Löwe und Rabe

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"Nun..", begann er das Gespräch und wurde von gläsernem Klirren unterbrochen. Eine Frau brachte den Tee. Er nuschelte ihr etwas zu, was ich aber natürlich nicht verstand. "Nun..", fuhr er fort. "Ich danke dir, dass du gekommen bist und vor allem für deinen Anruf.", ich nickte annehmend. "Nach dem letzten Anruf habe ich nicht erwartet, dass du dich melden würdest, aber das du es doch getan hast, zeigt mir, was für ein Mensch du bist. Du siehst das Kinder zu ihren Eltern gehören. Hast du sie mit nach Berlin gebracht?", fragte er nun und ich nickte wieder. Auf seinem Gesicht breitete sich für den Bruchteil einer Sekunde ein Lächeln aus. "Ich glaube aber nicht, dass sie schon bereit ist, sich zu treffen. Und ich möchte dich in ihrem Namen bitten, das zu akzeptieren. Und falls nicht, sie ist nicht bei mir. Ihr müsst nicht wieder in meine Wohnung einbrechen und alles verwüsten.", erklärte ich ruhig. "Das habe ich nicht vor und für das letzte Mal entschuldige ich mich.", ich nickte abermals. "Du solltest dich nicht bei mir entschuldigen, sondern bei deiner Tochter.", warf ich ein und sah die Reue in seinem Blick. Das erste Mal hatte ich das Gefühl vor mir saß nicht nur das Familienoberhaupt, sondern wirklich ihr Vater. "Ich habe große Fehler gemacht.", räumte er ein. "Ich habe ihr zu viele Freiheiten gelassen, zu viel Durchgehen, aber auch zu wenig zugehört und Verständnis gehabt." "Du hast einen wildfremden Mann in euer Haus geholt, der sie misshandelt hat.", knurrte ich, doch er verzog keine Miene. "Ich dachte, es sei das Beste." "Das Beste für dich vielleicht.", verachtend spuckte ich ihm die Worte auf den Tisch. "Auch das Beste für sie. Hätte sie keinen anderen Mann kennengelernt, wären sie vielleicht schon verheiratet.", ich zwang mich zur Selbstbeherrschung. Er trank einen Schluck von seinem Tee und fuhr dann ruhiger fort:" Darf ich fragen, wie das alles angefangen hat." "Wir haben uns durch Zufall kennengelernt in meinem Café, dann bei dem Award, dann waren wir Essen und so weiter.", fasste ich so neutral wie möglich zusammen. "Wusstest du wer sie ist?" "Anfangs nein, erst als sie eines abends zu mir kam und es mir gesagt hat. Der Abend deines Abschieds.", ordnete ich es ein. Er nickte. "Und es hat dich nicht gestört?" "Nein, warum? Es änderte doch nichts daran. Ich wusste vorher woran ich war, ich wusste es danach. Und wenn es für sie okay ist, dann für mich auch.", gab ich selbsterklärend von mir und diesmal nickte er. "In unserer Kultur ist es üblich, das Frauen sich nicht allein mit Männern treffen, die nicht zur Familie gehören, bzw. mit denen sie heiraten können." "Warum hat sie sich dann mit Shindy treffen dürfen?", ich verzog die Augenbraue, sein Mundwinkel zuckte. "Dir war das genauso ein Dorn im Auge wie mir.", hörte er aus meiner Aussage heraus. "Nein, aber ehrlich gesagt fand ich ihr Verhältnis schon sehr eng vertraut.", gab ich zu. Er musterte mich. "Wie dem auch sei, es ist eine Frage der Ehre, dass sie unberührt bleiben.", brachte er es auf den Punkt und ich verstand. "Ich würde nie etwas Verlangen, was gegen ihre Werte, Prinzipien oder gegen ihren Willen ist.", sprach ich aus und wieder musterte er mich. "Bevor ich sie kennengelernte, hätte ich nicht gedacht, dass es Frauen wie sie überhaupt noch gibt.", sein Blick hellte sich auf. "Für sie bin ich ein einfacher Mann, sie scheißt auf Geld, Ruhm, Status, all das. Für sie zählt nur Familie, Zusammenhalt, Loyalität. Sie würde alles tun, für die Menschen, die sie liebt. Mittlerweile würde sie ALLES hinter sich lassen, nur um mit mir zu sein. Jahrelang habe ich nach einer Frau wie ihr gesucht und nur deshalb sitze ich hier. Ich weiß, wie wichtig DU ihr bist. Und auch wenn sie es noch nicht zu gibt oder einsehen kann, ich weiß wie sehr du ihr fehlst. Wie sehr sie sich nach diesem Teil von Zu Hause sehnt.", er lächelte mir eine Weile stumm entgegen. "Ich wusste, dass meine Tochter sich nicht irgendjemanden aussucht, wenn sie mich schon hintergeht.", seine Miene veränderte sich komischerweise nicht. "Ich wollte mit dir reden von Angesicht zu Angesicht, die Tatsache dass du hergekommen bist, zeigt mir, dass du mich respektierst. ", er machte eine kurze Pause. "Das ist aber nicht der Grund.", er schob mir sein Handy zu. "Schau es dir an.", unschlüssig ob es wirklich klug war, seiner Bitte nach zu kommen, musterte ich ihn kurz, griff dann aber doch zum Handy und drückte den kleinen Pfeil.

Zu sehen war das Innere eines Zimmers, eines Kinderzimmers oder so. Ein Mann trug eine Frau in einem roten Kleid herein, die leblos auf seinen Armen lag. Ich erkannte sie, es war meine Freundin im Kleid von der BMG. Ich hielt die Luft an. Der Mann ging. Ari spulte vor bis er wieder da war, er saß ihr gegenüber. Es war dieser Burak. Ich hatte keine Zeit ihn genauer anzusehen, denn Mina wurde wieder wach. Er sagte etwas zu ihr, was aber kaum zu verstehen war, dann verließ er den Raum und sie hämmerte gegen ihre Zimmertür. Eingeschlossen. Ari spulte erneut vor bis sie auf ihr Bett sprang, die Tür geöffnet wurde und ich seine ekelhafte Stimme hörte. "Hallo Prinzessin oder sollte ich besser sagen Mrs Camora", sie antwortete nicht. Man hörte gar nichts bis zu:" Was habt ihr gemacht?", dann übernahm er komplett wieder. Sie rutschte von ihm weg, doch er kam hinterher. "Triffst dich einfach heimlich da oben und hurst weiter rum?", ihre Lippen bewegten sich, doch man hörte nichts, bis auf sein Brüllen. Er verpasst ihr eine Ohrfeige, daher also ihre Lippe. "Musst ihm ja ordentlich den Kopf verdreht haben, dass er dich nach der langen Zeit immer noch will.", er schubste sie. Das Video glich meinem persönlichen, höchst miserablen Horrorfilm. Der Piç beugte sich über sie und versuchte sie zu küssen, packte ihre Haare und knallte ihren Kopf gegen das Bett. Ich war nie besonders empfindlich gewesen, aber mit anzusehen, wie er mit ihr umgegangen war, ging mir durch Mark und Bein. "Hat er dich so angefasst?", ich ertrug es kaum. Meine Freundin gab alles andere als klein bei, sie kämpfte gegen ihn an. Wehrte sich, doch wie sollte sie gegen ihn ankommen. Er drückte sie mit dem Bauch nach unten aufs Bett. "Bitte, tu es nicht... bitte." hörte ich sie flehen. Es tat mir im Herzen weh."Wenn ich mit dir fertig bin, wirst du tagelang nicht laufen können.", als wäre es nichts zerriss er ihre Unterwäsche und drang allem Anschein nach in sie ein. Ich ließ das Handy vor mich auf den Tisch fallen, konnte nicht mehr hinsehen. "Fühlt sich das an wie dein Rapstar? Fickt er dich so oder brauchst du es härter?". Ich pausierte das Video und schob das Handy zurück zu Arafat, der mich die ganze Zeit beobachtete. Ich hatte Tränen vor Wut in den Augen, ich konnte meinen Zorn nicht mal in Worte fassen. Wortwörtlicher Tunnelblick, es rauschte in meinen Ohren. "Wo ist er?", knurrte ich, doch er antwortete nicht. "Wo ist er?? ICH BRING IHN UM!!", schrie ich ihm ins Gesicht, sprang auf sodass der Stuhl hinter mir umfiel. "WIE KANNST DU HIER SO RUHIG SITZEN UND TEE TRINKEN, WENN ER IHR SOWAS ANTUT!!!???", verständnislos sah ich ihn an. "Bitte setz dich.", er deutete auf meinen Stuhl. Völlig außer mir nahm ich halb platz, war im Kopf aber schon drei Schritte weiter ihn zur Strecke zu bringen. "Ich möchte dich bitten, dich um meine Tochter zu kümmern. Sie ist unsere Verantwortung. Um ihn habe ich mich bereits gekümmert." "Was heißt gekümmert?", hakte ich nach, doch er wies mich ab. "Wie man sich eben um jemanden kümmert, der sein eigenes Blut entehrt." Seine Worte waren schlicht aber deutlich. "Mehr musst du nicht wissen, glaub mir. Es ist besser so.", er sprach weniger mit mir wie ein kleines Kind, eher machte er deutlich das er meine Seele in Frieden lassen wollte. "Bitte verstoß sie nicht, weil ich einen Fehler gemacht habe. Bitte hilf ihr zu heilen.", er sah mich aufrichtig, schon fast flehend an. Was musste in einem Vater vorgehen, der so ein Video von seiner Tochter sah. "Ich könnte sie niemals verstoßen, ich liebe sie.", gab ich offen zu, auch wenn es irgendwie seltsam war, es ihrem Vater zu sagen. "Hatte er recht mit dem was er gesagt hat?",  fragte er und ich schüttelte den Kopf. "Nein, kein einziges Mal." wahrheitsgemäß beantwortete ich ihm seine indirekte Frage und er nickte zufrieden.

"Ich habe noch Etwas für dich:", eröffnete er und ich ahnte schlimmstes. Was folgte nach so einem Video? "In ihrem Zimmer habe ich nicht nur eine Kamera gefunden," Oh Gott womit hatte er sie gequält? "sondern auch das.", er legte eine mir wohlbekannte Box auf dem Tisch, die mich schlucken ließ. "Versteckt in ihrem Kleiderschrank, mit vielen anderen Sachen." Ich zuckte mit den Schultern, was wollte er mir damit sagen. "Ein sehr schöner Ring.", merkte er an. "Passt zu ihr." fügte ich in Gedanken hinzu und griff nach der Schachtel. "Ich denke, du brauchst ihn nicht.", fragte ich eher rhetorisch und packte ihn in meine Jackentasche. "Nein, ......aber ich würde ihn gerne an der Hand meiner Tochter sehen.", antwortete er. Ungläubig schaute ich ihm in die Augen, durch die mich mein Gegenüber ebenfalls eindringlich anstarrte. "Willkommen in der Familie", er hielt mir seine Hand hin, ich zögerte. Es war das, was ich mir für sie immer gewünscht hatte, dass ihr Vater einverstanden war, uns seinen Segen gab. Er ein fester Bestandteil in ihrem Leben bleiben würde. Nichts würde ich lieber tun, als all den Hass beiseite zu kehren und ihm die Hand zu reichen, für uns. Aber warum gerade jetzt? Wenn sie beim Arzt wartete um zu erfahren, ob sie ein Kind von jemand anderem erwartet. Wie zum Himmel hatte ich von ihr denken können, SIE hätte FREIWILLIG mit ihm geschlafen?

Inshallah Amore | Raf CamoraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt