Die Zukunft ist jetzt, egal was mal war

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Es konnte sich keiner vorstellen, was es mir abverlangte, stumm dieses Getue am Frühstückstisch zu ertragen. Deshalb verzog ich mich schnell nach oben, schmiss mich aufs Bett und zog mir die Decke über den Kopf. Der letzte Abend war so schön gewesen, am Feuer, im Bett mit ihr. Ich liebte sie. Ich war so unendlich dankbar, dass sie ein Teil meines Lebens, dass sie ein Teil von mir war. Hätte ich sie nicht schon gefragt ob sie meine Frau werden möchte, dann spätestens jetzt. Zwar wusste ich nicht, wie gerade sie so viel Verständnis für meine Schwester aufbringen konnte, aber es zeigte mir wieder einmal was Familie für sie bedeutete. Leise hörte ich die Terrassentür durch das offene Fenster, die Stimme von meinem Großvater und die sanfte Stimme meiner Freundin. Sie unterhielten sich auf einer Mischung von Französisch und ein ganz paar Worten Deutsch. Es klappte erstaunlicherweise relativ gut, zwar gab es hier und da Verständnisprobleme bei einzelnen Wörtern aber inhaltlich funktionierte es so gut, dass ich beide so sehr Lachen hörte, dass es mich beinahe ansteckte.

"Mein Sohn, was ist los mit dir?", meine Mutter setzte sich neben mir auf das Bett, zog mir die Decke vom Kopf und musterte mich besorgt. "Maman, alles in Ordnung. Ich bin nur geschafft von allem.", ich drückte bestätigend ihre Hand und versuchte wage zu Lächeln. "Von der Feier oder von deiner Schwester?", sie kannte mich zu gut. "Warum fragst du mich, wenn du es eh schon weiß?!" "Ich bin deine Mutter, ich sehe es in deinen Augen.", wies sie mich an und forderte mich auf ihr zu erzählen. "So sehr ich versuche, damit klar zu kommen, ich kann die beiden kaum zusammen sehen.", gestand ich ihr. "Raphael, euch verbindet eine lange Freundschaft, eine Freundschaft, die fast Familie für euch ist." "Ja, dass ist es ja, wie kann er dann etwas mit ihr anfangen?" "Deine Schwester hat sich genauso dafür entschieden wie er, machst du ihr zum Vorwurf ihr Glück zu finden?", warf meine Mutter ein. "Nein, natürlich nicht. Ich will ja das sie glücklich ist. "Dann lass sie glücklich sein, sie beide miteinander und hab vertrauen in sie. Hab vertrauen aber sei wachsam. Entweder sie beweisen dir, dass es funktioniert und er ihr Glück ist oder er sticht sich selber aus." "Das hat Mina auch schon gesagt." "Dann höre auf deine Freundin, oh pardon Verlobte, mein Sohn.", auf ihren Lippen schlich sich ein Lächeln. "Aber sie ist meine kleine Schwester, ich muss doch auf sie achten.", meine Stimme klang verzweifelter als beabsichtigt. Meine Mutter lachte gespielt. "Meinst du mir fällt das leicht? Meine beiden Kinder sind erwachsen, gehen ihren eigenen Weg. Gründen bald eigene Familien. Du hast deine Sache mehr als gut gemacht und Sophia wird es auch, diese Ungewissheit zermürbt einen und man hofft, dass alles gut wird... Was meinst du, wie es mir ging, als du wie vor den Kopf geschlagen nach Hause kamst, total neben dir standest und nur Stückchenweise erzähltest was los ist? Nachts wieder um die Häuser gezogen bist und irgendwelche Mädchen bestiegen hast.", bei ihren deutlichen Worten schoss mir vor Scham die Hitze ins Gesicht. "Aber es blieb mir nichts anderes übrig als in dich zu vertrauen, weil ich wusste so bist du nicht. Und sieh wie es jetzt ist: Ich habe eine wunderbare Schwiegertochter, die nicht nur kochen kann, sondern auch die gleiche Vorstellung von Familie und Zusammenhalt hat, wie ich immer versucht habe sie an euch weiter zu geben. Die gerade mit Nonno im Garten sitzt und mit ihm über seinen schönen Geburtstag spricht, selbst er hat sie direkt ins Herz geschlossen. Das alles hätte ganz anders kommen können, aber ich wusste-, wir wussten, wie du bist, was dir wichtig ist, was du magst, was du liebst, wie du tickst und dazu passt nur jemand wie sie. Und genauso denke ich bei Sophia, ihr seid euch sehr ähnlich, natürlich verstehe ich deinen Groll über ihr nächtliches Treiben -" "Du weißt davon?", mit großen Augen starrte ich sie an. "Ich bin langsam alt, aber nicht taub.", tadelte sie mich streng. "Aber niemand schämt sich so sehr dafür wie sie. Überleg mal, wie sie versucht bei dir Gutwetter zu machen und deine Nähe sucht.. Sei nicht so streng mit ihr." "Ich versuche es." "Ich bin mir sicher du bekommst es hin.", meine Mutter zwinkerte mir zu, strich mir über den Arm und verließ das Zimmer. Wenn das alles nur so einfach wäre, dachte ich und fuhr mir mit den Händen durch die Haare. Hoffentlich hatten sie beide recht.

Inshallah Amore | Raf CamoraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt