Hundesohn

586 28 19
                                    

"Es ist kein 5-Sterne Hotel, aber ich hoffe es ist okay.", er grinste mich ein letztes Mal an, wünschte mir eine gute Nacht und zog die Schlafzimmertür hinter sich ran. Ich war ihm zu tiefst dankbar für seine Mühe. Ich schloss die Tür zu und zog mich um, legte mich ins Bett und versuchte ein Auge zu zubekommen. Alles um mich herum roch fremd, doch irgendwie beruhigte mich das. Ich fiel nach kurzer Zeit ins sonderbare Land der Träume, leider der reinsten Albträume, sodass ich hochschreckte und um Luft rang. Ich hatte von ihm geträumt, über mir, sein Gesicht war eine einzige Fratze und seine Hände überall an meinem Körper. Ich erschauderte, schlang die Arme um meinen eigenen Oberkörper und hoffte, dass es vorbeiging. Natürlich ging es nicht und als ich spürte wie mir schlecht wurde, schlich ich langsam los ins Bad. Für alle Fälle, wie peinlich wäre es auch noch in sein Bett zu spucken? Vor der Toilette angekommen, wurde es echt Zeit, ich schaffte es gerade noch die Brille hochzuklappen, dann würgte ich bis es kein morgen mehr gab. Ich wusste nicht, ob vor dieser Panik, oder weil ich mich vor ihm ekelte, oder weil ich mich in meinem eigenen Körper ekelte. Nach einer gefühlten Ewigkeit stand ich auf und wusch mir den Mund aus, sah in den Spiegel; nichts außer dunkle Schatten. Es tapste auf dem Parkettboden, kurz wunderte ich mich über dieses ungewohnte Geräusch, bis Chopper in der Tür stand und mich verschlaffen ansah. "Na mein Süßer", begrüßte ich ihn und ließ mich gegen den Rand der Badewanne fallen. Er kam zu mir und setzte sich neben mich. "Guckst du was ich hier treibe?", ich strich ihm behutsam über den Kopf, er gähnte, ließ sich über den kalten Boden rutschen und bettete seinen Kopf in meinem Schoß. "Ich wollte dich nicht wecken..", streichelte ich ihn weiter, während seine Augen wieder zu fielen. "Es kam einfach hoch. Ich weiß nicht wie ich Raphael je wieder in die Augen schauen soll."

Ich musste eingenickt ein, denn als ich das nächste Mal erwachte, war mir kalt und mein Rücken schmerzte tierisch. Chopper lag immer noch bei mir, schien noch zu schlafen, weshalb ich ihn schweren Herzens wecken musste, um aufzustehen. "Tut mir Leid..", flüstere ich ihm zu, als er mich verdattert ansah und nicht wusste, was los war. Ich stand auf und ging ins Schlafzimmer, er folgte mir und hüpfte vor mir freudig aufs Bett. "Das war jetzt nicht der Plan.", ich konnte mir ein leises Lachen aber nicht verkneifen. Notgedrungen quetschte ich mich neben den riesigen Hund ins Bett und kuschelte mich irgendwie an ihn. Er beruhigte mich und so schlief ich die letzten Stunden bis zum nächsten Morgen tatsächlich durch.

Meine Augen wurden von der Sonne geblendet, die durch die spärlichen Gardinen ins Zimmer schien. Es musste schon spät sein. Das Bett neben mir war leer, wahrscheinlich hatten sie schon ihre erste Runde gedreht. Ich zog mich um, schlüpfte in einen Hoodie und eine Leggings. Argwöhnisch sah ich an mir runter und entschied mich dann doch dagegen, fühlte mich irgendwie nicht wohl in Leggings hier. Da ich keine Jogginghose oder etwas in derart eingepackt hatte, bediente ich mich frech an Martens Kleiderschrank und zog eine Team Platin Hose heraus. Sie war mit Kilometer zu lang, weshalb ich sie unten etwas umkrempelte, und oben ziemlich eng schnüren musste, aber es würde vorerst reichen. Leise verließ ich das Schlafzimmer und hörte Geräusche aus der Küche. "Guten Morgen.", begrüßte ich ihn und hüpfte über die Türschwelle. "Morgen, sorry.. wollte dich nicht wecken.", er bot mir einen Platz am Tisch an und fragte ob ich was essen wolle, doch ich verneinte und nahm mir ein Glas Wasser. "Geht es dir gut?", fragte er misstrauisch. "Ja, wieso?" "Du willst nichts essen und letzte Nacht hast du gekotzt.", schade, so sehr hatte ich gehofft, dass er meine nächtliche Aktion verschlafen hatte. "Tut mir Leid, dass ich dich geweckt habe damit.", beschämt biss ich mir auf die Lippe, was aufgrund meiner Wunde minimal weh tat. "Hast du nicht, aber Specki als er vom Sofa gesprungen ist. Übrigens schicke Hose", lenkte er geschickt ab. Ich grinste unschuldig und nippte an meinem Wasser. "Er wollte nur sehen was los ist." "Und was war los?", fragte er nach. "Ich hatte einen schlechten Traum.", antwortete knapp. "Muss ja mies gewesen sein, wenn du davon kotzen musstest.", befand mein Gegenüber und musterte mich. "Ja... aber dann ist Chopper gekommen und hat mich nicht mehr alleine gelassen.", belächelte ich seinen Hund der geduldig vor dem Frühstückstisch saß und hoffte auch noch den ein oder anderen Snack ab zu bekommen. "Ja, Hunde sind treue Seelen und spüren wenn es einem schlecht geht.", nachdenklich sah er ebenfalls auf seinen Hund, der aufgeregt hechelte. "Mir geht es nicht schlecht, ich hab nur schlecht geträumt.", entgegnete ich und trank einen Schluck. Er ließ es unkommentiert. "Willst du duschen oder so?", wechselte er das Thema. "Ja, wenn das geht..", nahm ich dankend an. "Ich geh gleich ne Runde mit ihm, dann hast du deine Ruhe.", er zwinkerte mir zu, stand auf und räumte den spärlich gedeckten Tisch ab. Ich half ihm so gut es ging, bevor mein Weg zurück ins Schlafzimmer führte, in dem ich mich erstmal wieder ins Bett kuschelte, keine Sekunde dauerte es, da sprang Chopper wieder hoch und legte sich halb auf mich. Ich stöhnte leicht, da er an meine Rippen stieß, aber kraulte ihn am Ohr. Er konnte ja nichts dafür. "Komm Specki, lass die Lady in Ruhe.", lachte Marten und eben gemeinter stand, wenn auch nur widerwillig auf. "Sind dann weg.", rief sein Besitzer nochmal über die Schulter und das nächste was ich hörte, war die Haustür, als sie krachend ins Schloss fiel. Mein Stichwort um mir meine Sachen zu schnappen und ins Bad zu verschwinden, ich schloss die Tür vorsichtshalber ab, falls er schon früher zurück sein sollte und stellte mich unter das warme Nass. Es tat wahnsinnig gut, entspannt wusch ich meine Haare, meine Haut und genoss einfach die Wärme. Nach einer gefühlten Ewigkeit stellte ich das Wasser ab und umhüllte mich mit dem weichen Handtuch. Schnell streifte ich meine Unterwäsche über und huschte ins Schlafzimmer. Unschlüssig was ich anziehen sollte, entschied ich mich erstmal wieder für ein Longsleeve und Martens Jogginghose in welche ich mein Oberteil reinsteckte, damit sie nicht all zu sehr rutschte. "Wir sind wieder da.", rief er durch die Wohnung und brachte mich zum Lächeln. Niemals hätte ich gedacht, dass er so lieb war. Ich folgte seiner Stimme ins Wohnzimmer, wo ich ihn auf dem Sofa wiederfand. "Hey.. dass ging ja schnell.", wusste ich nichts anderes zu sagen und setzte mich dazu. Sofort kam der Hund und warf sich auf mich. "Chopper!", ermahnte ihn Marten, doch ich wank ab und ließ ihn gewähren. "Können wir Raphael anrufen?", ich nahm all meinen Mut zusammen und hoffte inständig, dass er sich Erbarmen würde, seine Gesicht zeigte mir aber eher ein skeptisches Augenpaar, welches mich durchdringlich ansah. "Vielleicht, wenn du mir sagst, was an dem Tag da eigentlich passiert ist.", es klingelte an der Tür. Der braune Hund sprang sofort auf und trat mir gegen den Brustkorb, erschrocken keuchte ich auf, was mir einen verwunderten Blick von Marten verschaffte. Dennoch schweigend öffnete er die Tür, das erste was ich sah war ein zweiter Bully, dann hörte ich Johns Stimme. "Hey Cousin, was geht? Kannst du kurz den Hundesohn nehmen, hab einen wichtigen Termin.", schon stand er im Türrahmen. "Ja, klar. Aber ich hab grad Besucht.",, ich hörte sein Cousin die Wohnungstür schloss und mustere John. "Was machst die denn hier?", fragte dieser kühl. "Ich hab sie gestern auf dem Kiez gefunden.", antwortete Marten für mich. "Aha und was willst du hier?", seine ganze Haltung wirkte mehr als abweisend. "Ich will eigentlich nur zu Raphael." Er lachte. "Verpiss dich zurück nach Berlin zu deiner Familie! Ich bin weg, hole ihn heute Abend oder so wieder ab..", wandte er sich an seinen Cousin und verließ die Wohnung.

"Was hab ich ihm getan?", fragte ich Marten verdutzt, dieser dachte eine Weile nach bevor er anfing zu erzählen:" Ihm persönlich nichts, aber die Tour, die ihr mit Raf abgezogen habt, war krass." "Was meinst du?", fragte ich irritiert und wusste absolut nicht wovon er sprach. Statt mir zu antworten, forderte er mich auf zu erzählen. Also fing ich an:" Ich war da mit Said und meinen Onkeln und Burak, er spielt momentan meinen Wachhund. Ich saß den ganzen Abend da, durfte nicht weg, gar nichts und hab gewartet bis wir nach Hause fahren würden. Dann hat Anna mich aufgefordert ihr zu folgen, Burak abgelenkt und ist mit mir hoch auf die Dachterrasse zu euch. Dann hab ich mich kurz mit Raphael unterhalten können und dann kamen meine Verwandte schon.." "So ähnlich dachte ich es mir schon...", murmelte Marten. "Was denn?" , forderte ich ihn ungeduldig auf. "Ich erzähle es dir, wenn du mir sagst was mit deiner Rippe passiert ist.", schlug Marten vor und augenblicklich wurde mir anders. Woher wusste er das? "Ich hab eben aus versehen durch die offene Tür ins Schlafzimmer geschaut, als du dich angezogen hast. Es war wirklich nicht mit Absicht.", gestand er. "Okay...", murmelte ich. "Aber du fängst an." Er nickte. "Als dein Onkel dich zu diesem Kanaken gebracht hat, der dich mit rein genommen hat, hat dieser Said erzählt warum du auf dem Dach warst. Er hat Raf weiß gemacht, dass du nicht seinetwegen gekommen bist, sondern nur weil er nicht zu seinem Geschäftspartner Ronny Boldt kommen wollte, der Geschäfte mit deiner Familie besprochen hat und du nun seinen Part übernimmst und bessere Bedingungen schaffst.", er redete so emotionslos als würde er vom Wetter sprechen. "Er hat was?", mit großen Augen sah ich ihn an, konnte es nicht glauben. "Und er glaubt ihm?", Marten zuckte mit den Schulter, was wohl so viel wie keine Ahnung, denke schon bedeuten sollte und lehnte sich zurück. "Also was ist mit deiner Rippe passiert?", musterte er mich und zog die Augenbraue hoch. "Ich bin die Treppe runtergefallen.", log ich ihn an und lehnte mich ebenfalls zurück. "Lüg mich nicht an, ich hab genug mit Nutten zu tun um zu wissen, dass das keine Treppe war.", knurrte er. "Hältst du mich für eine Nutte?" "Nein, aber ihn für einen Hurensohn.", antwortete er schlicht. "Wenn du es eh schon weißt, warum fragst du dann?" "Ich wollte es von Dir hören. Warum hat er das gemacht?", fragte er weiter. "Das war nicht Teil der Absprache.", blockte ich ab. "Ich hab schon versucht ihn zu erreichen, sein Handy ist aus.", er kratzte sich a Kopf. "Warum glaubt Raphael ihm die Geschichte?" "Vielleicht, weil du ihm gesagt hast, es war ein Fehler. Du wolltest das Handy nicht.. Was soll er denken?" "Aber ich hab da a-", ich brach ab. Es ging ihn doch nichts an, es betraf nur meine Familie und ihn. "Was?", hakte er aber sofort nach. "Nichts.. ich..egal.", zügelte ich meine Zunge und widmete mich dem Hund, der sich freudig an mich schmiegte. "Er wollte das ich ihn küsse, aber ich hab ihm ins Gesicht gespuckt.", flüsterte ich monoton und kraulte Choppers Ohr. "Wichser.", kommentierte Marten trocken. Die nächsten Stunden verbrachten wir zu dritt auf dem Sofa, Marten zockte, ich kuschelte mit den Hunden, die beide ziemlich eifersüchtig waren, wenn es um Streicheleinheiten ging und jagte einem Gedanken nach dem anderen in meinem Kopf nach. Hatte ich Raphael wirklich das Gefühl gegeben, dass ich ihn nicht liebte?

Inshallah Amore | Raf CamoraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt