir den Brief. Ich kann ihn lesen."
"Aber Ihr seid doch blind?" Die ältere Frau lacht leise. Rachel nimmt den Brief auf ihrer Hosentasche und übergibt diesen. "Blind? Und doch sehe ich dein Haar, deinen Körper, deine Augen. Erstaunlich, oder?" Den Brief faltet sie auf und liest ihn durch. "Ich lese ihn dir vor, wenn du bestehst. Serena hat bestanden, aber du?" Aus einem Beutel der neben ihr liegt, kramt sie ein Pulver. Was genau das für ein Zeug ist, kann sie nicht erkennen. "Rachel. Erstaunlich." Die Hexe mit dem grünen Haar rutscht näher an das Feuer, um genau zuzuhören. Durch das Pulver entstehen Bilder im Feuer. Ihre Geburt, ihre Mutter sieht sie in Ausschnitten mit. "Mama...", flüstert sie leise. Ihre Mutter hat ein ausdrucksstarkes Gesicht, lange Haare, ebenfalls rot wie die von Serena. Ihre Mutter sieht hübsch aus, aber viel mehr Details erkennt sie nicht. Sie sieht, dass ihre Mutter sie bei einer Ersatzfamilie unter Tränen abgibt, wie sie unglücklich aufwächst, Häuser verwüstet, Tornados wehen lässt, mit Tieren spricht. Ihr Leben in sechzig Sekunden. Deutlich tauchen zwei Bilder nebeneinander auf. Maria. Serena. "Dein Schicksal ist mir ehrlich gesagt Schleierhaft, wie das von Serena." Das durch Pulver entstandene Bild von Serena und Maria lächelt sie an beziehungsweise die beiden Personen lächeln sie an. "Die Welt verändert sich. Ich weiß nicht, welche Rolle ihr drei spielt, aber ihr werdet eine spielen. Dein Schicksal ist dir klar. Du weißt, was du willst, du kämpfst und willst leben. Aber es gibt einen Konflikt, der dich mehr beschäftigt, als die Suche nach deiner leiblichen Mutter." Rachel schaut verwirrt. Was soll sie bitte mehr beschäftigen, als... Nicht. Bitte nicht. Wenn das ihre Prüfung ist, was soll sie tun? "Serena oder Maria? Entscheide dich. Ich kenne dein Herz, du liebst beide, aber wer ist dein Schicksal? Beantworte diese Frage mit Überzeugung und du bestehst meine Prüfung. Alternativ wirst du versagen. Rede kein Wort, denke nach. Alles was du sagst, kann ich gegen dich verwenden." Rachel schluckt schwer, behält sich lieber schweigen vor. Sie starrt in das Feuer. Serena. Maria. Weiterentwicklung. Das war ihre Prüfung. Doch was soll sie tun? Maria ist wunderschön, fordert sie. Zusammen lachen sie gern, kuscheln gern. Serena ist... Was ist sie? Heiß? Schön? Geheimnisvoll? Ein tiefer See voller Gefühle? Wen liebt sie mehr? "Entscheide dich", setzt die Prüferin sie unter Druck. Rachel werden ihre Gedanken und der ausgeübte Druck zu viel. Tränen fließen ihr Gesicht hinab. Sie weint. "Ich kann es nicht!"
"Dann wirst du die Prüfung nicht bestehen."
"Ich will aber!" Rachel will bestehen, unbedingt. Sie will das mit Serena durchziehen. "Stell dir vor, ich hätte eine Kugel. Ich würde eine erschießen, egal, was du tust. Beide flehen dich an, rufen dich bei deinem Namen. Wen rettest du? Du kannst nur eine retten und es ist Schicksal, dass eine stirbt."
"ABER ICH KANN MEINE FREUNDE NICHT STERBEN LASSEN UND DIE, DIE ICH LIEBE", brüllt Rachel die Frau an. Serena, Maria, Sara, Jane. Die ersten beiden liebt sie, die anderen zwei sind ihre Freunde. Es gibt immer andere Wege. "Gibt es nicht", antwortet die ältere Frau und tippt Rachel einmal kurz mit dem Zeigefinger auf die Stirn. "Was...?"
Rachel wird müde, schwach. Ihre Augen fallen zu und sie sackt nach hinten zusammen. Sie erwacht etwa zehn Sekunden später. Leere. Nichts. Wo auch immer sie ist, Nichts regiert diese Welt. "Träume ich?" Wo ist sie nur? Was geschah, als die Dame ihr auf die Stirn tippte? War das ein Zaubertrick?
"Rachel", rufen ihr zwei bekannte Stimmen zu. Sie dreht auch um, wo die Geräuschquelle ihren Ursprung hat. "Serena! Ma...ria?" Zuerst freute sie sich, aber dann sieht sie die mit Tränen überströmten Frauen. "Entscheide dich", flüstert ihr eine fiese Stimme zu, die überall gleichzeitig zu sein scheint. "Eine wird sterben. Such es dir aus. Oder ich töte euch alle." Die Stimme lacht dann eisig, böse. "Wer bist du? Komm heraus, Feigling!" Die Stimme lacht über Rachels Herausforderung. Mehr tut sie nicht. "Rachel. Hilf mir, bitte", fleht Serena sie schwach an. "Lass mich nicht sterben. Ich liebe dich doch", flüstert Maria schwach, aber das flüstern schallt laut in dieser Leere wieder. "Ich kann es nicht. Ihr beide seid zu wichtig für..." Sie wird unterbrochen. "In dreißig Sekunden erschieße ich die beiden, dann dich." Rachel schwitzt, Panik macht sich in ihr breit. Was auch immer das hier ist, es ist zu realistisch, um es als billigen Zauber abzwürgen. Was tun?
"Hilf mir. Du weißt doch schon, dass ich dich liebe." Serena vergräbt ihr Gesicht in den Händen. Maria sagt kein Wort, sie kämpft stark gegen die Tränen an. "Zwanzig Sekunden."
Scheiße. Was soll sie tun? Wenn sie sich nicht entscheidet, sterben sie alle. Aber kann sie mit dem Gewissen leben, dass sie eine wertvolle Frau hat sterben lassen für eine andere. "Zehn Sekunden!" Entscheide dich, na komm schon, ermahnt sich Rachel mehrmals selbst im Kopf. Eine Entscheidung, die zwei rettet. Aber wen soll sie retten? "Fünf." Rachel hat keine Wahl und lässt ihr Instinkt und ihrem Herz freien Lauf. "Vier." Rachel rennt los in Richtung der beiden. Sie muss es schaffen! "Drei." Scheiße, dass wird eng, so eng. Komm Rachel, renn schneller! "Zwei." Rachel hatte sie fast erreicht. Sie streckt schon ihre Hand nach der Frau aus. "Eins."
"Es tut mir leid. So unendlich leid", flüstert sie unter Tränen. Sie greift nach einer Frau, reißt sie zu Boden, um sie zu retten. Kurz darauf ertönt ein Schuss. Die Frau, die sie nicht gerettet hat, stirbt. Ein sauberer Kopfschuss, den sie nicht einmal mehr hat bemerkt. Rachel brüllt, schreit vor Schmerz. Ihr Tränenfluss ist unglaublich groß. Was hatte sie getan?
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Akademie der Hexen | girlxgirl [Abgeschlossen]
FantasyRachel war schon immer anders. Die Natur schien mit ihr zu reden, sie konnte Dinge verwandeln, ihre Haarfarbe ändern wie und wann sie wollte. Sie fühlte sich stets in der Welt der Menschen fremd und ist heilfroh, ihre zwölfte Klasse abgeschlossen zu...