꧁༺ 𝓚𝓪𝓹𝓲𝓽𝓮𝓵 35 ༻꧂

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Violetta hatte ihn gespürt, den wahren Schmerz. Als würde jemand einem die Eingeweide rausreißen und das Herz in einen Schraubstock spannen. Dieses grausame Gefühl der Hoffnungslosigkeit, dass einen monatelang nicht mehr losließ. Bis sie volljährig war war sie bei ihrer Großmutter und Tante geblieben. Und dann war sie so weit fort, wie es nur irgendwie ging. Nicht, dass sie sich nicht um sie gekümmert hätten. Violetta musste einfach weg, was anderes sehen. Sie hoffte, dass das helfen würde, die Wunden zu heilen. Alles da drin erinnerte sie wieder an ihn. Diego hatte seine Wunde im Gesicht. Ihre dagegen war unsichtbar in ihr drin und verlief einmal quer über ihrem Herzen. Sie war unauslöschlich. Immer würde sie da sein. Die meiste Zeit fühlte sie sich besser, es war so etwas wie Normalität in ihrem Leben eingekehrt. Aber dann, ganz plötzlich, kam die Erinnerung zurück und dann musste sie sich wieder aus ihrem Tal herausarbeiten. Dann kämpfte sie gegen diesen einen Satz, der ihr immer wieder durch den Kopf ging: „Ich hätte an jenem Tag eigentlich bei ihm sein sollen.". Gefolgt von der quälenden Frage: „Warum war sie noch immer da? Warum wurde sie verschont? Was machte das alles für einen Sinn?". Sie legte die Fotos an ihre Brust und drückte sie ganz fest an sich, dabei schloss sie ihre Augen und begann heftig zu weinen.

In den letzten Tagen waren die Gespräche mit Vargas immer recht kurz gewesen. Er hatte oft Termine am anderen Ende der Stadt und war kaum im Büro. Ehrlich gesagt beunruhigte sie diese Distanz ein wenig, nach ihrer jüngsten Diskussion. Sie fragte sich, ob sie nicht vielleicht zu weit gegangen war und ob er sie nicht fallen ließ. Keine leidenschaftlichen Streitereien, keine unanständigen Annährungsversuche, nichts, was für sie irgendwie gefährlich sein konnte. Eigentlich mochte sie doch das Pikante und die Zügellosigkeit, die er in ihr Leben gebracht hatte. Jeden Abend hatte sie gehofft, ihn in sein Büro zu finden. Warum? Sie wusste es nicht. Und sie konnte es sich auch nicht erklären... Sie hatte einfach nur Lust ihn zu sehen.

Als sie gerade eine kleine Pause einlegen und auf einer Nachrichtenseite herumsurfen wollte trudelte eine Mail von Vargas ein: Könnten Sie bitte die Dokumente des koreanischen Investors für morgen fertigmachen? Und suchen Sie uns ein Restaurant, dass ihn nicht verstört. – L-V. „Ein Restaurant, das traditionelle koreanische Gerüchte anbietet?", murmelte sie fragend. Sie kaute ein wenig auf ihrem Stift herum, während sie darüber nachdachte. Ihr kam sofort dieses tolle Restaurant auf der Umweltstraße in den Sinn, dass eine raffinierte Küche mit natürlichen Bio-Zutaten anbot, allerdings hatte das nur abends auf.

Guten Tag. Ich kenne das perfekte Restaurant für morgen. Allerdings ist es erst ab 19 Uhr geöffnet. Die Dokumente liegen heute Abend fertig auf Ihrem Schreibtisch. Liebe Grüße

Violetta mochte die koreanische Küche nicht sonderlich. Da sie kein großer Fan dieser Küche war, wüsste sie auch kein anderes Restaurant als dieses. Aber in Buenos Aires gab es definitiv noch andere. Kurz darauf bekomme sie eine Antwort: Ich habe morgen Abend schon einen anderen Termin. Arg, das passte ihr nun gar nicht. Schnell warf sie einen Blick auf den Terminkalender ihres Chefs und tatsächlich... Ab 19 Uhr war er verplant... Er hatte einen Termin eingetragen, der jeden Monat am gleichen Tag und zur gleichen Zeit stattfand. Um was es dabei ging, stand da nicht mit dabei. Also wohl was Persönliches. Wen könnte er denn einmal im Monat zur selben Zeit treffen? Vielleicht eine geheime Organisation? So á la Skull and Bones? Sie stellte ihn sich so richtig vor: Zigarre in der Hand, in einem schicken Salon, mit den Komplizen darüber schwadronierend, wie sie die Welt erobern könnten... Wenn er wüsste, was sie sich in ihrer Fantasie ausmalte, würde er jetzt sicher wieder sein fieses Lächeln aufsetzen und sagen: „Seien Sie bitte ernst Miss Castillo...". Mit Sicherheit versteckte er irgendetwas... Ein Mann, wie er hatte seine Geheimnisse... „Violetta, wenn wir einen Sherlock Holmes brauchen sagen wir dir Bescheid. Bis dahin solltest du dich um die Papiere kümmern!", murmelte sie in Gedanken. Sie kam sich komisch dabei vor, Selbstgespräche zu führen... Aber wenigstens musste sie über sich selbst lachen, was ja nicht allzu schlecht war. Sie erschrak, als es dreimal an ihrer Tür klopfte. Wer könnte das um diese Uhrzeit sein? Vargas? "Ja herein!", rief sie und sah zur Tür. Fran steckte ihr kleines Puppengesicht herein. „Hallo meine Süße. Dachte ich mir doch, dass ich dich an deinem Schreibtisch finde. Die Mädchen vom Empfang trinken zusammen was, willst du mitkommen?", fragte sie sie und Violetta antwortete: „Ich würde gern, aber ich muss noch arbeiten... Mister Intensiv hat mir gerade noch ein paar Dokumente auf den Tisch gegeben, die er bis morgen früh braucht.". „Oh...Gut... Hör zu, falls du nicht mehr allzu lange brauchst, dann komm doch einfach nach. Wir sind in unserer Lieblingsbar. Das tut dir sicher gut.", sagte sie und sie erwiderte: „Ok, ich werde da sein Fran.". Fran lächelte Violetta zu und verließ ihr Büro. Seufzend bereitete sie die Dokumente für Vargas vor. Dass er auch immer in letzter Minute mit seinem Mist ankommen musste... Er musste auch mal verstehen, dass nicht alle nur für Vargas Corp lebten... Als alle Dokumente fertig waren, laufe sie aus ihrem Büro durch den Gang, um ihm die Papiere zu bringen. Es war ein komisches Gefühl, seinen Raum zu betreten, wenn er nicht da war. Sie lege die Dokumente auf seinen Schreibtisch ab und sah sich um. Der Raum atmete aus irgendeinem Grund regelrecht die Präsenz seines Eigentümers. Sie lief um den Schreibtisch herum und fuhr mit der Fingerspitze über das edle Holz... Mit einem Lächeln auf den Lippen strich sie über das Leder seines Stuhls. Violetta ließ sich hineinfallen und schloss ihre Augen. Sie legte ihre Arme auf die Armlehnen und sah raus auf die Stadt, in der die Nacht anbrach. An was dachte er, wenn er abends allein in seinem Büro war? Was tat sie dort eigentlich? Violetta nahm ihre Gedanken wieder zusammen und stand mit dem ein wenig berauschenden und zugegebenermaßen kindischen Gefühl auf. Einen kurzen Moment in die Rolle des großen Vargas geschlüpft zu sein. Sie verließ den Raum und lief zum Aufzug, nachdem sie den PC heruntergefahren hatte und ihre Sachen genommen hatte. Es wurde Zeit, dass sie zu den Mädels dazustieß.

𝐿𝑒𝑜𝑛𝑒𝑡𝑡𝑎 - 𝑉𝑒𝑟𝑙𝑖𝑒𝑏𝑡 𝑖𝑛 𝑑𝑒𝑛 𝐶𝒉𝑒𝑓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt