Ruhe vor dem Sturm

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Amina Sicht

John kam am nächsten Tag vorbei und wir machten du dritt einen ellenlangen Spaziergang mit den Hunden außerhalb von Hamburg. Chopper und Skittlez tobten wie die verrückten über die Wiese und powerten sich richtig aus. Marten hatte sich scheinbar am vorherigen Abend mit John getroffen und die Sache klargestellt, denn heute hörte ich keine Anschuldigungen und Vorwürfe seinerseits. Er war wieder ganz der ausgelassene, verrückte Lockenkopf, der ständig nur filmte. Immer wieder musste ich zur Seite springen, damit man mich nicht doch sehen konnte oder gar meinen Schatten. "Digga, langsam regt er mich richtig auf. Ständig ist sein Handy aus und er reagiert gar nicht. Die Welt könnte untergehen, er würde es nicht mitbekommen.", machte Marten seinem Ärger Luft. Verständlicherweise, mich regte es auch schon langsam auf. Wir könnten schon lange beieinander sein, nicht das er Schuld daran ist, dass wir uns so lange nicht hatten, aber es nervte einfach. "Wie sieht es aus, gleich was essen oder was?", schlug John vor und mir wurde flau im Magen. Marten musterte mich. "Ich hab Hunger, also ja.", beantwortete der Blonde seine eigene Frage und pfiff durch zwei Finger. Die Hunde kamen angerannt und er leinte sie an. Am Auto angekommen nahm ich wie zuvor auf der Rückbank neben den Vierbeinern platz. John passte wohl kaum hier rein, schätzte ich. Die Fahrt war zu meinem Erschrecken nicht lang. Marten hielt direkt vor einem Restaurant im Portugiesen Viertel, kaum stand das Auto, sprang sein Cousin auf und verschwand ins Innere des Restaurants. Wir schüttelten synchron den Kopf und mussten schmunzeln. Marten hielt mir die Tür auf und flüsterte mir leise zu:" Iss eine Kleinigkeit.. für Raf.", ich bekam Gänsehaut. John saß schon in einem der hinteren Tische und filmte für seine Story. "Bitte stell das aber noch nicht rein.", flehte ich ihn an und erntete einen verständnislosen Blick, "Bitte erst, wenn wir weg sind.", legte ich nach und er nickte. Ich bestellte mir eine kleine Portion Pasta, was Marten zufrieden abnickte und ich innerlich hoffte, das eine Kinderportion wirklich für kleine Kinder ausgelegt war. Natürlich nicht. Ich betrachtete den riesen Berg Nudeln auf meinem Teller, aus dem Augenwinkel grinsten sich Marten und sein Cousin unverschämt an. "Das ist nicht witzig.", protestierte ich, nahm langsam Gabel und Löffel in die Hand und rollte die Spaghetti auf. "Hier meint man es immer gut mit uns.", hoben sie beide die Hände und stürzten sich auf ihr Essen.

Nach einem haben Teller drohte ich zu platzen. Ich ließ mein Besteck hörbar fallen und hielt meinen Bauch. "Es war super lecker, aber jetzt ist genug." Beide schielten auf meinen Teller und bestätigten mich. "Du kannst stolz auf dich sein.", zwinkerte Marten mir zu. Was mich wirklich ein bisschen stolz machte Ich legte se Serviette zur Seite und entschuldigte mich kurz bei den Jungs, wobei John mich nicht so schnell gehen lassen wollte. "Warte eben noch ein bisschen.", hielt er meinen Arm fest, welchen ich ihn sofort entzog und mich wieder hinsetzte. "Wieso? Ihr seid doch auch fertig?", fragte ich ihn irritiert. "Auskotzen bringt nichts.", antwortete er trocken und blickte mich trotzig an. "Weiß sie, tut sie auch nicht. Hör auf mit der Scheiße. Geh schon!", letztere Worte wandte Marten an mich, dankend sah ich ihn an und verschwand auf Toilette. Ich wollte es definitiv nicht ausspucken, denn ich klopfte mir in meinem Kopf wirklich auf die Schulter, dass ich so viel geschafft hatte. Trotzdem war mir ein bisschen flau im Magen. Wahrscheinlich weil er es gar nicht mehr gewöhnt war. Ich lehnte mich ans Waschbecken und versuchte es mit regelmäßiger Atmung weg zu bekommen, bzw mich zu beruhigen, was zu meiner Überraschung ganz gut klappte. "Alles okay?", fragte mich John misstrauisch als ich wieder an den Tisch trat, ich nickte, ein kurzer prüfender Blick Martens machte auch diesen zufrieden und wir brachen auf.

Zu Hause zockten die Jungs ne Runde, während ich mit den Hunden spielte, sie waren so verschmust, aber das wollten ihre Besitzer ja nicht hören. Ich lag mit Chopper auf dem Sofa, Skittlez hing über der Lehne. Die Jungs spielten und trotz dem Gegröle schlief ich irgendwann ein, die viele frische Luft hatte mich müde gemacht. "Sei vorsichtig, man!", hörte ich Martens Stimme leise knurren. Jemand rüttelte an mir, im Halbschlaf sah ich Johns Gesicht ganz nah bei mir. "Schlaf weiter Kleine.", flüsterte er, legte mich ins Bett und deckte mich fürsorglich zu. "Gute Nacht.", flüsterte ich leise zurück und schmiegte mich an das weiche Kissen. John verschwand wieder Richtung Wohnzimmer. "Hätten wir sie ausziehen müssen?" "Bist du behindert? ", wäre ich nicht so müde gewesen, hätte ich über Martens trockene Antwort lachen müssen. John soll sich bloß vorsehen! "Meinst du, das ist gut, wenn sie Raf wiedersieht?", es wurde interessant. "Es wird Zeit!" "Aber sie ist so... ", John schien nach dem richtigen Wort zu suchen. "Zerbrechlich.", ergänzte ihn sein Cousin. "Es wird aber besser finde ich, guck mal sie ist von ihm getrennt, ihr Vater ist im Knast, oder war im Knast und sie mit so einem Hurensohn allein zu Hause. Wie soll es ihr da schon gehen?" John antwortete zumindest nicht verbal, denn Marten fuhr fort:" Du hättest ihre Lippe am Anfang sehen sollen und ihre Rippen, Bruder es ist alles blau hier,", wahrscheinlich zeigte er es gerade an sich selbst. "ich will gar nicht wissen, wie das frisch ausgesehen hat." "Vielleicht ist es auch gut, dass Raf sich noch nicht gemeldet hat und sie nicht direkt gesehen hat, auch wenn er langsam übertreibt.", Wohl oder Übel musste ich John Recht geben. Die beiden waren schließlich seine Freunde und wollten nur helfen. "So langsam vermisse ich auch mein Bett.", nörgelte Marten, hatte er mir es doch freiwillig angeboten. "Leg dich doch mit rein.", witzelte John. "Hast du sie noch alle? Doch nicht bei ihr!", erklärte er seinen Cousin für blöd. "Du lässt doch sonst keine heißen Frauen alleine schlafen.", zog John ihn auf und wurde mit irgendwas abgeworfen. Solche Kinder! "Sie ist so lieb und irgendwie rein... wenn sie wach und bewusst da ist, darf man sie ja nicht mal anfassen, am Arm oder so.", stellte Marten fest und versetzte mir ungewollt einen Stich in die Magengrube. "Sie zuckt sofort zusammen." "Meinst du er hat sie angefasst?", Johns Worte waren im Gegensatz zu sonst eher ausgewählt, wollte er wohl selbst nicht daranglauben. "Er hat es auf jeden Fall einmal versucht.", bestätigte Marten ihn. "Was ist dann passiert?" "Sie hat ihn angespuckt.", ich hörte sein Grinsen in der Stimme. "Geil!", rief John aus. "Aber ich denke nicht, dass es bei diesem einen Mal geblieben ist..", eröffnete Marten nachdenklich. Nein, ist es leider nicht. Ich merkte wie meine Augen heiß wurden. "Sie hat erzählt, er war total aufdringlich, hat sie beim Schlafen beobachtet und so was... da kann ich mir schwer vorstellen, dass da nicht mehr war.", Stumme Tränen liefen meine Wangen hinab und tropften aufs samtige Kissen.


Inshallah Amore | Raf CamoraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt