"Guten Morgen, warst du heute extra bei Friseur?", begrüßte ich Burak am Morgen des "großen Tags" und er lächelte verlegen:"Ja, musste sein. Heute alles fresh, Haare, Bart." "Sieht gut aus, hast du Hunger?", er folgte mir ins Wohnzimmer und nahm gegenüber von mir am Tisch platz. Großzügig schob ich ihm meinen Teller rüber, auf dem ein riesiger Berg Ei lag. "Wieso isst du nichts?", fragte er skeptisch. "Keinen Hunger, außerdem muss ich nachher in mein Kleid passen.", gab ich vor, denn eigentlich graute es mir vor dem heutigen Abend und ich bekam keinen Bissen herunter, eher übergab ich mich. "Bist du aufgeregt?" "Nein, wieso?" Er legte den Kopf schief. "Wie so gar nicht? Also ich schon irgendwie.. Hörst du keine Musik?", wunderte er sich. "Nicht wirklich und wenn... die Künstler der Musik sind auch nur Menschen wenn der Beat stoppt." "Das war tief.", lachte er mich beinahe auf und ich strafte ihn mit einem bösen Blick. "Bleibst du bis dahin hier?" "Ich weiß es nicht, bisher denke ich ja. Dein Mann hat nichts gesagt, wie immer.", seine letzten Worte murmelte er nur noch halb in seinen Bart. Er sagte ihm also genauso wenig wie mir. "Hast du denn deinen Anzug schon hier?", er nickte mir zwischen zwei vollen Gabeln Rührei zu, was mich zum schmunzeln brachte. Der Blick auf die Uhr versetzte mir einen Schlag. Es war bereits 12 Uhr. Zwar noch genügend Zeit, aber ich wollte nicht zu knapp planen und noch Streit vor der Abreise riskieren. "Alles okay?", fragte mich mein Gegenüber besorgt. "Ja.. ich hab nur gerade festgestellt, wie spät es eigentlich schon ist. Langsam muss ich das hier-", ich zeigte mit meiner Hand über mein Gesicht und meine Haare."-mal herrichten, sonst sehe ich heute Abend aus wie ein Wrack." "Als wenn.. tut deine Lippe eigentlich noch sehr weh?", Verdutzt sah ich ihn an. Er hatte es also doch gesehen, Mevlida wahrscheinlich auch. "Was meinst du wer dich nach oben gebracht hat?", erklärte er sich und verschlag mir die Sprache, mein Mund wurde ganz trocken. "Ähm... ja.. danke.", stotterte ich zurecht und stand auf. "Ich bin dann mal oben und mache mich fertig."
Natürlich hatte ich geahnt, dass er das wusste, aber die Fakten so direkt auf dem Tisch serviert zu bekommen, war hart. Ich fühlte mich ertappt. Um mich abzulenken, beschloss ich erstmal ausgiebig zu baden. Kurz den Kopf ausschalten und genießen, bevor es mit den Vorbereitungen für heute Abend losging. Peeling, Cremen, Schminken, Haare.. ich brezelte mich gerne auf, auch wenn ich auf heute Abend nicht viel Lust hatte. Zumindest hatte ich etwas zu tun. Ich ließ mir ein heißes Schaumbad ein, pinselte mir währenddessen eine Maske ins Gesicht und trug eine Haarmaske auf. Keine zwei Minuten konnte ich abschalten, da hörte ich die Haustür ins Schloss fallen und kurz darauf klopfte es an die Tür. "Amina...., mach auf, ich muss ins Bad.", das konnte doch nicht wahr sein. "Nein, ich bade gerade. Geh woanders hin.", blieb ich stur. "Mein Parfüm steht aber auf diesem Waschbecken und ich muss wieder los.", ich sah kurz prüfend zum Waschbecken und sah tatsächlich einen fremden Flakon vor dem Spiegel stehen. "Muss das jetzt echt sein?" "Yallah, mach doch endlich auf! Muss ich erst die Tür eintreten?", brüllte er angespannt und brachte mich dazu, aufzustehen, mir ein Handtuch umzubinden und mit dem Flakon in der Hand die Tür zu öffnen. "Hier nimm.", schmiss ich ihm die kleine Flasche schon fast ins Gesicht und wartet auf Gegenwind, doch Said starte mich nur mit offenem Mund an. Bevor er etwas sagen konnte, schloss ich die Tür vor seiner Nase und hüpfte zurück ins warme Wasser. Ich ließ meine Haut einweichen und peelte sie ausgiebig. Meine Wahl fiel auf eine leichte, schimmernde Körperbutter, die meine Haut beinahe seidig aussehen lassen wird. Perfekt für heute Abend.
Ich zelebrierte nach so langer Zeit, die ich zu Hause war oder nur mal kurz weg, förmlich mein Make-up. Wobei zelebrieren in meinem Fall auch hieß: Abdecken, abdecken, abdecken! Meine Rippen überschminkte ich mit Camouflage und settete es mit einem transparenten Puder, damit mein Kleid keine Farbe abbekam. Das gleiche mache ich an einer kleinen Stelle an einer Schulter und an meinem Rücken, was passiert sein musste, als ich ohnmächtig geworden war. Dann erst fing ich mit meinem Gesicht an. Mein linkes Auge und der kleine Cut, der zwar gut verheilt aber immer noch leicht zu sehen war. Ich deckte alles zunächst mit Camouflage ab, dann trug ich die eigentliche Foundation und Concealer auf. Fixierte alles mit einer ordentlichen Lage Puder und machte mich an die Augen. Ich betonte sie mit einem etwas dunkleren Lidschatten und zog mir einen erstklassigen Eyeliner, der meine Augen richtig schön nach Katze aussehen ließ. Eigentlich hatte ich roten Lippenstift geplant, da dieser die Aufmerksamkeit auf sich zog, gleichzeitig aber auch 1 a abdeckte. Leider hatte ich diesen Plan ohne meine bekrustete Wunde gemacht, ich pulte die so gut es ging ab und bemalte meine Lippen, dann in einem etwas dunkleren, rauchigem Nude. Meine Haare glättete ich einfach und ließ sie mir offen über die Schultern fallen. Als Accessoires wählte ich goldene Armreifen, passend zu einer goldenen Tasche und High Heels. Fertig zurechtgemacht und stolz auf mich, weil man auf den ersten Blick wirklich nichts von den Spuren der letzten Wochen sah, stand ich auf, um mich im Gesamtbild des Spiegels zu betrachten. Zugegeben trotz des ungewohnt hohen Schlitzes im Kleid, wirkte es elegant und ich fühlte mich gut. Lediglich mein stark geschminktes Gesicht irritierte mich. Und dennoch wusste ich, niemandem der mich nicht kannte würde es auffallen, oder sich Gedanken dazu machen.
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Inshallah Amore | Raf Camora
FanfictionIn dieser Story geht es um die 22-ährige Mina und um ihre Familie, mitunter um ihren Vater Arafat Abou-Chaker, ihrem Onkel Anis Ferchichi und ihren besten Freund/schon fast Bruder Michael Schindler. Wie es sich in einer arabischen Großfamilie, mit...