Willst du Wahrheit oder Schein?

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"Amina... ich will dass du ehrlich bist..", mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, zu groß war die Angst vor dem was kam. Auch er wandte seinen Blick ab, atmete einmal tief durch, kniff die Augen zusammen und fuhr sich mit den Händen durchs Gesicht. Man merkte wie schwer es ihm fiel. "Kann es sein, dass du schwanger bist?", seine brüchige Stimme zertrümmerte mein Herz.

Ich traute meinen Ohren nicht. Mir wurde schwindelig, ich griff automatisch nach seiner Hand, obwohl ich ihn gerade ganz weit weg von mir wünschte. Was mich mehr schockierte wusste ich nicht, die Tatsache, dass er mich so etwas fragte oder dass es vielleicht wirklich sein sollte. "Amina?", er rüttelte leicht ein meiner Schulter, doch mein Geist war abwesend, unfähig zu antworten, sah ich ihn aus Tränen erfüllten Augen an und ließ die Dämme brechen, als er mich in seinen Arm zog. Musste ich es ihm nun wirklich erzählen?  "TU ES NICHT!! NIEMALS!!", schrie es in meinem Kopf, es war so demütigend. Aber wollte ich, dass er von mir dachte, ich hätte wirklich freiwillig mit ihm geschlafen? Bei dem Gedanken bekam ich Gänsehaut. Wie würde er reagieren, wenn ich ihm die Wahrheit sagte? Konnte ich sein Handeln verantworten. "Ich fasse das mal als ja auf.", verurteilte er mein Schweigen und ließ meine Hand los. Unfähig etwas zu sagen, wischte ich mir die Tränen weg, zog meine Beine an den Körper und schlang meine Arm drum. In seinen Augen sah ich wie sein Herz brach, sie wurden beinahe matt, sein Gesicht erstarrte. Ich wollte seine Hand nehmen, doch er schlug meine weg. Raphael stand auf und verließ das Bad. Sein Blick strotzte nur vor Enttäuschung und Hass, hatte nur gefehlt, dass er vor mir auf den Boden spuckte. War ich für ihn jetzt nichts mehr als eine Hure? Ich krümmte mich auf dem Boden zusammen und heulte bis ich einfach nichts mehr fühlte, sondern einfach nur da lag, leer und wertlos.

"Du kannst im Schlafzimmer schlafen, ich gehe unten ins Gästezimmer.", warf er in den Raum und ging nach oben um vermutlich seine Sachen zu holen. Es kamen keine Tränen mehr, sie waren alle verbraucht. Trotzdem stand ich auf und folgte ihm nach oben. Er kramte gerade ein paar Anziehsachen aus dem Schrank und fing an seine Bettwäsche umzuziehen.  "Rapha-", wollte ich anfangen, doch er fiel mir ins Wort. "Sag bitte nichts.", er wurde nicht mal jetzt ausfallend. Stumm lief ich die Treppen hinab, über die Terrasse, den Felsweg entlang zum Meer. Ich brauchte Abstand und Luft.


Raphaels Sicht

Mit umgezogenem Bettzeug und einigen Klamotten, die ich wahllos aus dem Schrank genommen habe, betrat ich eines der Gästezimmer und warf mich aufs Bett. Wie kann sie so unschuldig tun, ihre Brüste verdecken, mich von sich stoßen obwohl sie mit anderen Typen fickt? Hatte ich mich so getäuscht und mich belügen lassen? Wahrscheinlich waren ihre Verletzungen auch noch beim Sex entstanden. Oder war sie nur zurück zu mir gekommen, weil er es ihr nicht besorgen konnte. Scheiße alter! Wütend boxte ich ins Kissen. Dieses Verhalten passte einfach sogar nicht zu ihr, nie hätte ich gedacht, dass sie so eine ist. Ich dachte wirklich, ich wäre ihr Erster. Wer weiß, wie viele sie vorher doch schon gehabt hatte. Es war nicht allein die Tatsache das ich nicht wusste, wie viele Typen schon über sie drüber gerutscht waren, eher dass sie mich angelogen hatte, mich für dumm verkaufte. Genaugenommen wusste ich nicht mal ob das was sie getan hatte unter Fremdgehen zählte, wenn dann wären wir beide schuldig. Räudig erinnerte ich mich an die Nacht in Wien, an die Olle in ihrem roten Kleid und billigem Parfüm. "FUCK!", stieß ich aus. Ich hatte kaum Recht sie zu verurteilen. Aber es traf mich eben. Es fickte mich einfach. Ich dachte, sie sei die Frau meiner Träume, eine Vernünftige, eine ehrliche. Ich hatte ihr geglaubt, als sie sagte sie sei Jungfrau, ich hatte es hingenommen als ich merkte, dass sie wirklich warten wollte. Ich hatte gewartet, ich war stolz so eine Frau an meiner Seite zu haben, ich freute mich über ihre Ansichten. Bei dem Gedanken, dass sie nur mich in ihrem Leben hatte, erfüllte es mich und das sollte alles gelogen und reinste Illusion gewesen sein? Leise Schritte waren auf der Treppe zu hören, sie ging raus. Die Terrassentür knarrte. Still ging ich ihr hinterher, sah wie sie den Weg zum Wasser entlang schlich und sich in den Sand fallen ließ. Heute Nachmittag hatten wir dort noch zu zweit gesessen, Arm in Arm, Hand in Hand, uns geküsst und sie hatte mir gesagt, dass sie mich liebt. Was ich auch nicht infrage stellte, aber was war passiert, dass sie sich so in die Arme eines anderen hatte treiben lassen, treiben und ficken lassen. Wenn ich darüber nachdachte, wie dieser Hund ihr nah war und sie es hatte zugelassen. Morgen ging es zurück nach Berlin, nicht für lang, ich hatte etwas wichtiges zu klären, dann wollte ich eigentlich mit ihr zurückkommen, vielleicht auch mit John und Co. Was daraus wurde, wusste ich nicht. Eigentlich wollte ich den Abend nutzen um sie seelisch ein bisschen darauf vorzubereiten, aber das war wohl nichts. Unsicher was ich tun sollte, stand ich auf der Terrasse und sah hinaus aufs Meer. Ich war hundemüde, doch konnte ich nicht schlafen gehen, wenn sie alleine draußen saß. Ich liebte sie, ich muss doch auf die aufpassen.

Inshallah Amore | Raf CamoraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt