Kapitel 136 - Ungewohnte Behutsamkeit

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Ich schlage kraftlos meine Augen auf und sehe benommen zur Seite. Bin ich wirklich wach oder gleichzeitig in meinem Traum gefangen? Meine Muskeln gehorchen mir nur unter äußerster Anstrengung und ich brauche einen Moment um zu begreifen, in welcher Situation ich mich befinde. Die Schließfächer um mich herum tauchen meine Sicht in einen dunkelblauen Schleier, betörend und doch surreal. Stöhnend versuche ich mich auf meinen rechten Arm abzustützen, doch er gibt nach und im nächsten Moment spüre ich die kalten Fliesen auf meiner Wange. 

Mit angestrengterem Gesicht richte ich mich auf und sehe zu meinem Verbündetem. Einen Schrei unterdrückend krieche ich soweit weg wie möglich von dem leblosen Körper. Auch als ich das entgegengesetzte Areal erreiche, kann ich meine Augen nicht von diesem Anblick lösen: Die metallene Modekette hängt schlaff an dem braunen Hemd herunter, doch das Halsband um seinen Nacken hat seine Aufgabe erfüllt und nur ein blutiger Stumpf trohnt auf dem Torso. Keuchend bemühe ich mich diesem Anblick zu entkommen, doch die steinerne Wand hinter mir hindert mich daran. Moku ist gestorben, wie viele sind noch am Leben?

Ich hangele mich auf allen Vieren zu dem Teilnehmerhandy, nur um diese Anzeige mit verschwommenen Buchstaben wahrzunehmen: Herzlichen Glückwunsch, sie haben gewonnen. 

Ich bin der einzige Überlebende. Traurig sehe ich zu dem leblosen Körper von Moku, er hat mich die letzten Minuten wachgehalten, ohne ihn wäre ich schon längst eingeschlafen. Schlurfend stemme ich meinen Fuß gegen die Fließwand und greife den metallenen Griff der Türklinke. Unter größter Anstrengung schiebe ich die Tür einen Spalt weit auf und schlüpfe hindurch. Das Flurlicht flackert und stöhnend stütze ich mich an der Wand ab. Fliese für Fliese hangele ich mich entlang in Richtung Ausgangsschild, doch meine Sinne spielen verrückt. Ich meine einen süßen Duft wahrzunehmen, bevor meine Sicht schwarz wird und ich unsanft auf dem Boden lande. Das nächste was ich mitbekomme ist eine mir bekannte Stimme, welche weit weg erscheint. 

„Sayuuri?"

Ist das mein Name? Ich weiß es nicht mehr, ich weiß gar nichts mehr. Nachgiebig schließe ich meine Augen und falle in eine tiefe Ohnmacht. Ich spüre nichts mehr, keine Kälte oder Wärme.

Mein Körper ist taub und ich kann nur bedingt einen Gedanken fassen. Habe ich überlebt, oder ist es doch eine kranke Fantasie? Ich kann meine Augen nicht öffnen, meine Lieder sind zu schwer und meine Kehle trocken. Ich gebe mich dem abnehmenden Bewusstseinsschleier hin und drifte vollends weg. Jedenfalls bis ich nach einer unendlichen Zeit unter größter Anstrengung meine Augen einen Spalt weit öffnen kann. 

„Hm?", bringe ich den einzigen Laut hervor, welcher meine Kehle zu verlassen mag und sacke wieder ohne jene muskelspannung zusammen. Ich bemühe mich aufzurichten, doch sobald meine Ellenbogen nachzugeben scheinen greifen zwei Finger unter mein Kinn und richten es nach rechts. 

„Was ist mir ihr los?", bringt eine Stimme weiter weg hervor und ich zucke unweigerlich bei der Stimme zusammen. Sie hat eine normale Lautstärke angenommen, dennoch reizt es mein Trommelfeld und ich beiße schmerzhaft meine Zähne aufeinander. 

„Wohlmöglich Drogen?"

„Ann, vielleicht solltest du der neuen Nummer eins Bescheid sagen", höre ich eine arrogante Stimme und bemühe mich aufzurichten, doch das weiche Laken ist dennoch zu verführerisch. Ich höre eine Tür zufallen, bevor ich beschwert meine Lider öffne und in kalte schwarze, Augen sehe. 

„Hast du irgendetwas eingenommen?"

Ich spüre zwei Finger vorsichtig meine Augenlider aufzuschieben und meine empfindliche Hornhaut beginnt sogleich zu brennen. Schmerzhaft ziehe ich meinen Kopf weg und kneife die Augen zusammen, bevor ich an seine Worte denke. Was hat er gesagt, mir fällt es nicht mehr ein?

Alice in BorderlandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt