Chapter 79

506 31 4
                                    

"Erklär mir noch mal, warum wir jetzt schon wieder deinen Brüdern helfen wollen."

Ich verdrehte leicht die Augen, als Kat mich das zum gefühlt hundertsten Mal fragte. Kurz nach ihrer Diagnose hatte mein Zwillingsbruder die Dreistigkeit besessen, mir eine Nachricht zu schreiben und um meine Hilfe zu bitten. Er hatte nicht mal genug Anstand gehabt, anzurufen und sich bei mir dafür zu entschuldigen, dass er Kat umbringen wollte. Damon würde sich nie ändern, irgendwann würde ich das wohl akzeptieren müssen. Aber im Moment war nicht er der Grund, warum wir auf dem Weg zum Salvatore-Anwesen waren.

"Wir helfen nicht meinen Brüdern. Wir helfen Qetsiyah dabei, die kleine Bennett-Hexe zu dem Anker zu machen, an den die Andere Seite gebunden ist. Es liegt auch in unserem Interesse, dass die Andere Seite nicht zusammenbricht. Denk nur an deine vielen Feinde dort, die lieber tot bleiben sollten."

"Jaja, das habe ich schon verstanden. Das Blut des Doppelgängers ist der Schlüssel blabla. Aber ich vertraue deinen Brüdern nicht, und ich weiß, dass du es auch nicht tust. Wieso gehen wir also trotzdem dieses Risiko ein?"

"Wegen Qetsiyah. Sie ist die mächtigste Hexe, die wir je getroffen haben. Und damit ist sie auch unsere beste Möglichkeit, noch irgendwie dein Leben zu retten."

"Du wirst nicht aufgeben, bis ich tot bin, nicht wahr?", fragte Kat seufzend und ich warf ihr einen scharfen Blick zu.

"Nein, das werde ich nicht. Ich werde nicht aufgeben, bis ich dein Leben gerettet habe. Und das solltest du auch nicht tun. Du bist Katherine Pierce, du hast schon alles Mögliche überlebt. Ich werde sicher nicht zulassen, dass du an Altersschwäche stirbst."

"Das habe ich auch nicht vor", murmelte meine Freundin leise. "Aber okay, wir machen es auf deine Weise. Auch wenn ich nicht glaube, dass Qetsiyah uns so einfach helfen wird."

"Wenn sie für diesen Zauber dein Blut will, dann wird sie das wohl müssen."

Ich hielt vor dem Salvatore-Anwesen an und küsste Kat kurz.

"Kommst du nicht mit rein?", fragte sie leise.

"Nein, ich will meinen Brüdern nicht begegnen. Noch nicht. Aber ich bleibe die ganze Zeit hier. Wenn irgendjemand also vorhat, dir auch nur ein Haar zu krümmen, bin ich sofort bei dir."

"Na, dann kann ich ja ganz entspannt sein." Leicht grinste Kat mich an und ging ins Anwesen. Ich lehnte mich zurück und machte es mir bequem, um zuzuhören, was drinnen geschah.

Ich war so konzentriert darauf, dass ich gar nicht bemerkte, wie jemand zum Auto kam, bis er an die Scheibe der Beifahrertür klopfte. Erschrocken richtete ich mich auf und sah den Mann draußen feindselig an. Silas. Oder Stefan. Ich konnte es von hier nicht genau sagen, aber das war letztendlich auch egal. Ich wollte mich mit keinem der beiden auseinandersetzen.

"Darf ich mich mit reinsetzen, Emi?", fragte er leise. Also doch Stefan. Silas hätte einfach die Tür abgerissen. Oder das Auto in Brand gesteckt.

"Ich bin mir nicht sicher, ob ich mit dir reden möchte", antwortete ich mit verschränkten Armen. Meinem Bruder schien das jedoch egal zu sein, denn er öffnete einfach die Tür und stieg zu mir ins Auto.

"Ich möchte mich bei dir entschuldigen."

"Das ist mir schon klar. So hast du es früher schon immer gemacht. Du baust Scheiße, entschuldigst dich und dann ist sofort alles wieder gut. Aber dieses Mal hast du nicht aus Versehen meinen Lieblingsteddy in den Schlamm geworfen. Dieses Mal habt ihr versucht, meine Freundin zu ermorden."

Geknickt ließ Stefan den Kopf hängen. "Ich weiß, wir haben wirklich Mist gebaut. Aber wir hatten keine Wahl, das musst du uns glauben!"

"Nein, das muss ich nicht. Es gibt immer einen Ausweg, das wisst ihr beide genauso gut wie ich. Selbst unser Vater hat uns früher immer eingetrichtert, dass wir nur das tun sollten, was richtig ist. Und wenn es nicht richtig ist, sollten wir es nicht tun. Jetzt sag mir, war es das Richtige, meine Freundin umbringen zu wollen, während ich dabei zusehen muss?"

"Naja, wir haben wirklich gedacht, dass es der einzige Weg ist..."

"Ich habe dir eine Frage gestellt, Stefan", unterbrach ich ihn und sah ihm fest in die Augen. "War es das Richtige?"

Mein Bruder erwiderte meinen Blick einige Sekunden, senkte dann aber den Blick. "Nein, das war es nicht", flüsterte er kaum hörbar.

"Zumindest gibst du es zu. Immer noch besser als Damon", seufzte ich.

"Damon tut es auch leid. Es... fällt ihm nur schwer, das zu zeigen."

"Ich weiß, ich kenne unseren Bruder. Aber früher... es wäre gar nicht dazu gekommen, dass er mich so sehr verletzt. Er hat mich doch immer vor allem beschützt. Er hätte mir so etwas nie angetan. Und du ebenso wenig. Ich weiß, dass wir uns über hundert Jahre nicht gesehen haben, aber... haben wir uns so sehr verändert, dass wir uns egal geworden sind?" Meine Stimme brach und ich wischte mir wütend über die Augen, als ich bemerkte, dass ich weinte. Manchmal verfluchte ich diese verstärkten Emotionen wirklich, früher hätte ich nie so leicht angefangen zu weinen. Aber anscheinend hatte sich im Vergleich zu früher vieles verändert.

"Du bist mir doch nicht egal geworden, Emi", meinte Stefan sanft. "Ja, es hat sich viel geändert. Wir alle haben unsere Erfahrungen gemacht. Aber nichts wird je etwas daran ändern können, dass du mir wichtig bist. Ich habe dich so lange vermisst und um dich getrauert. Dass du zu uns zurückgekommen bist, ist das Beste, was mir in meinem Leben passiert ist. Und als Silas auch dein Leben bedroht hat, hatte ich Angst, dich schon wieder zu verlieren. Ich war bereit, alles dafür zu tun, damit er keine Gefahr für dich ist. Nur dass ich dich genau damit verletzt habe. Ich habe unterschätzt, wie viel Katherine dir wirklich bedeutet, ich dachte, das wäre nur eine Phase. Dieser Fehler wird mir nicht noch einmal passieren. Es tut mir leid. Und bevor du noch etwas sagst, ich erwarte nicht, dass du mir verzeihst. Ich wollte nur, dass du weißt, dass es mir leid tut."

Stefan öffnete die Autotür wieder, aber ich griff nach seiner Hand, bevor er aussteigen konnte. "Warte. Du hast recht, ich kann dir das nicht so leicht verzeihen. Aber ich kann versuchen, es zu vergessen. Ich habe dich in all dieser Zeit auch vermisst, Stef, und ich möchte nicht, dass das jetzt zwischen uns steht. Dafür waren wir einfach schon zu lange voneinander getrennt. Also lass uns einfach nicht mehr über diese Sache sprechen."

Mysteries - The Story of Emily SalvatoreWo Geschichten leben. Entdecke jetzt