Kapitel 84 - Medizinnachhilfe

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Ich streiche mir die Haare aus dem Gesicht und versuche mich zu konzentrieren, aber immer wieder lateinische Wörter nachzuschlagen wird langsam lästig. Genervt drücke ich mein Kopf in das aufgeschlagene Buch auf meinem Schoß und fange an leise zu fluchen. 

"Huh?", höre ich eine amüsierte Stimme hinter mir und drehe mich leicht erschrocken um. Ich entspanne mich wieder als ich Chishiya sehe, welcher mich mit hochgezogenen Augenbrauen und einem frechen Grinsen ansieht. Bevor ich etwas sagen kann kommt er zu mir und streckt seinen Kopf neben meinen um sich anzusehen, welches Buch mich zur Verzweiflung treibt. Ich lege meinen Finger auf die Seite, bei der ich stehengeblieben bin und klappe das Buch zu, damit Chishiya den Einband des Medizinbuchs lesen kann. Ich versuche nicht verlegen zu grinsen und weiche seinem Blick leicht aus. Aber ich kann sein leichtes Lachen hören und sehe ihm dann doch in die Augen. 

"Ist die Besprechung vorbei oder habt ihr Pause?"

"Pause. Brauchst du Hilfe?", fragt er und springt mit einem Satz über die Lehne der Couch neben mich. Ich sehe gespielt überlegend nach oben und verziehe nachdenklich meinen Mund. 

"Vielleicht ein wenig", gebe ich nach. Ich setze mich seitlich auf die Couch und lege meine Beine wie eine Brücke über Chishiyas Schoß um gemütlicher zu sitzen. Das Buch lege ich auf meine Knie und während er eine Hand auf mein Unterbein legt denke ich nach, wie ich anfangen soll. 

"Bei welchem Thema bist du?", fragt er neugierig und schielt auf die Seite des Buchs.

"Notkoniotomie", lese ich genervt die lateinische Bezeichnung für Luftröhrenschnitt in der ersten Hilfe vor, "Ich weiß, dass es als Sicherstellung der Atemwege dient und dafür zwei Schnitte benötigt werden"

"Und was braucht man als Werkzeug?", fragt er mich wie in einem Test ab.

"Skalpell, 5er Tubus und irgendwas namens Mandrin. Aber im Lexikon stand keine Definition dafür"

"Das ist ein Führungsschlauch, den entfernt man am Ende wieder wenn der Tubus gelegt ist", erklärt er ohne diese ganzen Fachwörter, "Wie setzt man den Schnitt?"

"Einfach. Bei der ersten Hilfe wird längs ein Schnitt von 2-3cm am mittleren Kehlkopf gesetzt. Dann quer senkrecht ein Einstich und ein wenig nach oben drücken zum öffnen"

"Und der mittlere Kehlkopf ist wo?"

"Gute Frage", verdrehe ich die Augen und versuche aus der Zeichnung im Buch weiter schlau zu werden. Aber wenn ich etwas nicht kann, dann ist es Latein. Ich nehme mir wieder das Lexikon, um die Wörter zu übersetzen aber Chishiya nimmt mir das Buch ab und legt es zugeschlagen neben sich.

"Habt ihr im Studium nicht auch tausend verschiedene lateinische Begriffe?", sieht er mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.

"Nein, nur in den geschichtlichen Fächern wie das römische oder europäische Recht. Und selbst da sind es nicht so viele und mit Medizin haben die nicht viel zu tun. Traditio, mancipatio, adoptio, usucapio..."

"Okay", lacht er und nimmt sich den Zeige- und Mittelfinger meine rechte Hand. Vorsichtig führt er sie an seinen Hals an eine Stelle unter seinem Kiefer und tastet diese ab. "Fühlst du den Knorpel hier?"

"Mhm"

"Der Schildknorpel", er führt meine Finger ein kleines Stück nach unten, "Wie fühlt sich das an?"

"Wie eine ...Delle?" 

"Druckdolente Delle, und genau hier machst du den Schnitt", zeigt er schließlich und ich versuche mir alles einzuprägen. Knorpel, Delle, mittlerer Kehlkopf. Ich nicke nachdenklich während er zufrieden grinsend meine Finger loslässt. "Wieso willst du das Ganze eigentlich wissen?"

Alice in BorderlandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt