Grenzenlos universal

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"Meinst du ich kann so gehen?", skeptisch betrachtete ich mich im Badezimmerspiegel. Ich trug ein figurbetontes Sommerkleid mit kleinem Schlitz in einem satten rot, dazu goldene Accessoires. Meine Haare fielen mir in Locken über die Schultern. Raphael musterte mich von oben bis unten, sagte aber nichts. "Heißt das jetzt ja oder nein?", hakte ich nach. Statt einer Antwort bekam ich eine Umarmung von hinten. Er strich mein Haar zur Seite und küsste meinen Hals. Ich sah ihm durch den Spiegel direkt in die Augen. "Ich deute das mal als ja.", überspielte ich die aufkommende Hitze in mir und fing an meine Kosmetik wegzuräumen. "Ja, du siehst schön aus... wie immer." Mit verdrehten Augen verließ ich das Bad und ihn allein. Der Tag hatte sehr schön begonnen. Wir hatten etwas länger geschlafen und saßen dann gemeinsam beim Geburtstagsfrühstück für Raphaels Großvater Mario. Es war entspannt, der ältere Mann hatte sich sichtlich gefreut, stattliche 93 Jahre zählte er nun schon und er war immer noch munter. Gleich würden wir zu Raphaels Tante fahren in deren Garten die Feier stattfinden würde. Sophia und Farido vermieden es mir in die Augen zu schauen, was ich verstehen konnte aber auch irgendwie amüsierend fand. Selber Schuld.

"Kommst du mia Bella?", mein Freund lehnte sich an den Rahmen der offenen Zimmertür und sah mich abwartend an. "Wärmst du schon mal dein italienisch auf oder was?", lachte ich und quetschte mich an ihm vorbei. Er grinste nur und folgte mir nach unten. "Mama und Nonno sind schon vorgefahren.", informierte uns Sophia vor der Haustür und lief schnell ums Auto umzu. Eigentlich dachte ich, ich würde mich für letzte Nacht schämen. Raphael ließ sich auf den Fahrersitz fallen, Farido daneben. Zu Sophias Übel würden wir nun die Fahrt über nebeneinander sitzen. Sie würdigte mich keines Blickes, sondern starrte die ganze Zeit lang aus dem Fenster. Ein paar Mal sah Farido zu ihr herüber, doch sagte nichts.

Am Ziel angekommen parkte Raphael den Wagen neben unzähligen anderen und öffnete mir galant die Tür. "Dankeschön.", lächelte ich ihn an. "Alles gut zwischen euch?", fragte er direkt und runzelte die Stirn. "Mädchenkram.", wank ich ab und strich mein Haar zurecht. Meine Antwort schien ihm nicht zu reichen. "Glaub mir du willst es nicht wissen.", zwinkerte ich und machte mich auf den Weg zum Hauseingang. "Habt ihr jetzt zusammen eure Tage oder was?", verdrehte er die Augen, auch wenn ich es nicht sah. "Verdreh nicht deine schönen Augen.", grinste ich vor mich hin und spürte wie er daraufhin meine Hand in seine nahm. Kaum waren wir durch die große Eingangstür hindurch, begann eine beinahe endlose Schlange von Begrüßungen. Ich kam mir vor wie auf eines unserer Familienfesten. Raphaels Familie fiel sich in die Arme, als hätten sie einander Jahre nicht gesehen. Auch mich begrüßten sie herzlich, auch wenn sie mich gar nicht kannten. Mein Freund hatte viele Tanten, Onkel, Cousinen und Cousins. Manche hatten schon Kinder. Einige von ihnen waren im Teenageralter, einige konnten gerade die ersten Schritte laufen. Es war ein buntes Gewusel, aber alle lachten und waren glücklich. Nach und nach nahmen wir am großen Tisch Platz. Opa Mario stieß an sein Glas und schon war es mucksmäuschen still. Er erhob sich erneut und bedankte sich bei uns allen, dass wir gekommen waren und für das Fest, sprach über die Bedeutung von Familie und erzählte von Raphaels und meiner Verlobung. Alle grölten, klatschten und beriefen uns mit Glückwünschen. Mein Freund, oder besser gesagt Verlobter nahm meine Hand erneut in seine und sah mich kurz von der Seite an, bedankte sich und strahlte stolz in die Runde. Wie ein kleiner Junge, dachte ich verträumt.

Nach dem Essen räumten wir Frauen alles ab und eröffneten die Bar. Am liebsten mochte seine Familie Wein. Ich erfuhr, dass sie früher auf einem Weingut gelebt und gearbeitet hatten. Zwar war dies nicht mehr so, aber die Vorliebe für Wein bestand. Immer wieder boten sie mir ein Glas an, doch ich lehnte natürlich ab. Im Gegensatz zu meinem Freund, welcher definitiv nicht ins Glas spuckte. "Sophia, sei so lieb und hole zwei Flaschen von...." , ich konnte den Namen weder verstehen, noch etwas damit anfangen. Angesprochene nickte sofort und machte sich auf den Weg ins Haus. Ohne zu überlegen, stand ich auf und folgte ihr, "Warte, ich helfe dir." Im Haus angekommen, ging sie in den Keller und suchte die einzelnen Regale ab. "Also zwei Flaschen kann ich gerade noch alleine tragen.", "Ich weiß, ich wollte nur kurz mit dir reden.", eröffnete ich, weshalb sie sich augenblicklich zu mir umdrehte. "Worüber denn?" "Über gestern Nacht.", sprach ich es aus und blickte in ihr entgeistertes Gesicht. "Das ist SOOO peinlich einfach nur. Es tut mir so Leid, dass wir dich belästigt haben. Zum Glück hat mein Bruder das nicht mitbekommen!", sie schlug die Hände vor das Gesicht. "Hör zu, es muss dir nicht peinlich sein, wirklich. Mach dir keine Gedanken." Ich nahm sie in den Arm. "Es ist mir trotzdem peinlich.", murmelte sie grimmig. "Muss es wirklich nicht, passiert mal.", hörte ich mich selber sagen und war selbst überrascht. "Danke. Du bist die beste Schwägerin der Welt.", sie drückte mich ganz fester. "Warum trinkst du eigentlich nicht?", fragte sie mich Thema wechselnd. „Ich möchte einfach nicht.", entgegnete ich schlicht, doch sie ließ nicht locker. "Du möchtest oder du darfst nicht?", kritisch zog sie die Augenbraue hoch. "Es verbietet mir keiner was, wenn du darauf hinaus möchtest. In meinem Glauben ist es nicht üblich Alkohol oder Drogen zu konsumieren und das möchte ich bewahren.", zwinkerte ich ihr zu. Sophia nickte zwar, doch ihr Blick sagte etwas anderes. Sie wusste nicht ob sie mir so recht glauben konnte, aber eine weitere Erklärung war ich ihr nicht schuldig.


Inshallah Amore | Raf CamoraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt