Augen für dich

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Mittlerweile waren wir seit zwei Tagen zurück in Barcelona, in diesem wunderschönen Haus am Meer. Wir waren schwimmen, am Wasser spazieren, für uns gab es nur uns zwei. Gerade saßen wir auf der Terrasse, die Sonne ging unter. "Ich kann schon verstehen, warum es dich immer wieder hierher zieht.", sprach ich aus und lehnte mich an ihn. "Glaub mir, das Haus ist schön, aber warte ab bis du morgen die Stadt siehst, dann verstehst du es erst richtig.", versprach er mir. "Na, da bin ich aber mal gespannt. Noch schöner als hier.", machte ich ihm gespielt Druck und grinste ihn über meine Schulter an. "Dieser Blick sollte verboten werden.", knurrte er mir leise ins Ohr und ich bekam Gänsehaut. Ich spürte seine Lippen auf meinem Hals, auf meiner Schulter, schloss die Augen und genoss es. Es war schon fast zu schön um wahr zu sein. "Wollen wir langsam hoch?", ich spürte seinen Atem in meinem Ohr. "Morgen wird ein langer Tag.", eröffnete er mir. Morgen würde er mir die Stadt zeigen, seine liebsten Plätze. Stumm nickte ich, zog seine Arme aber nochmal fester um mich und kuschelte mich an ihn. Gar nicht drauf eingehend, stand er mit mir im Arm auf und trug mich nach oben ins Bett. "Puuh, du hast zu genommen.", mit diesen Worten lies er mich fallen. "Ja, zum Glück.", so wirklich merke ich es natürlich nicht. Wie auch, nach so kurzer Zeit, allerdings hatte ich mich seit Berlin nicht mehr übergeben und konnte tatsächlich wieder besser essen. Bei unserer Ankunft hatte Raphael sofort alles was mich daran erinnerte beiseite geschafft, weder Überbleibsel vom Geschirr, noch Handtücher, noch den Test hatte ich je wieder zu Gesicht bekommen. Stattdessen trug ich seine Kette um mein Handgelenk und betrachtete sie stolz. Es war wie ein bisschen Alltag, der bei uns eingekehrt ist. Alltag, den wir uns beide sehr herbei gesehnt hatten.

Ich ging ins Bad, um meine Zähne zu putzen und mich umzuziehen. Zu tiefst war ich ihm dankbar, dass er noch immer nicht mehr von mir verlangte oder irgendwas sagte, wenn ich mich zurück zog. Auch wenn ich für meinen Teil sagen konnte, dass ich ihn einfach heiß fand, wenn er Oberkörper frei durch das Haus lief, oder er tropfnass aus dem Wasser kam wie ein junger Gott und seine Haare zur Seite schmiss. Diese innere Hitze spürte ich auch als er wenig später zu mir ins Schlafzimmer kam, nur in Boxershorts, die Terrassentür schloss und wie ein Raubtier auf mich zu schlich. Er ließ mich keine Sekunde aus den Augen, umkreiste das Bett. Kopfschüttelnd ließ er sich neben mich fallen. "Baby... was machst du bloß mit mir?" "Ich? Im Gegensatz zu dir, laufe ich hier nicht halbnackt rum." "Schade eigentlich.", dafür kassierte er einen Schlag. Sofort ruderte er zurück. "Tut mir Leid, ich wollte dir nicht z-" "Es ist alles gut.", zwinkerte ich ihm zu, doch er sah mich ungläubig an und rollte sich auf den Rücken. "Mach dir keinen Kopf.", bat ich ihn und verteilte kleine Küsse in seiner Halsbeuge. "Ich will nicht das du das Gefühl hast, ich will dich zu irgendwas drängen." "Ich vertraue dir.", murmelte ich genauso leise zurück, augenblicklich bekam er Gänsehaut und schob mich von sich weg. "Wir sollten schlafen.", ordnete er an und schlag die Decke über uns, legte sich auf die Seite mit dem Gesicht zum mir. Gewieft wie ich nun mal war, robbte ich an ihn ran. Er legte den Arm um meine Taille, während ich meinen Po an ihn drückte, was seine Wirkung nicht verfehlte. Er seufzte mir leise ins Ohr. "Du Hexe.." Vor mich hingrinsend schlief ich in seinem Arm glücklich ein und träumte, bis mir die warme Sonne wieder ins Gesicht schien.

Das Bett neben mir war leer, wie kann man nur so ein Frühaufsteher sein? "Hallo?", rief ich einmal durchs Haus doch bekam keine Antwort. Vielleicht war er im Keller, wo er, wie ich vor kurzem festgestellte hatte, ein kleines Home Gym eingerichtet hatte. Sein Körper kam nicht von ungefähr. Voller Vorfreude auf den Tag ging ich duschen, cremte mich ein und entschied mich outfitmäßig  für ein leichtes Sommerkleid, welches mir bis zu den Knien ging. Meine Haare bändigte ich ein wenig mit dem Kamm und ließ sie offen über meine Schultern fallen. Ich cremte mein Gesicht mit Sonnencreme ein und lachte mich selbst durch den Spiegel an. Heute wird Barcelona unsicher gemacht, dachte ich und verließ das Bad. "Guten Morgen, wusste gar nicht dass du schon wach bist.", begrüßte mich mein Freund mit Kaffeetasse in der Hand an der Küchenzeile gelehnt. "Das Bett war so kalt ohne dich.", schnurrte ich in sein Ohr und er küsste meine Wange. "Wann geht es los? Oh, warst du schon weg?", ich betrachtete die Croissants auf dem Küchentisch. "Ja, war kurz draußen laufen, aber ist mir zu warm.", meckerte er in seinen Bart, schnappte sich eins und biss genüsslich rein. "So in einer Stunde?", ich nickte und schnappte mir ebenfalls ein Croissant. Raphael beobachtete mich aufmerksam, als ich herzlich rein biss und es mir tatsächlich schmeckte. Er grinste mich stolz an, gab mir einen Kuss und verabschiedete sich ins Bad.

Die Passanten schauten zu uns, als Raphael seinen Wagen in einer Nebenstraße parkte. Die Häuser um uns waren wirklich schön. Altbauten mit reichlich Blumen verziert. Hand in Hand liefen wir zu der großen Kirche, vor der früh morgens noch keine Trauben von Besuchern standen. Schon von außen wirkte sie wahnsinnig schön, funkelte gold im Sonnenlicht. Sagrada Familia. Raphael wusste erstaunlich gut Bescheid und so bekam ich meine persönliche Tour um und in der Basilika. Auch staunte ich nicht schlecht, als wir wenig später beim Triumphbogen von Barcelona ankamen. Raphael erzählte mir über die Weltausstellung und wir schritten andächtig hindurch. "Wenn wir hier entlang laufen, kommen wir in den Park, in dem die Ausstellung stattgefunden hat. Dort ist noch immer einiges zu sehen. Wir kö-", er wurde durch eine junge Frau unterbrochen. "Entschuldigung könnten Sie vielleicht ein Bild von uns machen?", bat sie mich in gebrochenem Deutsch und ich nickte. Sie stellte sich zu ihrem Partner und ich gab mein Bestes um den beiden eine schöne Erinnerung zu schaffen. Gefühlte 52 Bilder später in verschiedenen Posen nahm sie mir das Handy wieder ab und bot mir an auch von uns ein Foto zu machen, Raphael verdrehte zwar die Augen, sprang mir zu Liebe aber über seinen Schatten und lies sich gemeinsam mit mir ablichten. "Du siehst echt hübsch aus.", dankbar über ihre Worte, nahm ich ihr das Telefon wieder aus der Hand. "Kann ich nur zurückgeben.", lies ich sie wissen, dann verabschiedeten wir uns. "Du bist so eine Lügnerin.", grinste Raphael mich an, als wir außer Hörweite waren. "Du bist doch nur eifersüchtig, weil sie nur Augen für mich hatte.", brachte ich ihn zum Lachen.

Nach einem kurzen Stopp auf La Rambla, einer Promenade mit zahlreichen Schaustellern, Minimärkten, Ständen, Restaurants und Cafés fuhren wir die Küste entlang. Es war angenehm warm, die Luft roch nach Meer. "Guck, da ist die Treppe.", er zeigte mit seinem Finger an mir vorbei zum Wasser. "Welche Treppe?" Meine Freund fiel alles aus dem Gesicht, weshalb ich lauthals anfing zu lachen. "Das war Spaß, Habibi... auch wenn ich kein Groupie bin, ich weiß wovon du sprichst.", er kniff mich in den Oberschenkel, lachte aber auch. "Was hast du für Schuhe an?", er sah an mir herab. "Wieso?", legte ich meinen Kopf schief. "Siehst du wenn wir da sind.", zwinkerte er und bog ab. Wir fuhren eine ganze Weile durch die engen Straßen, durch die Altstadt und durch die Neubauten. Die Stadt war vielseitig und erinnerte mich an einigen Ecken an Hamburg. "Siehst du das Gebäude da ganz oben?", wieder deutete er mit seiner Hand aus dem Fenster. "Das mit den Antennen?", er nickte. "Genau! Da fahren wir jetzt hin." "Was da willst du hoch?", staunte ich und er lachte. "Hast du etwa Höhenangst?"

"Dein armes Auto." "Kannst ihn ja waschen.", lachte er dreckig und erntete einen Schlag. "Bestimmt nicht, das hier war schließlich deine Idee.", erinnerte ich ihn daran und sah weiter aus dem Fenster. Wir fuhren immer weiter den Berg hinauf, die Straße wurde immer enger und ich betete, dass uns kein Auto entgegen kam. "Wir hätten einen Geländewagen holen sollen, für diese Fahrt." "Ach was, die Straßen sind gut, wir sind auch gleich da." Er parkte den Wagen, stieg aus und nahm meine Hand. "Der Weg gleich ist ziemlich steil, wenn du eine Pause brauchst, sag Bescheid okay?" Ich nickte und folgte ihm auf Schritt und Tritt. Steil war gar kein Ausdruck für den schmalen, steinigen Pfad, den er entlang ging. Ich hoffte wirklich, dass sich das lohnt. "Wir sind gleich da. Nur noch hier diese Straße entlang und die paar Meter hoch.", navigierte er mich. Langsam schnaufte ich wirklich, vielleicht war die Idee mit dem Training bei Kontra doch nicht so schlecht. Oben angekommen, sprang Raphael über einen Zaun, streckte seine Hand aus um mir zu helfen. Gerade wollte ich meckern, was ihm einfallen würde, da hob er mich auf die andere Seite und es verschlug mir die Sprache. Der Ausblick, nein viel mehr der Überblick über fast ganz Barcelona war unfassbar. Wir konnten von diesem Berg, über die Altstadt, die Neustadt, bis zum Meer hinaus schauen. Ich konnte Sagrada Familia entdecken, den Torres Glòries, einfach alles. "Wow!", staunte ich. "Das finde ich auch.", er setzte sich an den Rand der Mauer, ließ seine Füße runterbaumeln. Vorsichtig nahm ich neben ihm Platz, etwas mulmig war mir schon, aber die untergehende Sonne machte es wett.

Als der Himmel wunderschön rot-orange leuchtete, beschlossen wir umzukehren. Ich hätte ewig dort oben sitzen bleiben können. Mit ihm. Der Tag war wunderschön gewesen, zwar hatte ich nur einen Bruchteil von dem gesehen, was wir eigentlich vor hatten, aber wir hatten doch Zeit. Raphael hob mich ganz Gentleman wieder über den Zaun und fing mich bei den steileren Stellen auf, was ich so unglaublich süß fand, dass ich beinahe quietschte. "Machen wir gleich noch was?", brach ich dir stille im Auto auf dem Weg nach Hause. Er nickte nur und skipte den Song. "Und was?" "Essen, Papa hat Hunger.", er hielt sich den Bauch, ich konnte nicht anders und prustete laut los. "Hey... das meinte ich ernst.", gespielt böse kniff er wieder in mein Bein. Etwas zaghaft legte ich meine Hand auf seine, welche sofort aufhörte mich zu quälen. Die Wärme, die sich an der Stelle ausbreitete verursachte ein komisches Kribbeln.  "Soll ich kochen oder holen wir?", hakte ich nach. "Wir gehen essen.", er lächelte mich von der Seite an. Das Leuchten in seinen Augen erwärmte mein Herz.

Inshallah Amore | Raf CamoraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt