Vierundzwanzig Stunden sind mittlerweile vergangen, meine Augen brennen vor Müdigkeit und ich kann mir vorstellen, dass sie gerötet sind. Die Zeit vergeht und ich achte immer weniger auf die einzelnen Signaltöne der stundenanzeigenden Uhr, welche mich zum zusammenzucken bringen. Mit dem weichen dunkelgrauen Handtuch trockne ich meine Hautpartien, welche von dem kühlen Wasser noch gezeichnet sind. Ich fand es angebracht einige Schwimmrunden zu ziehen, später durfte es nicht werden. In den Schließfächern der Waschräume wurden Badeanzüge, Handtücher und etliche Utensilien bereitgestellt wie Taucherbrillen oder Haarkappen.
Es war unangenehm und seltsam, in einem Badeanzug vor den anderen Teilnehmern alleine in das große Wasserbecken zu springen. Zum einen zeigt es offen den anderen, dass ich die Notwendigkeit darin sehe mich wachzuhalten obwohl ich diese Aktivität wirklich genossen habe. Doch zum anderen fühle ich mich befremdlich darin, mich derartig entblößt den Blicken auszusetzen. Die Kälte hat mich unangenehm an mein Spiel erinnert, an die Eiswanne in den Umkleiden im Teamspiel.
Schnell ziehe ich mich um und lege das Handtuch um meinen Hals, bevor ich vor den Spiegel über dem Waschbecken trete und meine Haare zu richten: Eine ganze Tageszeit wachzubleiben scheint seine deutlichen Spuren zu hinterlassen. Ich muss zugeben, dass ich sehr reizbar durch das Ticken der Schaltuhr an der Wand werde und ich in gewissen Abständen Schwierigkeiten habe, Mokus Formulierungen immer zu folgen. Doch sonst geht es mir gut, ich schätze meine übermäßigen Schlafgewohnheiten im Beach machen sich bezahlt. Ich schlendere zurück in die Schwimmhalle, in der Moku schon auf mich wartet und zusammen steuern wir das kleinliche Restaurant an wie vereinbart.
„Und wie war die kleine Abkühlung?"
„Ziemlich gut, aber auch unangenehm", gebe ich offen zu und während er schmunzelnd die Treppe hinaufsteigt, folge ich ihm. Während unsere gierigen Blicke das Buffett mustern, läuft der Speichel in meinem Mund zusammen: In Wärmevorrichtungen befinden sich etliche Fleischvariationen und Beilagen wie Reis und gebratene Nudeln sowie Gemüse. In einer Glasvitrine stehen mindestens acht unterschiedliche Kuchen und auf dem Tisch in der rechten Ecke stehen Karaffen mit Säften und zuckerhaltigen Getränken. Moku stürzt sich auf die Fleischabteilung und ich gedenke ihm zu folgen. In eine große, schwarze Schale schippe ich mir frittiertes Hühnchen mit Kohlrabi und Reis, in der Pfanne gewendet mit Ei.
Zusammen setzen wir uns an einen der dünnen und wackligen Tische und genüsslich verleibe ich mir das fantastische Essen zu. Diese Auswahl an Speisen ist unglaublich, verführerisch schon. Während Moku auf das Hühnchen deutet und konzentriert isst, entgeht mir nicht der Seitenblick der anderen Person auf dieser Ebene. Die Frau in dem Bleistiftrock steht zögernd vor der Buffet-Auswahl, doch schielt sie immer wieder mit finsterer Miene zu uns herüber.
Sie hat sich keinen Verbündeten gesucht und verbringt die meiste Zeit alleine an ihrem gewählten Niederlassungsort. Sie scheint dennoch nicht wirklich in ihren Gedanken, denn niemals lässt sie die anderen Teilnehmer aus den Augen. Ich denke nicht, dass sie die Nachteile der einzelnen Hilfsmittel bedenkt, doch sie scheint gewillt zu gewinnen und kommt mir vor wie eine Persönlichkeit, welche vor nichts zurückschreckt. Dennoch konnte ich beobachten, dass sie zeitgleich mit dem Mann auf der Tribüne Richtung Waschräume verschwunden ist und deutlich länger als nötig gebraucht hatte. Angeekelt von dem Gedanken wende ich mich wieder meinem Essen zu und meinem Verbündeten.
„Was ist das eigentlich um deinen Arm?", fragt er mit vollem Mund und überrascht sehe ich auf das Schlüsselarmband an meinem Handgelenk. Es ist seltsam, ich trage schon seit einer geraumer Zeit dieses Merkmal des Beach, nur immer mit unterschiedlich gestempelten Zahlen. Gerne blende ich aus, dass ich es überhaupt trage. Doch nun sehe ich mit einem sanften Lächeln auf die Zahl.
„Es ist eine Art Erkennungszeichen im Beach", erkläre ich. Er hat schnell bemerkt, dass ich mit Bekannten in dieser Welt zusammenarbeite und ich habe ihm die oberflächlichen Sachen erzählt. Jedoch mit der Warnung, dass falls er dieses Spiel gewinnt und überlebt er es sich gut überlegen sollte diese Gemeinschaft aufzusuchen. Ein schauderndes zufriedenes Gefühl schleicht sich meinen Arm hoch und ich muss automatisch daran denken, wem dieses Schlüsselband zuvor gehört hat. Er hat es getragen, seit dem wir uns kennen.
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Alice in Borderland
Hayran KurguArakida Sayuuri wacht in Tokyo auf und kann keine Menschenseele entdecken. Sie begreift schnell die Spielregeln des Borderlands und schlägt sich immer gerade so durch, bis sie zum "Beach" gelangt. Und da scheinen ihre Probleme erst richtig los zu ge...