Ich meine man kann es ihm nicht verdenken.
Diese Worte kreisen immer wieder in meinem Kopf herum. Den ganzen Mittag über lag ich in meinem Bett und dachte darüber nach, was diese Worte wohl bedeuten könnten. Chishiya hat diese Worte so in den Satz eingebaut, wie als hätten sie keine Gewichtung. Aber wenn es so wäre, warum hat er sie dann trotzdem gesagt?
Und sobald ich versuche, mit dem Thema abzuschließen und an etwas anderes zu denken, stellt sich mir gleich eine neue Frage. Warum bin ich so versessen darauf herauszufinden, was Chishiya damit gemeint hat?
Ich meine ich finde es gut, so wie es jetzt zwischen uns ist. Unsere kleinen Wetten, die Gespräche auf dem Dach und ich glaube mittlerweile behaupten zu können, dass wir einander vertrauen. Ich genieße es, mit ihm herumzualbern oder neben ihm aufzuwachen. Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass Chishiya jemand ist der mehr möchte. Er ist nicht gerade der Typ Mann, welcher Blumen kauft, Händchen hält oder übermäßig viele Gefühle zulässt. Aber vielleicht ist es auch genau das, was ich nicht will. Schließlich wäre Chishiya nicht er selbst, wenn diese Dinge auf ihn zutreffen würden.
"Sayuuri?"
Verwundert sehe ich auf zu Kuina, welche mich nur lächelnd ansieht. Ich muss wohl ziemlich abgelenkt gewesen sein, da ich nicht mitbekommen habe, wie sie den Raum betreten hat. Mein Blick gleitet zu der Uhr und ich stelle fest, dass ich schon fast zwei Stunden in dem Clubraum sitze und in meinen Gedanken hänge. Sie setzt sich zu mir an die Bar und runzelt die Augenbrauen, als sie die Gläser vor mir sieht.
"Dein wievielter Drink ist das?"
"Mein Fünfter"
Gelogen, mein zwölfter Drink.
"Ich habe dich gar nicht beim Frühstück oder beim Mittagessen gesehen"
Wie auf das Stichwort beginnt mein Magen zu knurren und wir beide müssen lachen. Es tut gut mit ihr zu reden und nicht die ganze Zeit weiter über Chishiyas Worte nachzudenken. Hoffentlich fragt sie mich nicht, weshalb ich so abwesend war.
"Ich schaue gleich in der Küche vorbei und mache mir noch eine Kleinigkeit zu essen", antworte ich letztlich und hüpfe von meinem Stuhl. Ich laufe hinter die Bar und beginne meine Gläser abzuspülen, während ich mich gleichzeitig nach einem neuen Drink umsehe. Auf einem Regal über mir entdecke ich eine interessant aussehende Flasche Scotch und greife unüberlegt nach ihr. Augenblicklich durchfährt mich ein stechender Schmerz und ich lasse die alte Flasche fallen, wobei sie auf dem Boden in tausend kleine Teile zerspringt.
Ich stütze mich einen Moment am Tresen ab, um den Schmerz auszublenden. Sobald das ziehen abflacht, bücke ich mich und nehme mir einen Handfeger um das Glas aufzukehren. Eine Scherbe bohrt sich in meinen Unterarm und ich fluche leise. Mein Körper ist ja nicht schon ramponiert genug. Ich stelle den Handbesen wieder an seinen Platz und stehe vom Boden auf. An der Bar sehen mich zwei Gesichter verwundert an, wobei ich mich nur zu Kuina wende.
"Entschuldigung"
Die andere Person läuft zu mir hinter den Tresen, als ich die Scherbe aus meinem Arm ziehe und schiebt mich ein wenig zur Seite.
"Setz dich, ich mache dir einen Drink", sagt Niragi und obwohl sein Tonfall genervt wirkt, grinst er mich nur an. Ich überlege mir zu erst einen beißenden Kommentar, doch ich gebe mich geschlagen und setze mich ohne Widerworte neben Kuina auf einen der Barhocker. Sie scheint ein wenig angespannt was ich wahrscheinlich auch wäre, wenn ich mich nicht gerade selbst verfluchen würde. Ich nehme mir eine Servierte und fange damit das herunterlaufende Blut ab. Ich sehe zu Kuina, welche stumm mit ihren Augen auf den Mann hinter der Bar deutet. Ich verstehe, dass sie mich damit fragt ob ich hier alleine klar komme. Ich versuche ein Lächeln zustande zu bringen und nicke nur ab.
Sie sieht noch einen Moment zu Niragi und dreht unruhig an ihrem Strohhalm, bevor sie aufsteht und den Raum wieder verlässt. Ich hingegen achte genau darauf was Niragi zusammenmischt, damit mich keine unangenehmen Überraschungen erwarten. Letzten Endes reicht er mir eines der Gläser und lehnt sich über den Tresen.
"Kein Augenverdrehen, gar nichts?", meint er nur provokativ und ich zucke nur mit den Schultern und trinke einen Schluck.
"Gar nicht so übel"
Ich trinke das Glas in einem Zug aus, da ich nicht länger als nötig hier mit Niragi sein möchte. Bis jetzt hat er es geschafft keine blöde Bemerkung zu machen, und ich will es auch dabei belassen.
"Danke", sage ich noch zum Abschied, da ich nicht unhöflich sein möchte und stehe von dem Stuhl auf. Ich schwanke für eine Sekunde, doch ich fange mich und beschließe zur Küche zu gehen. Seit ungefähr vierundzwanzig Stunden habe ich nichts mehr gegessen und so langsam merkt mein Körper das auch. In der Küche sehe ich mich ein wenig um. Da nicht viel los zu sein scheint, steuere ich einen der Kühlschränke an und überlege worauf ich Lust habe.
"Brauchst du Hilfe?"
Ich sehe noch einen Moment weiter über die Lebensmittel, bevor ich mich zu Katsu umdrehe und freundlich Lächele. Sobald sich unsere Augen treffen muss ich wieder an Chishiyas Bemerkung denken und an die darauffolgenden Worte.
"Ich wollte nur etwas essen"
"Soll ich dir ein Sandwich machen?"
Ich überlege für einen Moment, doch ich nicke nur und setze mich auf eine der Arbeitsflächen. Ich beobachte den Mann aufmerksam, um herauszufinden ob Chishiya recht hat oder nicht. Ich kann es mir einfach nicht vorstellen und ich frage mich, an was Chishiya es festmacht. Ich glaube nicht, dass er einen unbegründeten Verdacht laut aussprechen würde. Aber seine Worte gestern haben mich einfach aus der Bahn gebracht. Jedes mal wenn ich daran denke habe ich das Gefühl mir den Kopf zu zerbrechen, und trotzdem möchte ich Antworten.
"Wo warst du als Koch angestellt?"
"Beim Militär"
Ich sehe ihn verwundert und neugierig an. Wenn er beim Militär als Koch gearbeitet hat, müsste Aguni ihn doch schon längst rekrutiert haben wollen, oder nicht?
"Warum bist du dann nicht auch im Militärtrupp?", harke ich nach.
"Ich teile nicht gerade ihre Überzeugungen. Ich habe gesagt, dass ich in der Küche genug zu tun hätte und der Hutmacher schien sich damit zufrieden zu geben"
Keine schlechte Antwort, das muss man ihm lassen. Er war zwar beim Militär, aber er ist nicht so hirnverbrannt wie die meisten hier. Er halbiert das Sandwich und reicht mir den Teller. Ich nehme mir sofort eine der Hälften und beiße gierig hinein, da ist seit ich hier bin erst gemerkt habe, wie hungrig ich eigentlich war.
"Das ist lecker, was ist da alles drauf?", sage ich mit vollem Mund und er lacht nur.
"Tomate, Gurke, Salat und Lachscreme", zähle er auf und ich esse begeistert weiter. Katsu trocknet seine Hände mit einem Küchentuch und lehnt sich gegenüber von mir an die Kücheninsel. Ich weiß nicht weshalb, aber irgendwie muss ich an meine zweite Wette mit Chishiya denken, als wir beide in der Küche waren und ich für Kuina und die anderen Thaicurry gekocht habe. Er meinte, dass er von der Beziehung von Izumi und Yuudai erfahren hat, als die beiden sich eine Sekunde zu lange in die Augen gesehen haben. Kurz bevor die anderen in der Küche aufgetaucht sind hat er mich gefragt, ob ich eine Beziehung im Borderland eingehen würde. Und während ich einige Wochen nach diesem Gespräch auf dem selben Platz sitze denke ich darüber nach, ob ich meine Meinung nicht doch geändert habe.
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Alice in Borderland
FanfictionArakida Sayuuri wacht in Tokyo auf und kann keine Menschenseele entdecken. Sie begreift schnell die Spielregeln des Borderlands und schlägt sich immer gerade so durch, bis sie zum "Beach" gelangt. Und da scheinen ihre Probleme erst richtig los zu ge...