Die sanften Lichteinfälle der Morgensonne, welche noch vor einer halben Stunde das Zimmer angenehm beleuchtet haben, weichen den hellen und kräftigen Strahlen der Mittagssonne ihrem Höchststand immer näherrückend. Die gedämpften Laute dröhnender Musik gelangen in meine Ohren, bestätigend dass es mindestens später Vormittag sein muss. Still und darauf bedacht keine ruckartigen Bewegungen zu machen, senke ich meinen müden Blick nach unten und sehe traurig zu dem schwarzen Haarschopf. Behutsam fahre ich ihm immer wieder beruhigend über durch die Haare, obwohl er glücklicherweise seit einer Stunde in einen tieferen Schlaf gesunken ist.
Nachdem keine einzige seiner Tränen mehr entweichen wollte, war sein Körper wie betäubt und seine Augen leer. Yuudai's Kopf liegt auf meinem Schoß und ich achte darauf flach zu atmen, um ihn nicht aus seinem kurzen Moment der Ruhe zu erwecken. Ich war noch niemals gut darin, trauernden Menschen die richtigen Worte entgegenzubringen und besonders nicht in diesem Fall. Welche Worte könnten einen derartigen Verlust schon mildern? Dennoch, ihn alleine zurückzulassen, während er in dieser Starre verweilte fühlte sich nicht richtig an. Und sogleich diese vertraute Geste ihm auch nur einen geringen Trost spenden mag, trocknen mir die unausgesprochenen Worte dennoch die Kehle aus. Möglicherweise hätte ich ihm erzählen sollen was vorgefallen ist, aber es hätte ihm nichts genützt. Yuudai ist nicht der Mensch, der in diesem Augenblick nach Antworten sucht. Seine Gedanken kreisen noch nicht darum wie Izumi gestorben ist, denn sein Herz fühlt einzig und alleine den Schmerz ihres Verlustes. Ich möchte mir nicht einmal ausmalen, was das für ein Gefühl sein muss.
Er hat gestern Nacht eine Wodkaflasche aus seiner Hausbar entnommen, gewillt diese Schmerzen in seiner Brust zu ertränken und seinen Körper zu betäuben. Doch zwischen den herzzerreißenden Schlurzern und den unterdrückten Schreien hat er keinen einzigen Schluck herunterbekommen. Irgendwann habe ich die Flasche dann eine Armlänge von uns weggestellt, damit er es nicht mehr verzweifelt in seiner Trauer versucht. Aber wenn er die Flasche erneut verlangen würde, wie könnte ich es ihm dann versagen?
Sein Verhalten bereitet mir langsam Sorgen, diese Starre in die er zwischenzeitlich verfallen ist war beängstigend. Er wirkte schon fast kathatonisch, hat weder auf meine Stimme noch andere reizauslösende Sinneswahrnehmungen reagiert. Er sollte noch ein paar Visa-Tage überhaben, möglicherweise kann ich mit dem Hutmacher reden, dass er vorerst nicht an einem Spiel teilnimmt. Oder besser noch ich wende mich gleich an Ann. Die Art und Weise wie der Hutmacher gestern auf mich gewirkt hat lässt mich daran zweifeln, dass er auf Yuudai Rücksicht nimmt wenn auch nur die Chance besteht, dass dieser eine neue Karte erlangen könnte. Ich glaube Ann könnte mit ihm reden und ihn überzeugen, dass es besser wäre Yuudai eine Auszeit nehmen zu lassen. Denn ich glaube in seiner derzeitigen Verfassung würde er nicht lange überleben und könnte gleichzeitig einen Nachteil für die anderen Teilnehmer bringen.
Seufzend lehne ich mich an die Wand hinter mir zurück und sehe nach oben an die Zimmerdecke. Was ist, wenn Yuudai in ein Spiel geht und nur an Izumi denken kann? Es muss nicht sein aktueller Zustand sein, welcher gefährlich für ihn werden kann. Vielleicht sabotiert er sich selbst und zielt darauf, sein nächstes Spiel nicht zu überleben. Menschen trauern auf eine unterschiedliche Weise und diese Spiele bieten nicht geringe Möglichkeiten, diese Trauer zu beenden.
Ruckartig öffnet sich die Zimmertür und aus meinen Gedanken gerissen, schnellt mein Kopf in die Richtung der eintretenden Schritte. Ich sehe zu einem gehetzten jungen Mann, welcher sich leicht an den Türrahmen lehnt um durchzuatmen. Mit strengen Gesichtsausdruck hebe ich den Zeigefinger an meine Lippen um ihm zu deuten, dass er leise sein soll. Nachdem sein Blick auf Yuudai' s schlafenden Körper neben mir fällt, scheint er zu verstehen und setzt ein entschuldigendes Lächeln auf. Stumm deutet er mir, dass ich in den Flur kommen soll und meine Augenbrauen ziehen sich misstrauisch zusammen. Ich nicke leicht und zeige auf eines der Sesselkissen, welches der Mann mir reicht und behutsam hebe ich Yuudai's Kopf an, um das Kissen darunterzuschreiben. Kurz bleibe ich in der Hocke sitzen um mich zu vergewissern, dass er weiterschläft und als seine Brust sich weiterhin gleichmäßig hebt und senkt, richte ich mich auf und folge dem Mann mit der Basecap in den Flur. Nachdem ich die Hoteltür geräuschlos ins Schloss fallen lasse, sehe ich neugierig zu dem Mann und stelle fest, dass er mir irgendwoher bekannt vorkommt. Er scheint mittlerweile ein wenig verschnauft zu haben und nach einem traurigen Blick zu der geschlossenen Tür, entgegnet er meinen Blick. Die Sensibilität, welche er zeigt lässt mich vermuten, dass er Yuudai kennt und mit einem prüfenden Blick an ihn herunter stelle ich fest, dass er keine Waffe mit sich führt. Also niemand aus dem Militärtrupp.
DU LIEST GERADE
Alice in Borderland
FanfictionArakida Sayuuri wacht in Tokyo auf und kann keine Menschenseele entdecken. Sie begreift schnell die Spielregeln des Borderlands und schlägt sich immer gerade so durch, bis sie zum "Beach" gelangt. Und da scheinen ihre Probleme erst richtig los zu ge...