Akademie der Hexen - Kapitel 30

1.2K 81 2
                                    

Beide folgen weiter dem Pfad. Rachel fragt sich, was für einen Sinn es eigentlich hat, Leute aus verschiedenen Jahrgängen zusammen zu stecken. Darauf kann sie sich keinen Reim zurecht legen. Der Wald bleibt dicht, die Luft ist schwer, aber sie haben den Sumpf hinter sich gelassen. "Achte auf unsere Umgebung, Rachel. Irgendwas lauert und wartet, ich fühle das."
"Ich weiß. Sie bewegen sich immer mehrere Meter vor uns durch die Bäume. Es sind zwei Wesen, schmal, erinnern mich an Ghule. Ihre Augen sind merkwürdig. Als ich versucht habe mit ihnen zu sprechen, sahen sie mich an. Es war, als dringen ihre Augen in meinen Geist ein." Die beiden gehen schweigend weiter, ehe Serena das Thema wieder anspricht. "Wenn sie da sind, schaue ihnen nicht in die Augen. Ich denke, sie nutzen dadurch eine Art mentalen Angriff. Wer weiß, wie der sich auswirkt und welche Folgen es hat. Ich glaube mittlerweile, dass dieser Dschungel in verschiedene Bereiche aufgeteilt ist." Rachel ist sichtlich überrascht und schaut dementsprechend auch erstaunt. "Wie kommst du darauf und warum denkst du, ist das so?"
Serena schaut bei dieser Frage hinter zu Rachel. "Kampf war das erste, gemischt mit Kenntnissen, über das sichere überwinden von nicht sichtbaren Pfaden. Prüfung Nummer zwei wird unser Verstand geprüft und unsere Sinne gewissermaßen. Ich denke, wir erreichen bald unser Ziel. Dort drin wird unsere schwerste Prüfung warten. So wie ich Madame Ash kenne, hat sie sicher etwas überlegt, um uns selbst zu testen. Madame Cairne hatte den Fokus auf Magie, aber Madame Ash legt auch wert auf die eigene, persönliche Weiterentwicklung. Die Frage ist nur, wie sie das testen will." Die junge Rachel, die immer noch ihre Mutter sucht und deren verschlüsselten Brief sie stets bei sich trägt, hinterfragt Serena nicht. Sie irrt sich nicht, sicher nicht. Dafür ist ihre Intelligenz viel zu groß, wie ihre Aura, ihre Schönheit. Erwidern wird Rachel darauf nichts. Sie nimmt die Aussage beziehungsweise die Feststellung der mächtigen Hexe einfach so hin. Irgendwo weit weg ertönt ein Schrei, der Rachel kurz erschreckt. Sie blickt in die Richtung. "Rachel! Schau nach vorn. Ich weiß, du willst helfen, aber stell dir mal vor, du bist auf einer gefährlichen Mission allein. Vielleicht ist dieser Schrei eine Falle? Oder hast du die Wesen schon wieder vergessen, welche die ganze Zeit vor uns lauern?" Rachel blickt sofort wieder nach vorn. Wie konnte sie nur so blöd sein? Kameradschaft schön und gut, aber was brachte ihr das, wenn sie selbst versagt? Sie müssen dem Pfad weiter folgen, unbedingt. "Tut mir leid Serena. Ich denke nur an die Mitschüler, aber du hast recht. Ich würde nicht einmal allein durch den Sumpf kommen."
Serena geht kurz auf Rachel zu und haucht ihr einen Kuss auf die Wange. "Für mich wäre Endstation gegen diese Schlangenhaie gewesen. Ich komme hier nicht ohne dich wieder heraus, du nicht ohne mich. Wir müssen zusammen bleiben, wir müssen es schaffen", flüstert Serena ihr sinnlich zu. Rachel läuft knallrot an und streicht sich über die Wange, wo vor kurzem noch Serenas Lippen waren. " Warum tust du das", fragt Rachel sie ebenso leise. Als Antwort erhält sie ein nettes Lächeln. "Jetzt ist nicht die Zeit für eine Plauderei. Wir müssen weiter. Später, ja?" Damit dreht sich Serena wieder ihr mit dem Rücken zu und geht voran, dicht gefolgt von der jungen Hexe mit dem grünen Haar. Doch der Moment der Romantik währt nur kurz. Direkt werden beide aus ihrer Traumwelt wieder in die Realität katapultiert. Zwei Mitschüler, eine junge Frau und ein ebenso junger Herr springen aus den Bäumen und stellen sich ihnen in den Weg. Rachel freut sich sichtlich über Mitschüler, bleibt aber stehen, als Serena ein leises Halt von sich gibt. Wieder hatte Rachel nicht aufgepasst. Die Augen der zwei eben erschienen Schüler sind farblos, ohne Iris oder etwas. Wie die Kreaturen hinter den beiden. Sofort schaut sie auf die Beine, bloß nicht in die Augen. "Nicht bewegen, nichts sagen. Versuche, sie mit den Wurzeln der Bäume zu fesseln", bittet Serena sie in kaum verständlichen Tonfall. Anscheinend stehen die Mitschüler vor den beiden unter Kontrolle dieser Riesenwarane, die aber Platt wie eine Flunder sind und einen lilafarbenen Schuppenpanzer tragen.  Möglicherweise konnten diese Wesen ihnen aufgrund des Gehörs folgen. Wenn beide nur wenige Sekunden in irgendein Augenpaar sehen, war es das. Dann ist die Prüfung vorbei. Rachel nutzt ihre Kraft, lässt die Wurzeln der Bäume wachsen. Sie atmet ruhig weiter, versucht sich aber nicht zu bewegen. Die Wesen und die und Kontrolle stehenden Schüler riechen wie verrückt, aber der Gestank des Sumpfes ist selbst hier allgegenwärtig und bedeckt jeden mit seinem moorigen Geruch. Immerhin finden diese Wesen sie so nicht, während die Wurzeln lautlos wachsen. Serena beobachtet das heimlich. Rachel muss mächtiger sein, als sie dachte. Lautlos, aber rasch bewegen sich die Wurzeln auf ihre vier Opfer zu. Ihr Wachstum explodiert und in innerhalb einer Sekunde sind ihre Gegner eingesperrt. "Verflucht. Du bist Wahnsinn, Rachel", staunt Serena das erste mal sichtlich beeindruckt. Noch nie hat sie derart große Kräfte gesehen. Wie weit reicht wohl Rachels Macht? Reicht sie auch aus, um Feuer und Tiere zu kontrollieren? Wenn ja, steht neben ihr eine der gefährlichsten Hexen der Welt, die nicht einmal wahrhaben will, dass sie mächtig ist. "Ich habe nur getan, was du gesagt hast, Serena."
"Und du bist Klasse. Komm, gehen wir. Die Schüler werden von den Prüfern sicher gleich heraus teleportiert und die Wesen sind gefangen." So setzen die beiden ihren Weg fort, während sie sich verstohlene Blicke zuwerfen. Beide bemerken die Blicke, die sie sich zuwerfen, aber niemand geht darauf ein. Es geht etwa zehn Minuten so, bis sich vor ihnen ein Weg in einen unterirdischen Gang offenbart. "Sieht gut aus. Ich gehe vor und weise uns mit Feuer den Weg, um unseren Pfad zu erleuchten." In Serenas rechter Hand züngelt eine Flamme auf, hell leuchtend, sodass Rachel kurz wegschauen muss, um bis sich ihre Augen an die Helligkeit gewöhnt haben. Beide betreten einen Gang. Die Luft ist dick wie im Dschungel. Nur ihre Schritte hört man als Schall in dem dunklem, von Spinnenweben bewachsenem Gang. Keine Gefahr, kein Monster, keine Falle stellt sich ihnen in den Weg. Sie erreichen nach einer nicht abschätzbaren Zeit einen quadratischen Raum, ungefähr so groß wie ein gemütliches Wohnzimmer. Eine alte Frau steht auf der anderen Seite, in einen dicken Umhang geschlungen. Nur ein Teil ihres Gesichtes ist erkennbar, da sie eine Kapuze trägt. Ihr Kopf hebt sich. Einzelne, graue Haarsträhnen hängen ihr Gesicht hinab, ihr Gesicht ist von Alter und Weisheit gezeichnet, aber ihre Augen sprechen eine andere Sprache. Forschend, neugierig mit einer gewissen Dynamik. "Serena und Rachel." Ihre Stimme klingt etwas leise, aber flüssig. Ruhe strahlt sie aus, Geduld, aber man hört heraus, dass sie nicht mehr die jüngste ist. "Eure vorletzte Prüfung wartet. Trete zuerst ein, Serena. Rachel wartet hier, die hole ich mir dann später."
Serena tritt entschlossen vor und schaut mit ihren grünen Augen die Frau an. Trüb, farblos. Eine blinde Frau, die aber anscheinend trotz ihrer kompletten Blindheit alles sieht und die beiden von oben bis unten mustert. "Was ist die letzte Prüfung", fragt Serena. "Die Prüfung des Schicksals"

Akademie der Hexen | girlxgirl [Abgeschlossen]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt