꧁༺ 𝓚𝓪𝓹𝓲𝓽𝓮𝓵 92 ༻꧂

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Als Violetta eintrat, saß León hinter seinem Schreibtisch und grübelte über einem riesigen Stapel an Dokumenten. Sie ging davon aus, dass wegen ihrer Eskapaden eine Menge Arbeit liegengeblieben war. "Guten Tag, Herr Geschäftsführer.", grüßte Violetta ihn. Seine grauen Augen sahen sie fasziniert an. Aus seinem Blick sprach etwas Schelmisches. "Fräulein...", erwiderte er... "Ist dein Termin gut verlaufen?", fragte Violetta ihn. "Schneller als gedacht. Ich war nicht überzeugt.", sagte er, weshalb Violetta die Augenbrauen hob und ihn ansah. "Hast du ihnen wenigstens eine Chance gelassen?", fragte sie. León sah sie mit einem sanften Lächeln an. Er wusste nur allzu gut, dass sie sich über ihn lustig machte. Er stand auf und kam sicheren Schrittes auf sie zu, was sie gleich immer wieder ganz unruhig machte. Es gab halt so Dinge, die setzten einem immer wieder aufs Neue zu. Er legte Violetta eine Hand auf die Wange und sah sie mit einem Blick an, der sie dahinschmelzen ließ. "Und wie geht's dir heute?", fragte er sie. "Es geht.", antwortete sie. Violetta schloss die Augen. Ihre wurde ganz warm ums Herz, als sie seine Haut auf sich spürte. Der Duft seines Parfüms benebelte sie und ihr ganzer Körper entspannte sich. Seine Lippen berührten ihre und streichelten sie zärtlich. Sie genoss diese wundervolle Umarmung. Er beugte sich ein bisschen über sie und drängte sie an die Kante seines Schreibtisches. "Ich wollte heute Abend gern Lara von unserer Verlobung erzählen.", sagte er. Lara... Und vorbei war es mit der verführerischen Stimmung, die León gerade erzeugt hatte. "Heute Abend?", fragte Violetta. Lara war nun der letzte Mensch auf den sie Lust hatte zu sehen. Nach allem, was passiert war, hatte Violetta sie und ihr hässliches kleines Spielchen komplett aus ihrem Kopf verdrängt. "Ja... Ich will es ihr unbedingt sagen. Zumal, wenn sie es von woanders her erfährt, dann bringt sie mich um. Du kennst sie ja.", sagte er Oh ja. Violetta kannte sie gut genug... León sah so glücklich aus, dass er es seiner Schwester endlich sagen, dass sie ihre Wut beiseite wischte und sich zusammenreißen würde. Und naja, wer weiß. Vielleicht hatte sie ja auch über ihr Verhalten nachgedacht... Violetta war immer optimistisch und hatte an das Gute im Menschen geglaubt. "Ehm... Okay. Einverstanden.", "Sehr schön. Ich reserviere für heute Abend einen Tisch.", sagte er. Auf einmal klopfte es an der Bürotür. Sie blieb ganz in der Nähe von León und er schob sie auch nicht weg. Nach allem, was war mussten sie nichts mehr vor den anderen verstecken. Die Sekretärin sah Violetta einen Moment lang skeptisch an, berappelte sich dann aber wieder. "Mister Vargas, Ihr Gast ist da.", "Sehr schön. Bitten Sie ihn kurz um Geduld. Ich bin in fünf Minuten da.", die Sekretärin nickte höflich mit dem Kopf und verschwand dann wieder diskret aus dem Büro. "Wir gehen heute Abend sofort nach der Arbeit essen, in Ordnung?", fragte er. "Ja, sehr schön.", erwiderte Violetta. León gab ihr einen Kuss auf die Stirn und beugte sich dann neben ihr wieder über seinen Papierkram.

Als León und Violetta im Restaurant ankamen war Lara schon da. Sie schlürfte einen Cocktail und spielte mit ihrem Handy. Elegante Kleidung, graziöses Auftreten und ein perfekt geschminktes Puppengesicht. Dieses Mädchen sah prächtig aus. Da fiel es schwer, ihr etwas Böses zu unterstellen. Sie war noch ein paar Meter weg und Violetta kringelten sich schon die Fingernägel... 'Reiß dich zusammen Violetta... ganz ruhig...' Als die beiden sich dem Tisch näherten empfing sie sie mit ihrem fantastischsten Lächeln. "León!", rief sie und warf sich ihrem Bruder in die Arme. Auch hier wurde wieder offensichtlich, wie nah sich die beiden waren. Violetta roch schon die Gefahr. Falls sie ihr damit zeigen wollte, wie nah sie einander waren und das sie da nie würde mithalten können, dann gelang ihr das ziemlich gut. Nach dieser Kostprobe der gegenseitigen Geschwisterliebe, die für Violettas Geschmack etwas zu heftig ausgefallen war, ließ sie ihn wieder los und sah Violetta an. "Hallo Violetta.", sagte Lara freundlich. Was für ein Biest! Nichts in ihrer Stimme deutete auch nur auf einen Anflug von Feindseligkeiten hin. Man könnte fast meinen, Lara war glücklich, sie zu sehen. "Hallo Lara. Wie geht es dir?", begrüßte Violetta sie freundlich. Beim Spiel, wer liebenswerter war, würde Lara nicht gewinnen. Ihr Bruder beobachtete die beiden. Violetta fragte sich, ob er auch nur einen Hauch einer Ahnung hatte, welche Konflikte sie schon mit ihr ausgefochten hatte. Violetta glaubte eher nicht. Er schien einfach nur glücklich zu sein, dass sie alle hier gemeinsam waren. Oder aber... Vielleicht spielte ja auch er heute Abend eine Rolle... "Setz dich.", León zog den Stuhl zurück und bat Violetta, sich seiner Schwester gegenüber zu setzen. Was für eine fabelhafte Idee! Aber das Schlimmste kam noch. Anstatt sich ebenfalls hinzusetzen hing er nur sein Jackett über die Stuhllehne. "Ich werde etwas ganz Besonderes an der Bar bestellen.", sagte er. Nein! Er konnte sie doch nicht hier mit Lara allein lassen! "Etwas Besonderes?", fragte Lara. Sie sah ihren Bruder fragend an. Violetta wusste nicht, ob sie eher überrascht oder doch vielmehr beunruhigt war. Wenn man bedachte, was sie von der Beziehung zwischen León und Violetta hielt, konnte sie sich nur schwer vorstellen, dass sie das Ausmaß dessen, was León ihr heute Abend sagen würde auch nur erahnen konnte. Sie dachte sicher eher an irgendetwas in Zusammenhang mit der Arbeit. "Du wirst schon sehen.", erwiderte León. Das Lara auf einmal unsicher wirkte fand Violetta gut, dass sie jetzt hier mit ihr allein saß, eher weniger. León ging gemächlich in Richtung Bar. Dieser Narr. Er wusste ja gar nicht, welches Risiko er einging, wenn er sie beide hier allein zurückließ. Es war durchaus möglich, dass er nur die zerfetzten Reste ihrer beiden Körper vorfand, wenn er zurückkam. Violetta und Lara sahen sich einige Augenblicke lang wie zwei Hunde an, die sich belauerten. Ihr Lächeln war auf einmal verschwunden. "Ich würde dich höflich bitten, heute Abend hier keine Szene zu machen.", sagte sie. Wie bitte? "Ich will nicht, dass León einen schlechten Abend verlebt... Machen wir ihm doch einfach eine Freude.",sagte Lara. Wollte sie Violetta jetzt gerade veralbern? Was sollte das? Lara versuchte doch von Anfang an bei jeder Gelegenheit, Missgunst zu verbreiten. Und jetzt spielte sie den Moralapostel? Dieses Mädchen war eindeutig ziemlich dreist! Violetta hatte schließlich nicht mit den Feindseligkeiten begonnen. Sie hatte keine Lust mit ihr zu reden und würde ihr am liebsten ihre Zunge herausreißen. Bevor Violetta ihr etwas erwidern konnte, kam León auch schon zurück zu ihrem Tisch und lächelte die beiden freudestrahlend an. Lara und Violetta setzten beide ihr schönstes Lächeln auf. Gott im Himmel, wie sie diese Scheinheiligkeit hasste. Er setzte sich auf seinen Stuhl und legte seine Hand auf Violettas. Es schien ihr so, als würde sich Lara ein wenig winden. Der Kellner kam mit einer Flasche Champagner an ihren Tisch, ein anderer stellte drei Gläser ab. "Gibt es etwas zu feiern?", fragte Lara. Die Stimme seiner Schwester wurde immer unsicherer. Violetta spürte, wie sich in ihr ein zuhöchst niederträchtiges Gefühl ausbreitete... jenes der Macht. Violetta wollte León reden lassen. "Ja, wir wollen dir etwas sagen.", León sah Violetta an, während der Kellner den goldenen Saft in ihre Gläser goss. "Violetta und ich wollen heiraten.", ließ er die Bombe platzen. Violetta glaubte, Lara wurde ganz blass. Leichenblass. Hätte sie bereits einen Schluck Champagner genommen, hätte sie ihn vermutlich wieder ausgespuckt. "Oh...", war Lara zuhören. León umfasste Violettas Hand nun noch fester und sah ihr tief in die Augen. "Ich wollte es dir sagen, bevor es offiziell wird.", sagte León und Lara saß mit großen Augen wie versteinert da. Violetta jubelte innerlich. "Ich...Ich weiß nicht, was ich sagen soll... Das ist...", begann sie. Violetta spürte, wie Lara sich bemühte, ihre Rolle der lieben kleinen Schwester weiterhin perfekt zu spielen. Diesmal hatte sie aber echte Schwierigkeiten damit. "Das ist... fabelhaft! Glückwunsch!", rief Lara. Oh Gott klang das falsch. Violetta musste sich wirklich zusammennehmen, dass sie nicht die Augen verdrehte, wenn sie sie so unterwürfig sah. Sie musste schon sagen... Lara würde eine echt tolle Schauspielerin abgeben. "Lasst uns anstoßen!", rief León.

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Na, was meint ihr? Wird Lara ihre Maskerade weiterhin aufrecht erhalten?

𝐿𝑒𝑜𝑛𝑒𝑡𝑡𝑎 - 𝑉𝑒𝑟𝑙𝑖𝑒𝑏𝑡 𝑖𝑛 𝑑𝑒𝑛 𝐶𝒉𝑒𝑓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt