Chapter 16

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Da ich nicht wusste, was ich sonst noch tun sollte, sah ich mich ein wenig in Damons Zimmer um. Ich wurde, ähnlich wie in Stefans Zimmer, von einem Bücherstapel auf dem Boden angezogen. Ich sah mir ein paar Titel an, bis mir eins besonders in Auge stach: 1935

Wieso hatte Damon ein Tagebuch von Stefan in seinem Zimmer liegen? Dass es nicht sein eigenes war, war mir sofort klar, dafür war er einfach nicht der Typ, genauso wenig wie ich. Was half es mir denn auch schon, all meine Geheimnisse in einem Buch aufzuschreiben, das fast jeder lesen konnte? Es war einfach ein sinnloses Risiko.

Trotzdem war ich froh, dass Stefan sein ganzes Leben aufgeschrieben hatte, denn das gab mir die Gelegenheit, meinen Bruder weiter kennenzulernen, auch wenn ich zu diesen Zeiten nicht da gewesen war.

Deshalb machte ich es mir jetzt auch auf Damons Bett gemütlich und fing an, zu lesen. Die ersten Seiten von 1935 gingen über Stefans furchtbaren Blutrausch, den er anscheinend zu dieser Zeit hatte. Es war ein wenig beängstigend, das Tagebuch von einem Ripper zu lesen, aber es hatte auch etwas Faszinierendes. Irgendwann fing Stefan an, von einer guten, alten Freundin namens Lexi zu erzählen, die ihm anscheinend helfen wollte, seine Menschlichkeit wieder anzustellen, als Damon nur mit einem Handtuch bekleidet sein Zimmer betrat.

„Na, was liest du da Schönes?", fragte er mich, während er sich etwas anzog.

„1935, ein spannender Roman, verfasst von einem gewissen Stefan Salvatore.", antwortete ich. „Wieso liegt das hier in deinem Zimmer und nicht bei ihm?"

Mein Bruder zuckte nur mit den Schultern. „Mir war langweilig und ich wollte wissen, wann es ihm wohl auffällt, dass eines seiner Tagebücher weg ist."

„Achso. Sag mal, weißt du, wie diese Lexi weiter hieß?"

„Branson, glaube ich. Wieso fragst du?"

„Weil ich sie kenne. Weißt du zufällig auch, ob sie noch lebt?"

„Ähm, ja. Sie ist vor ein paar Wochen gestorben."

„Tatsächlich? Wie denn?", fragte ich neugierig nach.

Für einen Moment sah mein Zwilling mich beinahe schuldbewusst an. „Ich habe sie gepfählt, damit Liz mir mehr vertraut und ich in den Gründerrat komme. Kanntest du sie sehr gut?"

„Nein, das kann man nicht wirklich sagen. Ich habe sie irgendwann um 1950 kennengelernt und wollte von ihr wissen, ob sie mich zu euch führen kann, doch sie hat behauptet, dass sie dem Ripper von Monterrey, also Stefan, nie begegnet ist. Wenn sie mich nicht angelogen hätte, hätte ich euch schon viel früher finden können, also ist es wohl besser, dass sie tot ist."

„Gut, das beruhigt mich jetzt. Kommst du auch mit nach unten?"

„Nein, ich lese lieber noch ein bisschen weiter. Vor allem, weil ich deswegen keine Schuldgefühle haben muss, schließlich hast du es gestohlen und nicht ich."

„Na dann, viel Spaß noch, Schwesterchen."

Ich wandte mich wieder meiner Lektüre zu und versank ganz im Jahr 1935.

Tatsächlich könnte man Stefans Tagebuch gleich veröffentlichen oder einen Film daraus drehen, denn obwohl es eigentlich ja nur ein Tagebuch war, war es ziemlich spannend geschrieben. So wurde ich auch erst aus meinen, beziehungsweise seinen, Gedanken gerissen, als ich unten ein lautes Knallen hörte. Sofort stand ich im Wohnzimmer und sah mir die Situation an. Katherine rannte gerade weg und ließ einen oberkörperfreien Damon alleine stehen.

Ich konnte mir denken, was passiert war. Damon hatte ihr noch eine Chance gegeben und sie hatte wie versprochen zugegeben, dass sie immer Stefan wählen würde und behauptet, sie hätte ihn nie geliebt. Er war verletzt und sie war gegangen. Eigentlich müsste ich jetzt glücklich sein, da Damon hoffentlich wieder zur Vernunft gekommen war, doch er tat mir einfach nur leid.

Ich versuchte etwas zu sagen, doch er ließ mir keine Gelegenheit, sondern rannte einfach nur nach oben, zog sich etwas an und verschwand dann aus dem Haus, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Mir war klar, dass er jetzt allein sein wollte, aber ich würde auf ihn warten. Also ließ ich mich seufzend auf dem alten, orangenen Sofa nieder und machte mich auf eine lange Wartezeit gefasst.

Erschrocken richtete ich mich auf, als ich das Klirren von Glas hörte, das zu Bruch ging. Toll, ich war tatsächlich beim Warten auf meinen Bruder eingeschlafen. Ich zog die Decke weg, mit der wahrscheinlich Damon mich zugedeckt hatte und folgte dem splitternden Geräusch mit meinen Augen. Mitten im Raum stand mein Zwilling, der anscheinend gerade sein Glas in den Kamin geschmissen hatte, wie es aussah.

„Hey. Was ist los?", fragte ich ihn leise.

„Ich habe es versaut. Ich habe alles versaut.", antwortete er mit belegter Stimme, wütend auf sich selbst.

„Das glaube ich nicht. Was ist denn passiert?"

„Ich habe Jeremy umgebracht."

Jeremy, Jeremy... Wer war denn noch...? Ach ja, das war doch der Bruder der kleinen Doppelgängerin! Jeremy Gilbert, der wichtigste Mensch für Elena. Das war wirklich übel. Aber die Gilberts vererbten doch immer diesen magischen Ring, der den Träger, der durch etwas Übernatürliches gestorben war, wieder ins Leben zurückholte. Konnte es nicht sein, dass auch Jeremy ihn getragen hatte?

„Bist du dir da sicher, Damon? Ich meine, dass er nicht zurückkommen wird. Seine Familie ist doch im Besitz von diesem Gilbertring. Damit könnte er überlebt haben."

„Ich glaube... nein, ich weiß es nicht. Ich habe keine Ahnung, ob er den Ring trug oder nicht.", meinte Damon völlig verzweifelt.

„Versuch, dich zu erinnern.", forderte ich ihn leise auf.

„Das tue ich doch schon!", schrie er mich so plötzlich an, dass ich zurückschreckte. Sofort bemerkte er seinen Fehler und kam auf mich zu. „Tut mir leid, ich wollte dich nicht so anfahren. Ich kann mich nicht erinnern. Ich habe in dem Moment einfach rot gesehen, weil erst Katherine und dann auch noch Elena mich zurückgewiesen haben. Ich konnte nicht mehr klar denken, und jetzt kann ich mich kaum noch daran erinnern."

„Dann lass mich dich daran erinnern.", schlug ich vor und er sah mich verwirrt an. „Wenn du mich in deinen Kopf lässt, kann ich sehen, was passiert ist und weil ich nicht beteiligt war, kann ich in Ruhe darauf achten, ob er den Ring trug oder nicht, weil du es ja anscheinend im Moment nicht kannst."

„Also schön. Versuchen wir es."


Mysteries - The Story of Emily SalvatoreWo Geschichten leben. Entdecke jetzt