Kapitel 115 - Wieder "zu Hause"

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Ich liege auf dem gekühlten Asphalt und betrachte die Sterne am Himmel. Arisu und seine Freunde sind zusammen mit der Frau gegangen, wahrscheinlich tuen sie sich zusammen und suchen einen Unterschlupf für die Nacht. Arisu hat gefragt ob ich nicht mitkommen möchte, ich habe nur geantwortet, dass ich auf einen Freund warte der mich abholt. Glücklicherweise haben sie keine Fragen gestellt, wo wir unterkommen oder irgendetwas, was auf das Hotel schließen lässt. 

Seufzend betrachte ich den wolkenlosen Sternenhimmel und spiele mit meinem schwarzen Gummiball in der Hosentasche. Ich warte schon eine Weile, habe aber keine Bedenken dass den anderen etwas zugestoßen ist. Das Karospiel war schnell vorbei, es war hektisch und die Zeit-Beschränkungen haben es effektiv gemacht. Das bedeutet aber ich muss um so länger auf meine Mitfahrgelegenheit warten. 

Ob Kuina und Chishiya denken ich bin in dem Spiel gestorben. Ich weiß noch wie unruhig ich war, als Chishiya bei seinem Herz acht Spiel war. Ich konnte erstmal nicht schlafen, habe mit meinem Bein gewackelt und meine Unterlippe fast blutig geknabbert. Ob es Chishiya ähnlich geht? Ich frage mich, ob er sich genauso Sorgen macht, aber ich denke nicht. Zuvor habe ich es an seinem Blick erkannt, wie als würde er seine Gefühle schon im voraus abgeschaltet, dass es ihn nicht berührt falls ich sterbe. In Spielen wo wir getrennt sind ist es glaube ich schlimmer. Sind wir zusammen eingeteilt, kann man die Situation bedingt kontrollieren jedoch so kann man nichts tun und nur abwarten. 

In meinen Überlegungen vertieft bekomme ich am Rande mit, wie ein Lichtstrahl über mich hinweggeht. Ich höre eine Autotür und stehe auf. Ich streiche den Staub von meinen Klamotten und bevor ich zu dem Wagen sehen kann schließt mich jemand in eine Umarmung.

"Ich bin froh, dass du noch lebst", höre ich Yuudai sagen, bevor er mich auf den Scheitel küsst. Ich weiß die Geste sehr zu schätzen, vielleicht weil er sich bewusst vor seinen Militärkumpanen schwach zeigt. Ich lege meine Hände um seinen mittlerweile muskulösen Rücken und drücke ihn näher an mich. Komisch, als ich ihn kennengelernt habe war er ein schon fast dürrer junger Mann, welcher in seinem grünen T-Shirt nach dem College-Geheimzimmerparty-Spiel fast versunken ist. "Keine Verletzungen, keine Drogen?"

"Nein", sage ich und schmunzele über seine Bedenken. "Ich bin auch froh, dass du noch lebst Yuudai", sage ich und löse mich von ihm, "Und weißt du es? Wie du ihr den Antrag machen willst?"

"Ja", sagt er mit einem Funkeln in seinen Augen und ich muss einfach lächeln. Ich frage nicht weiter nach, unterbewusst weiß ich einfach, dass sie ja sagen wird. "Lass uns nach Hause fahren"

Nach Hause. Klingt seltsam, aber ich nicke nur und steige auf die Rückbank des Wagens, während er auf den Fahrersitz springt. Ich muss weiter über seine Worte nachdenken: Zu Hause. Ich wohne im Beach, meine Freunde sind da und zusammen geben wir uns Halt um nicht verrückt zu werden bei diesen Spielen. Wahrscheinlich ist das Hotel mein neues zu Hause. Aber es ist dennoch komisch darüber in dieser Sichtweise nachzudenken. Die Fahrt über sehe ich aus der Fensterscheibe zu meiner Seite und sehe weiter den Sternenhimmel an. Nicht weil ich nostalgisch bin, aber ich versuche zu ignorieren, dass die Männer neben mir viele Blutflecken an ihrer Kleidung haben. 

Nach fünfzehn Minuten parkt Yuudai den Wagen vor dem Beach und ich steige aus. Er lauft schon entschlossen auf den Eingang zu , doch ich greife nach seinem Handgelenk und lasse die anderen vorlaufen.

"Viel Glück", sage ich um ihn Mut für den bevorstehenden Antrag zu geben.

"Danke Kleines", lächelt er erleichtert wie als hätte er es gebraucht. Er ist ein guter Mann für Izumi und der Fakt, dass sie aufgehört hat wild zu feiern zeigt mir, dass er ihr sehr viel bedeutet. Sie wird Ja sagen. "Sag Chishiya viele Grüße"

Bei den Worten erstarre ich automatisch, doch er grinst mich nur breit an. Wie kann er... ich bin einfach zu überrumpelt über diese Worte, als das ich anders reagieren könnte.

"Wie... was meinst du?"

"Ich sehe sowas, es hat mit Izumi auch so begonnen", grinst er und läuft zum Eingang, ohne eine Reaktion von mir abzuwarten. Erstaunt sehe ich ihm immernoch hinterher, dennoch löse ich mich aus meiner Starre, um keinen Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Mit leicht zittrigen Beinen laufe ich die Treppen im Eingangsbereich hoch, dennoch mit einem flüchtigen Lächeln. Ich mache mir keine Sorgen, Yuudai ist wie ein bester Freund geworden, wie ein großer Bruder. Er erzählt es niemandem, da bin ich mir absolut sicher. 

"Sayuuri", reißt mich die schwingende Stimme des Hutmachers aus meinen Gedanken und ich blicke zu dem Mann im Bademantel vor mir auf. Ich brauche einen Moment um zu realisieren, was er von mir will. Ich ziehe die Karte hinter meinem Rücken hervor und reiche sie ihm. Plötzlich lacht er auf und zieht mich in eine kurze Umarmung, bevor er besessen die Karte betrachtet. "Wir sind dem Ziel näher, damit hast du dir einen besonderen Platz verdient"

Er reicht mir ein Schlüsselarmband mit der Zahl 28. Ein wenig überrumpelt streife ich mein jetziges Kennzeichen des Beach von meinem Handgelenk und drücke es ihm in die Hand, bevor ich die 28 anlege. Das ist verdammt nahe an der Führungsrege.

Zielgerichtet steuere ich das Dach an und als ich durch die Tür laufe habe ich das Gefühl, als würde mein Herzschlag sich zum ersten Mal seit dem Spiel beruhigen.  Ich erkenne an der Kante eine Gestalt: Eine weiße Weste, die Kapuze aufgezogen und die Hände in den Westentaschen. Er scheint mich noch nicht bemerkt zu haben und wenn doch lässt er sich nichts anmerken. Ich setze mich neben ihn und lasse meine Beine wie er über den Abgrund baumeln. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie er seinen Blick nicht von den Menschen an der Poolanlage abwendet. Er schnauft grinsend und lässt nichts in seiner Miene deuten. 

Schweigend betrachte ich die erhellenden Lichter unter uns, bevor ich meine Hand neben seine stütze. Ohne Worte lege ich meinen kleinen Finger über den seinen und selbst als ich weiter geradeaus starre bekomme ich seinen lächelnden Blick mit. Er mustert mich einen Moment, er kann es nicht lassen sich selbst zu überzeugen, dass es mir gut geht. 

"Du riechst nach Rauch"

"Bin ein paar mal fast bei lebendigem Leibe verbrannt", antworte ich trocken als ich bemerke, wie sein kleiner Finger sich in meinen einharkt. Aber ich möchte ihm keine Angst machen, also rede ich einfach drauf los. "Da war ein Spieler, er ist gut" 

"Was heißt gut?"

"Er ist clever, hat das Spiel durchschaut", sage ich und bemerke seinen neugierigen Blick, "Er ist nicht wie du, aber auf eine andere Art clever. Arisu hat das Spiel sozusagen alleine gelöst"

"Arisu", sagt Chishiya zu sich selbst und scheint den Namen in seinem Kopf abzuspeichern. Hätte ich mir denken können, trotzdem fühlt es sich richtig an ihm von Arisu zu erzählen. Ich betrachte noch einen Moment das Geschehen unter uns, bevor ich den Griff um seinen kleinen Finger verstärke und dann aufstehe. 

"Ich lege mich in mein Bett, sehen wir uns morgen?"

"Huh? Natürlich", sagt Chishiya mit geistesabwesenden Blick nach unten. Er scheint so in Gedanken, dass ich ihn nicht stören möchte. Am liebsten würde ich ihm zum Abschied auf die Wange küssen, aber ich denke nicht dass er es gutheißen würde. Die meisten Menschen an der Poolanlage feiern oder sind mit sonst was beschäftigt, aber das heißt nicht, dass es niemand sehen würde. Also ziehe ich ihm die Kapuze seiner Weste einfach tief ins Gesicht und stehe auf um zu gehen. Doch bevor ich die Tür hinter mich schließe höre ich noch sein leises Lachen. Mit einem leichten Grinsen laufe ich in mein Hotelzimmer, um mich erschöpft auf die Bettdecke fallen zu lassen.


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