Hinter den anderen Mitgliedern der Führungsriege verlasse ich mit schlendernden Schritten den Konferenzsaal und nachdenklich senke ich meinen Blick auf den mit Teppich ausgelegten Hotelflurboden. Ich muss mir etwas einfallen lassen, um meine Bedenken im Bezug auf Light abzuschalten und zu verdrängen. In dem Moment, in welchem ich die Kette gesehen habe, hat es meinen Fokus eingenommen, und auch wenn ich mich aufgrund meiner Aufgabe in der Führungsriege und unzähligen anderen Fragen in meinem Kopf zusammengerissen habe, kehren meine Gedanken schleichend zu dem jungen Mann wieder zurück. Und Ablenkung ist das Letzte, was ich gebrauchen kann, jetzt da die Zeit gekommen ist das Beach zu verlassen.
Nervös dehne ich meine schwitzigen Hände, sodass die Fingerknochen durch diese Bewegung leise zu knacken beginnen und sachte kaue ich auf meiner Unterlippe, um meinen zittrigen Atem zu herunterzufahren. Ich bin nun eine offizielle Herzspielerin in der Führungsriege, ich muss mich beruhigen und keine Emotionen im Bezug auf die Gefangenen durchblicken lassen. Auf der einen Seite würde es mich schwach und nicht würdig des Beraterpostens gegenüber machen, auf der anderen Seite könnten sie mich von dieser wichtigen Entscheidung ausschließen und an meinen objektiven Fähigkeiten Zweifeln.
Meine rechte Hand streift den federnden Rockstoff meiner Cheerleader-Uniform und verkrampft sich leicht darin, während ich bemüht bin durchzuatmen und meine Nerven zu entlasten.
„Ich dachte immer, dass Herzspieler ihre Emotionen und Gedanken besser verstecken können", ertönt eine leicht herablassende Stimme von der Seite und ich lasse mich mit verlangsamten Schritten zurückfallen, als ich den Mann in der weißen Weste angelehnt bei einer kleinen Nische entdecke.
Diese kleine Beschaffenheit der Wände muss damals als Funktion einer Ablage oder Dekorationsmöglichkeit gedient haben, vielleicht hatte man hier eine Statue oder große Zimmerpflanze hingestellt, welche nun einem anderen Zweck dienen muss. Vielleicht hat man sie damals ins Zimmer des Hutmachers gebracht.
„Herzspieler wissen, wann man in den Spielen konzentriert sein muss. Ich habe hier nirgends eine Laserschranke gesehen, also kannst du dir kein Kommentar sparen", meine ich frech, um von meinen nervösen Ticks abzulenken.
Mit einem kühlen Blick sieht er seitlich mit verschränkten Armen zu mir, als kurz ein belustigtes Grinsen über seine Lippen huscht. Ich sehe mich um und entdecke, dass die anderen Mitglieder der Führungsriege sich entfernen und aufteilen. Manche verschwinden in Richtung des Korridors unserer beschützten Hotelzimmer und andere laufen zum Eingangsbereich, um den Poolbereich oder das Restaurant anzusteuern. Seufzend bleibe ich stehen in der Annahme, dass niemand unser Gespräch mitbekommen wird und das auch die Intension von dem Mann in der weißen Weste war.
„Was willst du, Chishiya?", nähere ich mich mit zügelnden Schritten. Seit unserem Gespräch gestern Abend waren wir nicht mehr allein und ich nehme mich zurückhaltend dieser Situation an. Es ist nicht, als wären Sachen zwischen uns unausgesprochen, im Gegenteil. Ich denke alles zu dem Thema seiner Vergangenheit ist offengelegt, nur der Umgang damit ist schwer. Es ist seltsam lächerlich: Ich habe niemals wirklich glauben können, dass Chishiya Shuntaro das Medizinstudium praktiziert, weil er selbstlos ist. Und nun bewahrheitet sich meine oberflächliche Vermutung und ich bin enttäuscht?
„Selbst ein Blinder kann deinen nervösen Tick mit deiner Unterlippe erkennen. Fraglich was dich aus der Fassung gebracht hat, aber es hat etwas mit dem Gefangenen zu tun, huh?", meint er locker und trifft ins Schwarze, weshalb ich nachdenklich seinem Blick ausweiche. Ich habe keinerlei Erfahrung mit einer solchen Beziehung wie wir sie haben und kenne mich dementsprechend wenig aus, jedoch bei einer solchen in der Luft liegenden Spannung noch auf einen Jungen aus meiner Vergangenheit zu sprechen zu kommen, für den ich kindisch romantische Gefühle gehegt habe, zählt wohl eher zu einem kritischen Gesprächsthema. Zumal fühlt es sich falsch an Chishiya mit meinen Bedenken vertraut zu machen, falls Light wirklich etwas passiert sein sollte. Es ist besser, wenn ich das allein erledige und damit fertig werde. „Liegt es daran, dass du nicht weißt, für welche Option du deine Stimme bei der Wahl abgeben wirst?"
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Alice in Borderland
FanficArakida Sayuuri wacht in Tokyo auf und kann keine Menschenseele entdecken. Sie begreift schnell die Spielregeln des Borderlands und schlägt sich immer gerade so durch, bis sie zum "Beach" gelangt. Und da scheinen ihre Probleme erst richtig los zu ge...