Balkanexpress

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"Hallo", meldete sich eine dunkle Männerstimme, welche mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. "Ich bins Arafat."



"Wie komme ich zu der Ehre?", lachte ich höhnisch. "Willst du versuchen mir Angst zu machen oder zu Drohen? Mach dir nicht die Mühe, glaub mir. Ich bin durch mit ihr und eurer Familie. Ich misch mich nicht mehr ein." "Wie geht es ihr?" "Wenn du diese Nummer herausgefunden hast, weißt du auch, dass sie nicht hier ist. "Hör zu, ich rufe nicht an um Hass zu schüren oder euch zu drohen. Wenn ich das wollen würde, hätte ich nicht meine Leute von deiner Familie abgezogen oder stände direkt in deinem Haus. Ich will einfach nur wissen, wo sie ist und wie es ihr geht.", gab er vor. "Seit wann interessiert es dich, wie es ihr geht?", stellte ich die Gegenfrage. "Ich habe einen großen Fehler gemacht. Sie ist weggelaufen.", räumte er ein, doch es brachte nichts. "Er hat sie geschlagen, ihre Lippe war aufgeplatzt und sie behält eine Narbe, von jemanden den ihr eigener Vater ins Haus geholt hat.", redete ich ihm ins Gewissen. "Ich weiß nicht wie es ihr geht, denn sie ist nicht hier. Aber ich weiß auch nicht, ob ich es DIR sagen würde, wenn sie es wäre. Ich habe nichts von ihr gehört seit der BMG.", dann legte ich auf. Ich hatte ihm nichts mehr zu sagen.

Viel mehr fickte es meinen Kopf mein Mädchen da draußen irgendwo allein. Ich warf das Telefon an die Wand, es zersplitterte in 1000 Teile, jedenfalls konnte er mich so nun nicht mehr anrufen. Wie in Trance schaltete ich mein Handy ein. 1000 Nachrichten kamen rein, schnell scrollte ich sie durch. Mehrere Anrufe von Anonym, Marten hatte es wieder versucht. Meine Mama, meine Schwester. Ich checkte Flüge nach Berlin, leider erst am morgigen Nachmittag, ich buchte trotzdem, denn ich musste nach Hause und sie finden. Der Gedanke daran, sie allein irgendwo. Wo sollte sie hin? Sie konnte nicht zu Michael, weil er in Bietigheim war, Elena ebenfalls. Ob sie groß andere Optionen hatte wusste ich nicht. Anna und Max kannte sie, aber sie wusste nicht wo sie wohnen. FUCK! Konnte es sein, dass sie nach Hamburg gegangen ist? Ins Studio oder zu John? Wobei ich wusste nicht, ob sie sich gemerkt hatte wo, was war und wie sie dahin kam. Hatten die Jungs mich deshalb angerufen? Zitternd vor Aufregung wählte ich Martens Nummer, doch der ging nicht ran. Wie konnte er nicht rangehen, wenn er mich doch seit Tagen versuchte zu erreichen? Bei John nahm zwar jemand ab, aber es war keiner dran. Weshalb ich schnell wieder auflegte. Ich bombardierte beide mit Nachrichten, aber keiner antwortete. Mir blieb wohl oder übel nichts anderes übrig, als die Nacht abzuwarten. Mir war heiß und kalt gleichzeitig. Hoffentlich hatte Said nichts damit zu tun. 2 Stunden, etliche Zigaretten und Gläser Yamazaki später hatte ich gefühlt eine Alkoholvergiftung und lag auf meiner Liege am Pool. Ich liebte dieses Mädchen.

Am nächsten Tag wachte ich verschwitzt auf, ich lag in der brütenden Sonne auf meiner Terrasse, halb auf der Liege, halb daneben. Der Fixstern stand hoch am Himmel, wir mussten bereits Mittag oder so haben. Der Blick auf meine Uhr verriet mir 14.14 Uhr. "Scheiße!", fluchte ich vor mich hin und ging ins Haus. Dort sah ich das zerbrochene Telefon liegen, hob es auf und wollte es in den Mülleimer schmeißen, als ich innehielt. Ganz oben drauf lag eine goldene Kette mit einem Raben als Anhänger. Ich nahm sie in die Hand und traute meinen Augen nicht. Es war meine Kette, die ich Mina geschenkt hatte, als sie bei mir war und mir gestanden hatte, wer ihr Vater war... an dem Tag an dem wir beschlossen hatten, es miteinander zu versuchen. Wie kam diese Kette hierher?  Mein Handy zeigte keinen neuen Nachrichten oder Anrufe, weshalb ich es nochmal bei Marten probierte. Doch sein Handy war aus. Kurzum beschloss ich duschen zu gehen, irgendwie den Kopf kurz abzuschalten, wieder klar zu kommen und wach zu werden.

Frisch geduscht in Jogger und T-Shirt sprintete ich die Treppen runter als ich mein Handy klingeln hörte. "Jo Bruder, endlich!", begrüßte ich Marten. "Na habt ihr euch versöhnt?", das Grinsen in seiner Stimme war kaum zu überhören. "Was meinst du? Hast du was von Amina gehört?", fragte ich aufgedreht. "Wie? Sie ist gestern zu dir nach Barca geflogen, weil wir dich ja nicht erreichen konnten. Hab ihr deine Adresse gegeben.", berichtete er und wir wurde schummrig. Sie war hier gewesen. "Raf?" "Ja, ich bin noch da. Ich hab meine...ihre Kette gefunden", murmelte ich abwesend. "Wessen jetzt?", lachte Marten in mein Ohr. "Hör zu, ich muss auflegen!", schon hatte ich ihn abgewürgt und ließ mein Handy in meine Hosentasche gleiten. Mit der Kette in der Hand steuerte ich Perez zu, der gerade das Tor öffnete. "Buenas, weißt du zufällig etwas über diese Kette?", hielt ich sie hoch und er musterte sie kurz, nickte dann. "Die hat gestern ein Mädchen hier abgegeben, sie wollte zu dir, aber du warst nicht da. Sie wollte warten, aber ich hab sie abgewiesen. Als ich ihr mit den Bullen gedroht hab, hat sie mich gebeten, dir das zugeben. Irgendwie süß oder? Bestimmt dachte sie, wegen den Vögeln.", er schmunzelte. "Warum hast du sie mir nicht gegeben?", er stutzte. "Du hast gesagt, ich soll die Geschenke von den kleinen Groupies wegschmeißen, wobei ich kurz überlegt hatte, sie zu behalten. Sieht aus wie vollgold.", mutmaßte er. "Das sieht nicht nur so aus, die Kette ist voll gold und der Stein ein schwarzer Diamant. Das ist meine Kette.", bestätigte ich ihn und klärte auf. Er machte große Augen. "Sorry Raf, hätte ich das gewusst! Sie war heute morgen nochmal hier und hat nach dir gefragt." "Ja und?", bohrte ich. "Ich hab gesagt, du hättest nichts für sie übrig und das sie gehen soll. Dann ist sie gegangen.", er zuckte mit den Schultern. Das konnte doch nicht wahr sein! Kurz fuhr ich mir mit den Händen durch die Haare und überlegte fieberhaft, was ich nu tun konnte. "Sie hat mir gestern morgen gesagt, sie sei in einem Hotel hier die Straße runter." "Danke.", stieß ich ehrlich aus. Klopfte auf seine Schulter, holte meinen Autoschlüssel und fuhr los. Entlang der Straße lagen zwei Hotels, ich musste es zumindest versuchen. Ich parkte direkt vor der Tür des ersten Hotels, der Portier rief mir etwas zu, doch ich hörte gar nicht hin, steuerte direkt auf die Rezeption zu. "Hallo, ich bin auf der Suche nach Amina Abou-Chaker. Können sie mir vielleicht weiterhelfen?", fragte ich freundlich und besann mich zur Ruhe. In der Hoffnung in Spanien sahen sie es noch nicht so krass mit Datenschutz wie in Deutschland. Die Dame tippte in ihren PC und schüttelte ihren Kopf. "Okay, trotzdem danke." Also das nächste Hotel. "Schönes Auto.", staunte ein junger Mann als ich vor der Tür stehen blieb, ich nickte ihm zu und joggte zum Empfang. "Hallo, ich hoffe Sie können mir helfen. Ich bin auf der Suche nach Amina Abou-Chaker." "Ja, moment bitte." auch sie tippte. Und tippte, es am mir vor wie Stunden, die sie auf den flachen Bildschirm starrte. "Nein, tut mir Leid.", verkündete sie. "Was, das kann doch gar nicht sein!", rief ich aus und erntete die bösen Blicke der gesamten Lobby. "Pardon..", murmelte ich, sie lächelte mir einfach nur zu. Ich verließ auch dieses Hotel, stieg in mein Auto und lenkte es Runde für Runde durch Barcelona. Ich wusste nicht was ich machen sollte. Ich konnte schlecht jedes Hotel nach ihr abklappern. Beinahe macht ich eine Vollbremsung. Wie dumm ich war.  Mich über mich ärgernd, dass ich fast eineinhalb Stunden verschenkt hatte fuhr ich zurück zum ersten Hotel. Die Dame lachte mich schon an, als ich herein trat. "Haben Sie vielleicht diese Frau gesehen?", fragte ich und hielt ihr mein iPhone unter die Nase. Sie sah sich mein Handy an und überlegte kurz, dann rief auch sie ihre Kollegen herbei. Einer der Pingiune erinnerte sich, natürlich konnten sich Männer eher an sie erinnern.  "Señorita Ajdinovic". Ich legte den Kopf schief und verstand nicht. Die Dame tippt in ihren PC und drehte dann den Bildschirm zu mir.  Auf dem Bildschirm war ein eingescannter Reisepass zu sehen. Mit dem Bild meiner Freundin unter einem anderen Namen. Adriana Ajdinovic. Ich musste mir das Grinsen über diesen Namen verkneifen. Adriana kam zu 100 Prozent von den Jungs. Ich nickte glücklich. "Ja, das ist sie.", die Frau drehte den Bildschirm wieder zurück und tippte wieder. "Frau Ajdinovic ist heute morgen abgereist.", es fühlte sich an wie ein Schlag in die Magengrube. Ich checkte den Flug von Barcelona nach Berlin. Das Boarding hatte bereits begonnen. Ich schaffte es niemals mehr bevor sie abhob. Für einen kurzen Moment war sie mir so nah und jetzt ist sie mir wieder so fern. Mein Mädchen.

Inshallah Amore | Raf CamoraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt