Kapitel 56 - Waffeln am Morgen

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Ich glaube ich habe noch nie so gut geschlafen wie in dieser Nacht. Um ein Uhr morgens wurde ich durch den Sturm wach, der Wind peitschte gegen die Fensterscheiben und einige Blätter flogen dagegen. Doch dann spürte ich einen starken Arm um mich und er war so platziert, dass ich keinerlei Schmerzen hatte. Ich drehte mich vorsichtig nach hinten, um ihn nicht zu wecken und sah, wie ruhig Chishiya schlief. 

Ich frage mich, ob ihn jemand in dem Hotel überhaupt mal so gesehen hat. Die friedlich geschlossenen Augen, die sanften Züge und ohne sein überlegenes Grinsen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihn so viele Leute zu Gesicht bekommen, vielleicht Kuina. Aber gerade deswegen genieße ich es, neben ihm zu schlafen.  

Als ich mich wieder umdrehte konnte ich seinen ruhigen, gleichmäßigen Atem in meinem Nacken spüren und mit diesem wohligen Gefühl schlief ich wieder ein. 

Mittlerweile müsste es Mittag sein und ich befinde mich noch im Halbschlaf. Doch ist mir nicht entgangen, dass Chishiyas Atemzüge unregelmäßiger werden was bedeutet er ist aufgewacht. Ich spüre wie sein Körper sich kurz anspannt und der Arm um meiner Seite zuckt, doch er lässt ihn dort. In Gedanken nehmen meine Wangen eine rote Farbe an, doch mein schlafender Körper schmiegt sich ein wenig mehr an ihn. 

Ich höre wie aus der Ferne ein Klopfen, doch ich ignoriere es als Chishiya sein Gesicht in meinen Nacken drückt und irgendetwas leise zu sich selbst murrt. So nahe waren wir beide uns nie und ich genieße jede winzige Sekunde. Doch als das Klopfen noch einmal ertönt zieht der Mann neben mir seinen Arm weg, was mich aus dem Halbschlaf reißt. Als sich Chishiya aufsetzt, reibe ich mir den Schlaf aus den Augen und quäle mich aus dem Bett.

Ich schlendere zur Tür und öffne sie genervt, doch meine Miene wird weicher als ich Izumi entdecke. 

"So früh am Morgen, wirklich?", beschwere ich mich, ohne böse zu klingen.  

"Wir spielen morgen wieder, das bedeutet Cocktails am Pool", grinst sie mich an und ich nicke nur müde. Sie scheint hellwach und lächelt breit weswegen ich nicht sagen kann, dass ich keine Lust dazu habe.

"Treffen wir uns unten, ich brauche Zeit um richtig wach zu werden"

"Ich gebe dir zwanzig Minuten, sonst komme ich hoch und schleife dich an deinen Haaren herunter. Und wage es ja nicht wieder einzuschlafen", droht sie mir spaßeshalber und ich schließe nur lachend die Tür. Chishiya ist mittlerweile aufgestanden und zieht gerade seine Weste an, während ich mich mit meinem Kopf an das Fußende des Bettes lege und ihn beobachte. Er scheint über irgendetwas nachzudenken, das erkenne ich selbst als ich meinen Kopf ein wenig über die Bettkante strecke und er aus meiner Sicht auf dem Kopf steht. 

Irgendwann nickt er leicht und sieht zu mir. Er grinst kurz als er meinen Blick bemerkt und zieht den Reißverschluss seiner Weste nach oben. 

"Ich finde in nächste Zeit sollte jeder in seinem eigenen Bett schlafen", sagt er plötzlich trocken und mein Lächeln verschwindet. Statt ihn verwirrt anzusehen, funkele ich ihn warnend an. Er zieht nur seine Augenbrauen hoch und verkneift sich ein Grinsen.

"Die Leute aus der Führungsrege fragen sich sowieso schon immer wo ich stecke und Niragi hat die Angewohnheit entwickelt einfach in mein Zimmer zu platzen, wenn ich zu einer Besprechung kommen soll", erklärt er und ich entspanne mich. 

"Glück gehabt Shuntaro", sage ich nur da ich den Verdacht hatte, dass er nur wieder auf Distanz gehen möchte. Aber er ist nur der logisch denkende Chishiya wie immer, das beruhigt mich ein wenig. Er sieht mich gespielt verwundert an und schafft es größtenteils ein freches Grinsen zu verbergen. Ich verdrehe nur die Augen und stehe auf, um ihn an der Tür zu verabschieden.

"Spielen wir morgen Schach?", frage ich ihn.

"Du willst wirklich gegen mich spielen?", fragt er selbstsicher und dreht sich mit hochgezogenen Augenbrauen zu mir um.

"Du kannst mir ja neue Züge und Taktiken beibringen", bringe ich entgegen und verkneife mir ein Grinsen, "Ich glaube nicht, dass du ein so schlimmer Lehrer bist wie Kuina gesagt hat" 

Er nickt nur grinsend und öffnet die Tür. Er möchte gehen, doch jemand versperrt ihm den Weg und sieht ihn überrascht an. Katsu steht vor der Tür mit einem Teller in der Hand und Chishiya steckt seine Hände gemütlich in die Westentaschen. Obwohl er mit dem Rücken zu mir steht kann ich mir seinen Gesichtsausdruck gut vorstellen: Das übliche hochnäsige Grinsen, die hochgezogenen Augenbrauen und den kühlen Blick. 

Katsu bringt keinen Ton heraus und Chishiya schnauft triumphierend. Ich erkenne auf dem Teller frische Waffeln und ein paar Erdbeerstücke. Ich lächele Katsu freundlich an, um die Situation ein wenig aufzulockern, denn die beiden schweigen sich einfach nur an.

"Genau richtig, ich hab schon langsam Hunger bekommen", durchbricht Chishiya die Stille und nimmt sich im vorbeilaufen eine der Waffeln. Gemütlich schlendert er den Gang entlang und ich unterdrücke ein Lächeln, als ich ihm nachsehe. Dann sehe ich zu dem Mann vor mir, welcher Chishiya immer noch verwirrt hinterhersieht. Als sein Blick wieder zu mir geht ist er immer noch ein wenig perplex, aber bringt ein Lächeln zustande. 

"Du warst nicht beim Frühstück und ich dachte du brauchst etwas im Magen"

"Danke", sage ich und zögere einen Moment. Es fühlt sich falsch an, ihn in mein Zimmer herein zu bitten, nicht nur weil Chishiya gerade erst gegangen ist. "Ich wollte gerade runter zu Izumi an den Pool, möchtest du mitkommen?"

"Ja gerne", strahlt er und reicht mir den Teller. Ich ziehe hinter mir die Zimmertür zu und zusammen laufen wir nach unten. Ich probiere eine der Waffeln und stelle fest, dass sie selbstgemacht und noch warm sind. Unten an der Poolanlage wartet Izumi schon bei den Liegestühlen und ich erkenne auf dem kleinen Tisch bereitstehende Gläser und Flaschen. Sobald sie uns entdeckt, winkt sie uns freudig zu sich und füllt die Gläser. 

     

Alice in BorderlandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt