Kapitel 39 - Versorgungstour

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Ich bin die Erste, welche in eines der bereitstehenden Fahrzeuge einsteigt. Ein Tag ohne laute Partymusik oder betrunkene Leute klang einfach zu verlockend. Der Hutmacher hatte nichts dagegen, dass ich mitfahre und hat nur mein Engagement gelobt. 

Es ist schon Nachmittag, doch der Asphalt auf dem Parkplatz ist immer noch aufgeheizt von der Sonne. Ich öffne direkt das Fenster auf meiner Seite, denn die Luft in dem Wagen steht schon fast. Wir fahren ungefähr zwanzig Minuten und im Rückspiegel erkenne ich, dass wir mit insgesamt drei Autos aufgebrochen sind. Der Fahrer hält vor einem großen Supermarkt und nachdem er mit seiner Aufzählung fertig ist, nach was wir alles Ausschau halten sollen, steigen wir aus. 

Ich nehme mir einen Einkaufswagen und laufe gemütlich durch die verschiedenen Gänge. Die mit dem Obst und Gemüse meide ich bewusst, da das Meiste abgelaufen sein müsste. Ich packe alles ein, was gut haltbar aussieht und als der Wagen halb voll ist, sehe ich mich ein wenig um. In dem hintern Teil des Supermarktes scheinen nicht viele zu sein, also steuere ich die Süßwarenabteilung an. Ich suche das Regal nach etwas ab, was lecker klingt und stelle meinen Wagen an die Seite.

Ich war schon lange nicht mehr einfach so unterwegs. Bis auf die Spiele hat man auch nicht wirklich die Möglichkeit, das Hotel zu verlassen. Das habe nicht bemerkt, bis ich mit Ann im Krankenhaus war.

Ich entdecke die Marshmallows ganz oben und ohne nachzudenken greife ich nach ihnen. Sofort durchzieht mich ein stechender Schmerz und ich nehme meinen Arm wieder runter. Warum habe ich nicht vorher nachgedacht? Verärgert schlage ich gegen das Regal und werfe den Marshmallows einen düsteren Blick zu.

"Was haben die dir den getan?"

Verwundert sehe ich neben mich. Das darf doch wohl nicht wahr sein fluche ich innerlich. Mit den Händen in den Westentaschen und seiner Kapuze aufgezogen steht er da und grinst wie immer. Er kommt zu mir und greift nach oben zu der Tüte, bevor er sie mir reicht. Dankend nicke ich ihm zu und nehme sie entgegen.

"Hab dich gar nicht gesehen", sage ich nur und setze mich auf den kalten Fliesenboden. 

"Ich dich auch nicht seit dem Krankenhaus", stellt er kühl fest und zögert kurz, bevor er sich neben mich setzt. Warum benehme ich mich so dämlich, ich meine vorsichtig sein bedeutet nicht gleich mich von ihm fern halten zu müssen. 

"Vertrau mir", sage ich und lächele, "Das waren die langweiligsten zwei Tage meines Lebens"

Er lacht leise und ich öffne die Tüte, bevor ich mich an das Regal hinter uns lehne. Ich entspanne mich ein wenig und ich weiß nicht ob es daran liegt, dass die Situation sich nicht so seltsam anfühlt wie gedacht, oder ob es einfach an Chishiya liegt. 

"Mhm, bist du deswegen freiwillig mitgekommen?"

"Auch. Und du?", frage ich und halte ihm die Tüte hin. 

"Ich nutzte fast jede Gelegenheit, um mal aus dem Hotel zu kommen", sagt er und nimmt sich einen Marshmallow. Er gehört zwar zur Führungsrege und hat mehr Freiheiten, aber ich habe mir schon gedacht, dass das Beach nicht das Optimale für ihn ist. 

"Würdest du weggehen, wenn du es könntest?", fragt er und sieht mir direkt in die Augen. Ich überlege einen Moment, aber eigentlich kenne ich die Antwort schon. Ich war schon alleine unterwegs und ich kann mich noch genau daran erinnern, wie sich diese Stille angefühlt hat. Und das über einen längeren Zeitraum würde mich durchdrehen lassen.

"Nein. Ich weiß für dich hört sich das dumm an, aber alleine würde ich verrückt werden"

"Und wenn du nicht alleine wärst?", fragt er schnell und ich runzele die Augenbrauen. Sein Blick ist ernst und ich stocke für einen Moment.

"Also wenn du damit dich meinst Chishiya, vergiss es. Nicht ohne Kuina, du würdest mich keine vierundzwanzig Stunden am Stück aushalten", lache ich und ich glaube ich irre mich, aber seine Züge werden sanfter. Wahrscheinlich habe ich mich geirrt mit seinem ernsten Blick. Ich werfe einen Marshmallow hoch und fange ihn mit meinem Mund.

"Vierundzwanzig Stunden also?", grinst er und nickt leicht, bevor er sich noch einen Marshmallow nimmt. Sein Unterton verrät mir, was er vorhat und ich schüttele nur den Kopf.

"Vergiss es, wir wetten nicht darum"

"Wieso nicht", fragt er verwundert und sein Grinsen verschwindet ein wenig. Erstens weil wir gerade seit zwei Tagen zum ersten Mal wieder miteinander reden und zweitens, weil ich immer noch vorsichtig sein muss.

"Selbst wenn du diese Wette gewinnst, ist die Chance groß, dass du danach nie wieder ein Wort mit mir redest. Das Risiko ist mir einfach zu groß", lache ich und sein Grinsen wird wieder breiter. Eigentlich wollte ich es nicht zugeben, aber die zwei Tage waren vielleicht auch Folter, weil ich ihm aus dem Weg gegangen bin. Am Ende des Ganges taucht plötzlich der neue Koch auf und kommt ein paar Schritte auf uns zu.

"Sayuuri richtig? Izumi sagte du bist eine große Hilfe, ich bräuchte Unterstützung bei den Cola-Kästen"

Ich sehe entschuldigend zu Chishiya und drücke ihm die Tüte in die Hand. Ich deute ihm, sie nicht alle aufzuessen, sondern mitzunehmen. Natürlich muss ich bei den Kisten helfen, der Koch traut sich anscheinend nicht den Mann neben mir zu fragen oder weiß, dass dieser ihn einfach nur ignorieren würde. Wieso musste Izumi nur sagen, dass ich eine große Hilfe sein? 


Alice in BorderlandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt