AMINAS SICHT
Ich hielt meine geschundene Hand unter kühles Wasser um den Schaden so gering wie möglich zu halten. An einigen Stellen bildeten sich allerdings bereits kleine Bläschen, was mir zeigte das ich da noch länger etwas von haben würde, wenn nicht sogar Narben. Vielleicht sollte ich es einfach über mich ergehen lassen? Er bekam doch so oder so was er wollte. Wäre mein Vater hier, würde er sich sowas im Leben nicht trauen, aber leider war er es nicht. "Ich bin weg, heul nicht so lange.", schrie mir das Monster auf arabisch ins Haus, dann hörte ich die Haustür ins Schloss krachen. Gott sei Dank. Ich wusch mir so gut es ging mein Gesicht und wollte gerade in mein Zimmer verschwinden als ich eine Stimme von unten rufen hörte:"Amina? Ich bin hier unten, nur das du weißt." Buraks Stimme ließ mich aufatmen. "Ja, ist gut. Danke.", rief ich leise zurück und schloss die Tür hinter mir. Ich trug eine Salbe auf die Innenfläche meiner Haut auf, was die Narbenbildung hoffentlich etwas reduzierte. Das wärs noch, für immer eine Erinnerung an diesen Teufel. Was Raphael wohl gerade machte? Ging es ihm gut? War er hier? Vielleicht aber auch bei seiner Familie in Wien. Ob sie mich als weiteren hoffnungslosen Fall abstempelten oder gar schon vergessen hatten? Und Michael? Nur wegen mir hatte er den ganzen Ärger mit dem Label, mit meinem Vater. Waren sie doch jahrelang Freunde gewesen. Ich fühlte mich dreckig. Mein Bauch knurrte, weshalb ich beschloss, mich kurz zu schminken und wieder nach unten zu gehen.
Ich frischte meinen Concealer auf und tuschte meine Wimpern nach, einigermaßen zufrieden ging ich nach unten. Burak saß im Wohnzimmer, mal wieder vor dem Fernseher. Das war ein Arbeitsleben, schmunzelte ich in mich hinein und begrüßte ihn nochmal. "Wolltest du gucken?", fragte er mich höflich und hielt mir die Fernbedienung schon entgegen. Ich lehnte dankend ab, ließ mich mit etwas Abstand zu ihm auf das Sofa sinken. "Hätte nicht gedacht, dass ich schon so schnell wieder hier bin.", er kratzte sich verlegen am Kopf. "Manchmal ist das so.", murmelte ich nur. "Was machst du denn, wenn du mal nicht den Wachhund spielst?", war ich neugierig. "Dann bin ich meist trainieren... eigentlich studiere ich und helfe nem Kumpel in seiner Werkstatt.", erklärte er. "Und dann schaffst du es trotzdem noch hier zu sitzen?", wunderte ich mich und er grinste wissend. "Hier zu sitzen ist für mich wesentlich lukrativer, wenn du verstehst was ich meine." "Brauchst du denn so dringend Geld?", ich verzog die Augenbraue und sah ihn abschätzend an. Er überlegte kurz, schien nicht so richtig zu wissen, was er sagen sollte. "Muss ja wichtig sein, wenn du diese Art von Arbeit annimmst.", legte ich nach. Er konnte mir nicht erzählen, dass er nicht wusste, wer unsere Familie war. Spätestens nicht mehr, nach dem er das Haus betreten hatte. Er musterte mich ebenso abschätzig wie ich zuvor. "Was ist mit deiner Hand passiert?", wich er aus und deutete auf meinen Schoß. "Ich hab mich beim Kochen verbrannt.", antwortete ich schnell und sah ebenfalls auf meine Hand. "Sieht übel aus.", stellte er fest und grinste:" Was hast du denn gekocht, dass du dich so verbrennst?" "Lasagne.. willst du?", fragte ich etwas pikiert, aber höflich. Er nickte. "Wenn du schon so einen Körpereinsatz zeigst, gerne."
Ich ging in die Küche und wärmte das Essen auf. Zwischenzeitlich schnappte ich mir Geschirr und Gläser, deckte zwei Plätze am großen Esstisch im Wohnzimmer. "Mach dir nicht so viel Mühe.", wollte er mich stoppen, doch ich wank ab. "Du kannst dich schon setzen, ich hole das Essen." "Nein warte, lass mich. Deine Hand ist doch kaputt.", vor Erstaunen etwas perplex, sagte ich nichts, ließ ihn machen. Es dauerte nicht lang, da kam er stolz zurück ins Wohnzimmer mit der riesigen Schüssel in der Hand. Ungläubig beobachtete ich ihn. "Danke ..Dass hättest du nicht machen müssen..", insgeheim war ich ziemlich froh über seine Geste und deutete auf den Platz mir gegenüber. Ich tat ihm etwas auf, scheinbar konnte er es gar nicht abwarten und probierte sofort. Mit vollem Mund zeigte er mir einen Daumen nach oben, was mich zum Lachen brachte. "Freut mich.", dann begann auch ich zu essen. "Was hörst du für Musik?" "Rap.", sagte er schlicht. "Was für Rap?", damit gab ich mich natürlich nicht zufrieden. "Deutsch, französisch..", es war ihm sichtlich unangenehm. "Wen denn?", mein Grinsen musste ich mir schon sehr verkneifen. "Ich bin kein Fanboy und wollte in die Nähe von denen kommen, ich mache das hier nur für meine Familie.", rechtfertigte er sich. "Mein Opa in der Türkei ist sehr krank, meine Eltern sind getrennt, meine Mutter kann das Geld nicht allein aufbringen und ich ihr mit Geld aus der Werkstatt auch nicht aushelfen. Nur deshalb mache ich das hier.", seine Stimme wurde lauter, doch er versuchte ich zu zügeln. "Tut mir leid, ich wollte dir nicht zu nahe treten, ich hab nicht gefragt, weil ich dich für ein Fanboy halte, ich wollte nur wissen, was du magst, wie du so drauf bist.", entschuldigte ich mich beinahe kleinlaut, sein Gesicht wurde augenblicklich wieder weich. "Mir tut das auch Leid. Das macht mein Kopf kaputt weißt du!?" Stumm nickte ich und sah auf meinen Teller. "Du kannst echt froh sein, in solch einem Haus zu leben, mit deiner Familie und deinem Verlobten, er muss dich sehr lieben.", achtungsvoll hob er die Hände und zeigte im Wohnzimmer herum. "Was?", platzte es mir vor Schreck raus und er legte den Kopf schief. "Er engagiert extra jemanden, damit du nicht allein bist. Wer macht das schon?" In meinem Kopf schrie es und ich wollte schon ansetzten ihm zu erklären wie falsch er lag, doch besann mich auf ein besseres. "Möchtest du noch etwas essen?", fragte ich stattdessen. "Liebst du ihn nicht?" "Gut, dann räume ich jetzt ab.", flüchtete ich in die Küche. Diese Fragerei wurde mir zu viel und ich wusste nicht was ich antworten sollte. Wahrscheinlich war ihm mein Verhalten schon Antwort genug.
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Inshallah Amore | Raf Camora
FanfictionIn dieser Story geht es um die 22-ährige Mina und um ihre Familie, mitunter um ihren Vater Arafat Abou-Chaker, ihrem Onkel Anis Ferchichi und ihren besten Freund/schon fast Bruder Michael Schindler. Wie es sich in einer arabischen Großfamilie, mit...