Kapitel 20 - Zimmerbesichtigung

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Wieder zurück im Beach händigt der Fahrer dem Hutmacher unsere Spielkarte aus. Ich möchte eigentlich einfach nur hoch in mein Zimmer und unter die Dusche. Doch als ich die Treppe ansteuere spüre ich, wie mich jemand zurückhält und sehe verwirrt zu demjenigen.

"Hatte ich dir doch gesagt"

Der Hutmacher hält mir ein neues Armband mit der Zahl 239 vor die Nase und ich brauche einen Moment, um ihm folgen zu können. Dann nehme ich mein jetziges Armband ab und reiche es ihm im Austausch. Er erzählt mir noch etwas, doch wenn ich ehrlich bin, höre ich ihm gar nicht zu. Als er mir zunickt und mich freigibt, laufe ich die Treppen hoch und hüpfe in meinem Zimmer gleich unter die Dusche. 

Blut, Asche und Bauschutt haben sich auf mir festgesetzt und ich versuche, alles abzuwaschen. Das kalte Wasser ist jedoch nicht so wohltuend, wie als ich aufgewacht bin. Ich versuche so schnell wie möglich mich sauber zu machen und zittere am ganzen Körper, als ich meine normale Beachkleidung anziehe. Ich schmeiße die Handtücher in den Wäschekorb und verlasse mein Badezimmer, als ich ein Klopfen höre.

Ich öffne verwirrt die Tür. Vor mir steht Chishiya, die Hände wie immer in den Westentaschen und einem schon fast höhnischen Grinsen. An seiner Weste und den Staubflecken kann ich erkennen, dass er immer noch die selben Klamotten trägt, wie in dem Spiel. Wahrscheinlich hatte er noch eine Besprechung mit der Führungsrege und keine Zeit, sich umzuziehen. Ich sehe ihn fragend an, doch ich kann keine Emotionen in seinem Blick erkennen. Er zieht nur seine Augenbrauen ein wenig hoch. 

"Ich habe gewonnen"

Die Wette, dass habe ich total vergessen. Ich öffne die Tür ein kleines Stück weiter, damit er hindurchpasst. Er scheint sich vorher umzusehen, ob es irgendwelche Augenzeugen geben könnte, doch nichts scheint ihn zu stören. Ich lehne mich an die Wand neben der Badezimmertür und beobachte, wie er sich akribisch umsieht. Er steht zwar in der Mitte des Raumes mit den Händen in der Westentasche, doch an seinem Blick kann ich erkennen, dass Chishiya jeden Zentimeter des Raumes mit seinen Augen absucht, um alles zu erfassen.

Er geht zu dem kleinen Schreibtisch am Fenster und öffnet einige Schubladen, bevor er ein Buch heraus holt und mich fragend ansieht.

"Ein Gesetzbuch?"

"Ich studiere Rechtswissenschaften", erkläre ich knapp. Wette ist Wette. Hätte ich gewonnen würde ich erwarten, dass er mir ehrlich antwortet, also tue ich das auch. 

"Mhm."

Er legt das Buch wieder an seinen Platz und ich kann sehen, wie seine Gedanken umherkreisen. Ein Strafgesetzbuch und mein Studium sind eines der letzten Dinge, die mir hier im Borderland etwas bringen oder einen Vorteil verschaffen, besonders im Beach. 

Es fühlt sich seltsam an, dass er sich alles so genau ansieht, wie als würde er in einem Teil meiner Seele lesen. Er öffnet die nächste Schublade und ergreift das Armband von meiner Großmutter, welches ich vor dem Spiel abgelegt habe.

"Sieht teuer aus"

"Das sind Zuchtperlen aus Frankreich und das Emblem ist echtes Gold", sage ich nur, um von meiner Familie abzulenken. An dem Zucken seiner Ohren erkenne ich, dass er es bemerkt hat, doch er schweigt. Er ist beschäftigt damit, aus dem Fenster zu sehen, als ich zu der Sporttasche unter meinem Bett spicke. Darin befindet sich eigentlich nichts außer der Collegejacke von Light, weswegen es auch theoretisch nicht gegen unsere Wette verstößt. Mein Blick gleitet stumm zu Chishiya, welcher sich anscheinend ein Bild davon zu machen scheint, was ich alles aus meinem Fenster erkennen kann. Eine ziemlich clevere Idee muss ich zugeben.

Er wendet seinen Blick wieder ab und scheint leicht verwundert, als er das Buch auf meinem Nachttisch entdeckt. Er sieht mich mit einer hochgezogenen Augenbraue an und greift sich das Buch, um sie den Einband anzusehen. 

Alice in BorderlandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt