Chapter 83

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"Wie lange hat sie noch?" Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Ich konnte meinen Blick nicht von Kat abwenden, wie sie so schwach in diesem Krankenhausbett lag, aber Nadia antwortete mir trotzdem.

"Nicht mehr lange. Die Ärzte konnten sie wiederbeleben, aber sie haben gesagt, dass ihr nicht mehr viel Zeit bleibt. Ihre Organe versagen, sie können es nicht aufhalten. Sie wird heute noch sterben."

"So sollte es nicht enden. Nicht hier, nicht so", flüsterte ich leise und zu meinem Überraschen legte Damon eine Hand auf meine Schulter. Er hatte darauf bestanden, mich zu begleiten. Vielleicht wollte er dabei sein, wenn die verhasste Katherine Pierce endlich starb. Oder vielleicht wollte er tatsächlich nur einmal für mich da sein.

"Ich habe die Ärzte manipuliert, damit wir sie mitnehmen können. Du kannst sie zu uns ins Anwesen bringen, wir haben genug Platz. Dann stirbt sie zumindest an einem ihr bekannten Ort."

Ich brachte nicht mehr als ein Nicken zustande und sah wie betäubt dabei zu, wie mein Bruder Kat hochhob und sie zu sich nach Hause brachte. Nadia verschwand, um weiter nach dem Traveller-Zauber zu suchen, den wir brauchen würden, um Kats Geist dauerhaft in jemand anderen zu stecken. Wir hatten beschlossen, dass wir nicht aufgeben würden. Selbst wenn ich Kat manipulieren müsste, sie würde diesen Zauber sprechen. Und trotzdem hatte ich Angst, dass wir es nicht rechtzeitig schaffen würden.

"Ich weiß nicht, ob ich ohne sie leben kann", flüsterte ich leise, bevor mein Bruder das Zimmer verlassen konnte. "Wenn sie stirbt und ich ebenfalls aufgebe, dann solltest du wissen..."

"Nein", unterbrach Damon mich und drehte mich zu sich um. "Du solltest gar nicht erst darüber nachdenken. Katherine liegt im Sterben, nicht du. Du wirst dich nicht umbringen, hörst du?"

"Ich kann nicht... Ich kann mir ein Leben ohne sie nicht vorstellen." Meine Stimme zitterte, aber das war mir egal. Damon sollte ruhig sehen, wie schwach ich gerade war. Was er und Stefan mir angetan hatten.

"Du wirst damit klarkommen. Selbstmord aus Liebe ist alles andere als romantisch. Es ist dämlich. Ich halte nicht viel von Katherine, aber ich bin mir sicher, dass sie nicht wollen würde, dass du nur wegen ihr dein Leben aufgibst."

Nachdenklich sah ich zu Kat, die immer noch schlief. Er hatte recht, das hatte sie noch nie gewollt. "Nein, das würde sie nicht wollen. Aber wenn ich sie nicht mehr habe, dann..."

"Dann hast du immer noch mich. Und Stefan. Und du wirst jemand anderen kennenlernen. Aber das wird nur funktionieren, wenn du nicht aufgibst. Nimm dir doch nur ein einziges Mal ein Beispiel an deiner Freundin. Katherine Pierce hat alles Mögliche überlebt, da wirst du es auch verkraften, ihren Tod zu überleben."

"Ich weiß nicht, ob ich dafür stark genug bin", flüsterte ich leise.

"Das bist du. Und wenn du es nicht bist, wenn der Schmerz zu viel wird, dann schalte einfach deine Gefühle ab. Versprich mir nur, dass du dich nicht umbringen wirst. Versprich es mir, Emily. Ich will nicht schuld an deinem Tod sein."

Leise seufzte ich auf und nickte dann leicht. "In Ordnung. Ich verspreche es dir."

Zu meinem Überraschen küsste Damon mich kurz auf die Stirn und drückte mich sanft an sich. "Ich lasse euch beide dann mal allein."

Langsam setzte ich mich wieder neben Kat ans Bett, während Damon nach unten ging. Ich griff gerade nach ihrer Hand, als meine Freundin langsam wach wurde. "Emily? Wo sind wir?"

"Shh, alles gut. Wir sind im Haus meiner Brüder."

"Sie waren also so freundlich, mir ein Sterbebett zur Verfügung zu stellen. Wirklich sehr aufmerksam."

Ich lächelte bei ihren Worten ein wenig, verlor dieses Lächeln aber schnell wieder. "Es tut mir so leid, dass ich gestern einfach abgehauen bin. Wenn das unser letztes Treffen gewesen wäre..."

Vorsichtig drückte Kat meine Hand. "Aber das war es nicht. Es ist alles gut, Emily."

"Wieso wolltest du den Traveller-Zauber nicht sprechen? Wieso willst du so unbedingt deinen Körper behalten? Ist es nicht besser, in irgendwem anders zu leben als in diesem Körper zu sterben?"

"Ja, das ist es. Aber das Problem ist, dass wir erst mal einen anderen Körper finden müssten. Und ich habe gehört, was Nadias Plan gewesen wäre. Sie wollte, dass ich ihren Körper nehme. Das kann ich ihr einfach nicht antun. Ich kann ihr nicht ihr Leben stehlen."

Erleichtert sah ich Kat an. "Das ist alles? Das ist der einzige Grund?"

"Ja, wieso?"

"Weil ich dafür eine Lösung habe." Kurz sah ich mich um und beugte mich dann näher zu ihr, damit mich niemand sonst hören würde. "Nadia hat mir den Zauber geschickt, den du brauchst. Du musst nur deine Hände an den Kopf der Person legen, den Spruch aufsagen und dann bist du in dieser Person, bis ein anderer Traveller dich aktiviert."

"Okay, und welche Person soll das sein? Soll ich einfach in irgendeinen Passanten springen?"

Leicht schüttelte ich den Kopf und sah Kat lächelnd an. "Nein. Der Plan ist, dass du Elena nimmst."

Sofort breitete sich auch auf Kats Lippen ein Lächeln aus. "Okay, der Plan gefällt mir definitiv."

Leise erklärte ich Kat, wie wir es hinkriegen wollten, dass sie mit Elena alleine war und ließ sie dann wieder in Ruhe. Sie war erschöpft, sie brauchte den Schlaf, um später stark genug für den Zauber zu sein. Ich blieb die ganze Zeit an ihrer Seite und sorgte dafür, dass sie keine Albträume hatte, während meine Brüder unten schon mal Kats Tod feierten. Dass sie mit all ihren Freunden ein Trinkspiel veranstalteten, um ihren Sieg über Katherine zu feiern, fand ich mehr als nur geschmacklos, aber ich verzichtete darauf, nach unten zu gehen, um ihnen das zu sagen. Stefan versuchte tatsächlich einmal, unseren Bruder davon abzuhalten, aber er hatte keine Chance. Ich riss mich zusammen und versuchte, die Gespräche unten zu ignorieren, bis es immer später wurde. Mittlerweile war auch Elena dazugestoßen. Es wurde Zeit.

Ich weckte Kat auf und verließ das Zimmer, während meine Freundin sich wieder schlafend stellte. Langsam ging ich nach unten und blieb mit einem möglichst neutralen Gesichtsausdruck stehen.

"Ist sie schon...", fragte Stefan vorsichtig, aber ich schüttelte den Kopf, während ich die kleine Versammlung musterte.

"Nein, ist sie nicht. Aber sie wird sicher nicht mehr aufwachen. Wenn einer von euch sich also noch von ihr verabschieden möchte, sollte er das jetzt tun. Und wenn ihr ihr nichts mehr zu sagen habt, dann solltet ihr von hier verschwinden. Wenn ich nämlich noch einen einzigen Trinkspruch höre, bringe ich denjenigen um."

Zumindest hatten sie den Anstand, ein wenig bedrückt auszusehen, während die meisten von ihnen aufstanden und gingen. Nur Elena sah mich kurz an, bevor sie nach oben zu Kat ging. Genau das, was ich erwartet hatte. Sie hatte einfach ein zu großes Herz. Und durch ihre Teilnahme an diesem makabren Trinkspiel hatte sie jetzt ein ausreichend schlechtes Gewissen.

Langsam folgte ich ihr nach oben und hörte zu, was ihre letzten Worte an meine Freundin sein sollten. Zu meiner Überraschung fing Elena nicht an, Kat zu beleidigen, sondern vergab ihr. Wie edel von ihr. Hauptsache, Kat würde jetzt deswegen keinen Rückzieher machen. Glücklicherweise tat sie das auch nicht und griff stattdessen mit letzter Kraft nach Elenas Kopf, um den Zauber zu sprechen. Elena brach daraufhin zusammen und ich ging sicher, dass unten niemand davon gehört hatte. Grinsend wählte ich Nadias Nummer auf meinem Handy und hielt Elena dann den Hörer ans Ohr, als sie wieder aufwachte. Für einen Moment wurden ihre Augen schwarz, und als sie sie wieder öffnete, schenkte sie mir ein breites Lächeln. "Es hat tatsächlich funktioniert. Emily, du bist eindeutig die Beste."

Mysteries - The Story of Emily SalvatoreWo Geschichten leben. Entdecke jetzt