Wieder im Beach angekommen starren uns die Leute an, die um diese Uhrzeit halbtrunken noch wach sind. Aguni und der Hutmacher laufen nebeneinander her und scheinen über irgendetwas zu diskutieren, währen Niragi und Ann hinter ihnen ebenfalls den Konferenzsaal der Führungsrege ansteuern. Ich bleibe stehen und betrachte sie, da ich weiß ich wäre unnötig in der Besprechung. Meine Beobachtungen habe ich den anderen schon mitgeteilt und ehrlich gesagt möchte ich nur noch unter die Dusche und in mein schönes, warmes Bett. Ich sehe aus dem Augenwinkel, wie Chishiya einen Moment neben mir stehenbleibt und sich aufmerksam umsieht.
"Dein Onkel wollte heute Abend noch nach dir sehen?", fragt er trocken während sein Blick starr nach vorne gerichtet ist. Für alle Außenstehende muss es so aussehen, als würde er mich teilweise ignorieren und eine abfällige Bemerkung haben, und dieser Gedanke lässt mich schmunzeln.
"Nein, er wollte morgen mit mir zum Brunchen"
"Also nicht früh morgens", sagt er mit einer emotionslosen Stimme, doch als ich zu ihm sehe erkenne ich, dass er ein Grinsen verbirgt. Mich beschleicht was er damit meinen könnte und tue es ihm gleich. Ich sehe starr nach vorne und grinse frech.
"Nein"
"Ich muss noch zu der Besprechung, aber wenn du willst kannst du in der Zeit bei mir duschen und dann könnten wir..."
"Okay", unterbreche ich ihn und laufe in die andere Richtung. Ich riskiere einen Blick nach hinten zu ihm und er kann sein Grinsen nicht mehr zurückhalten. Eine warme Dusche schlage ich nicht aus, da ich immer noch zittere und eine Menge Sand an mir heftet. Und die Chance noch mit ihm Karten oder Schach zu spielen will ich auch nicht verpassen. Chishiya läuft schon die Treppen hoch, als ich das kalte Metall in meinem Rücken spüre und stehen bleibe. Ich ziehe das Messer hervor und laufe auf Aguni zu, welcher gerade mit einem aus dem Militärtrupp redet.
"Aguni", sage ich und halte ihm das Messer hin. Nur der Militärtrupp darf im Hotel Waffen tragen und ich möchte keinen unnötigen Ärger bekommen.
"Behalte es", sagt er knapp und nickt mir noch einmal zu, bevor er ebenfalls die Treppen hochläuft. Verwundert sehe ich das Messer in meiner Hand an und zucke nur mit den Achseln. Ich werde es sowieso nicht rund um die Uhr bei mir tragen, trotzdem könnte es nützlich sein falls irgendetwas im Beach schief läuft. Ich klemme es wieder hinter meinen Rücken und laufe in mein Zimmer.
Ich verstaue das Messer und das Schlüsselarmband auf meinem Nachttisch und krame aus meinem Kleiderschrank meinen schwarzen Body und die lockere, braune Leinenhose. In meiner freien Hand balanciere ich noch eine Flasche Lillet und ein Weinglas. Unbemerkt schleiche ich eine Etage höher zu Chishiyas Zimmer und sehe mich zur Sicherheit unauffällig um, bevor ich in das Zimmer schlüpfe.
Ich schenke mir ein kleines Glas ein, um meine Nerven zu beruhigen und die Gedanken von der Tiefe des Gewässers loszuwerden. Ich trinke einen Schluck und lege meine frischen Anziehsachen in das Badezimmer, bevor ich mich ausziehe und die sandige Kleidung in das Waschbecken werfe. Während das Duschwasser warm läuft trinke ich gemütlich einige Schlucke und sehe mir die Shampoos und Duschgels an. Sobald leichter Dampf aus der Dusche aufsteigt steige ich darunter und meine ganzen Muskeln entspannen sich augenblicklich.
Normalerweise hasse ich das heiße Wasser und die Dämpfe, aber ich liebe es wenn man unter die heiße Dusche springt und das Wasser immer kälter stellt. In meinem Zimmer muss ich immer die ersten Minuten zittern und frieren, bevor sich mein Körper an die Temperatur gewöhnt. Es ist das zweite Mal im Borderland, dass ich nach einem Spiel so gut entspannen kann, wie als wäre nichts gewesen.
Ich höre die Zimmertür zuknallen und stelle schnell das Wasser ab, da ich anscheinend ziemlich lange geduscht habe. Ich trockne mich ab und ziehe meine frische Kleidung an, danach spüle ich meine Kleidung von der Aufklärungstour im Waschbecken ab und hänge sie unachtsam auf, damit sie wenigstens ein bisschen abtropfen kann. Ich ringe noch mal meine Haare über dem Waschbecken aus und nehme mein Glas, bevor ich das Hauptzimmer betrete.
Chishiya sitzt auf einem der Sessel und hat die Hände auf seinem Bauch gefaltet, während er seine Augen geschlossen hält. Ich nehme mir aus der Halterung an der Badezimmertür ein kleines Handtuch und setze mich neben ihm auf die Couch. Ich stelle das Glas auf dem Tisch ab und reiche ihm das Handtuch, als er mich hört und die Augen wieder aufschlägt. Seine Haare hängen immer noch ein wenig nass herunter und die Strähnen in seinem Nacken kräuseln sich ein wenig mehr als sonst.
"Danke, dass ich hier duschen konnte", sage ich höflichkeitshalber und bevor er etwas sagen kann rede ich einfach weiter, "Und wie war die Besprechung?"
"Der Hutmacher und Aguni haben entschieden, es wäre besser wenn man die Leute bei den Spielen oder den Versorgungstouren ausfindig macht und langsam ausräuchert"
"Und was meinst du?"
"Mir ist es gleichgültig", sagt er ehrlich, "Aber in diesem Fall ist es effektiver als ein Massaker"
Genau mein Gedanke. Vielleicht aus unterschiedlichen Gründen, aber es war mein Gedanke als ich das Versteck gesehen habe. Chishiya legt sich das Handtuch um den Hals und ich setze mich auf meine Hände, da ich vor Nervosität ein wenig zittere. Es ist nicht aus Angst, es ist eher die Spannung zwischen uns die mich durchdrehen lässt. Er scheint es zu merken und sieht fragend von dem Schachbrett zu den Karten.
"Poker", antworte ich spontan um ein Spiel anzudeuten, in dem ich vielleicht einen kleinen Funken seiner Emotionen lesen kann. Er nickt nur und mixt die Karten, während ich gemütlich einen Schluck nehme und ich das Glas anbiete. Überraschend nimmt er es entgegen und trinkt einen Schluck während ich meine Karten nehme. Er stellt das Glas ab und mustert jeden meiner Gesichtszüge, wie als wäre er voll in seinem Element. Ich versuche mein Pokerface aufzusetzen, damit er nicht direkt merkt, dass ich ein gutes Blatt habe.
"Also, wieso konntest du so tief tauchen?", sagt er und dreht die erste Karte um.
"Meine Schwimmlehrerin im letzten Jahr war eine Anwärterin für Olympia. Sie war wirklich streng und hat die gefördert, die gut waren", antworte ich und zucke mich den Schultern.
"Trotz deiner Angst?"
"Ich hatte schon seit ich zehn war Thalassophobie. Einmal hat meine Mutter mit mir im Griechenlandurlaub eine Bootstour gemacht und ich konnte nur ins Meer springen, weil ich schon um elf Uhr morgens zwei Gläser Wein getrunken habe"
"Du wolltest über deinen eigenen Schatten springen?", ratet er richtig und ich versuche ein Grinsen zu verbergen. Er lächelt kurz, bevor er auf seine Karten schielt. Er bemüht sich mich abzulenken, aber das Spiel kann ich auch. Ich setze mich press neben ihn und schlage meine Beine wie am Vortag gleich einer Brücke über seinen Schoß.
"Danke dass du mir die letzten Meter geholfen hast", bedanke ich mich ernst.
"Wieso hast du Aguni nicht einfach da unten gelassen?"
"Weil ich weiß, wie sich ertrinken anfühlt", sage ich in Erinnerungen schwelgend, doch Chishiya befreit mich davon, indem er mit zusammengerunzelten Augenbrauen eine Hand auf mein Bein legt. Am liebsten würde ich heute wieder bei ihm schlafen, aber es selbst anzusprechen kommt mir falsch vor.
"Mhm, wie du gesagt hast. Es ist besser, dass Aguni der Chef der Militärtrupps bleibt wie Niragi"
"Chishiya?", beginne ich um meine Gedanken auszusprechen, "Kann ich heute..."
"Ja", sagt er bevor ich den Satz zu Ende bringen kann. Ein Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus und ich kann nicht anders. Ich lege wie zuvor auch meine Hand in seinen Nacken und ziehe ihn zu mir. Als sich unsere Lippen berühren beginnen meine Wangen zu glühen, aber ich versuche meine Gefühle einigermaßen auszustellen. Während des Kusses sehe ich unauffällig in seine Karten und grinse breit als ich mich von ihm wieder löse.
"Ich erhöhe", sage ich schlicht und an seinen Augen kann ich erkennen, dass er genau bemerkt hat wie ich die Situation ausgenutzt habe. Doch statt sich zu distanzieren lächelt er stolz und platziert einen leichten Kuss auf meiner Wange.
DU LIEST GERADE
Alice in Borderland
FanfictionArakida Sayuuri wacht in Tokyo auf und kann keine Menschenseele entdecken. Sie begreift schnell die Spielregeln des Borderlands und schlägt sich immer gerade so durch, bis sie zum "Beach" gelangt. Und da scheinen ihre Probleme erst richtig los zu ge...