Kapitel 96 -

2.8K 159 14
                                    

Als ich meine Augen aufschlage blendet mich das schwache Röhrenlicht von der Decke und ich bekomme pochende Kopfschmerzen. Ich sehe mich blinzelnd um und stelle fest, dass ich auf einem Betonboden an der Wand gelehnt sitze. Auf meiner rechten Seite befindet sich ein Gitter, wie in einem Gefängnis. Ich möchte aufstehen und hinlaufen, aber meine Beine fühlen sich an als wäre ich drei Tage nicht aufgestanden. Ich brauche einen Moment um zum Gitter zu gelangen und sehe durch die Eisenstäbe. Ich sehe mich um und stelle fest, dass ich in einer Art Turm bin. Auf den Seiten und mit gegenüber befinden sich drei weitere Zellen auf der selben Ebene. Unter mir gibt es eine weitere Ebene, über mir um die sieben oder acht.

Ein Geräusch hinter mir lässt mich zusammenzucken und ich unterdrücke einen Aufschrei. Ich lehne mich mit dem Rücken an das Gitter und entdecke am anderen Ende der Zelle mein Handy von der Registrierung aufleuchten. Ich nehme es in die Hand und es ertönt die mechanische Frauenstimme, wobei sie sich dieses Mal wie ein Echo anhört, da die Handys der Spieler in den anderen Zellen ebenfalls die Spielregeln erklären.

Regeln : Ihr habt zwei Stunden Zeit, um die Industrieanlage zu verlassen. Viel Glück.

Die Frauenstimme verstummt, aber die Türen an den Zellgittern öffnen sich nicht. Ich höre ein Klicken und lehne mich an die Eisenstäbe, um nach unten zu sehen. Anscheinend ist jeder durch das Gas ohnmächtig geworden so wie ich in die anderen Zelle sehe. Ich hatte wahrscheinlich nur das Pech, direkt neben dem Austrittsschlauch zu stehen und alles auf einmal ab zu bekommen. Wahrscheinlich fühlen sich meine Beine deshalb so schwach an.

Plötzlich höre ich ein kratziges Geräusch, dann setzt eine Musik ein. Vivaldi, ganz sicher. Mein Blick ist gebannt nach unten gerichtet, wo ein großer Mann einen der bewusstlosen Spieler aus seiner Zelle holt und ihn auf einen metallenen Stuhl in der Mitte setzt. Mit braunen, breiten Arm- und Fußfesseln bindet er ihn fest und macht ihn so bewegungsunfähig. Ein Mann im mittleren Alter betritt den Turm, angezogen wie ein Arzt. Er trägt einen Mundschutz, OP-Handschuhe und einen lockeren, hellblauen Kittel. Der große Mann verschwindet kurz und schiebt dann einen kleinen, rollbaren Tisch neben den gefesselten Mann. Auf diesem liegen noch abscheulichere Waffen wie in dem Wendigo-Spiel und ich beginne zu verstehen.

Schreckensärzte. Einen nach dem anderen werden sie uns aus unseren Käfigen holen wenn wir uns nicht wehren. Ich sehe zu der Frau im Stuhl hinunter und kralle mich schon fast in das Gitter. Der Schreckensarzt streicht sanft über seine Geräte und sieht dabei belustigt zu der Frau, welche mittlerweile nicht mehr ohnmächtig ist. Sie macht einen entscheidenden Fehler und zuckt bei einem Gerät zusammen, welches für sie am grausamsten scheint.

Der Mann nimmt den Bohrer und wedelt damit spielten vor ihrer Nase herum. Seine Augen scheinen nicht einen Moment von ihrem Gesicht abzuweichen, er genießt das ganze. Er setzt den Bohrer an ihrem Schlüsselbein an und ich wende meinen Blick ab, doch ihre Schreie hallen laut durch das Gebäude. Er wird sie bis in den Tod foltern und dann sein nächstes Opfer suchen.

Ich trete von den Stangen weg und versuche einen klaren Gedanken zu fassen. Der Mann ist so in seine Arbeit konzentriert, es wäre ein Leichtes unbemerkt herunterzuklettern, aber da ist noch das Schloss. Okay, ich muss herausfinden wo sich Ann und Chishiya befinden!

Ich sehe nach oben und entdecke tatsächlich zwei Arme, die aus den Gittern ein paar Ebenen über mir ragen und den weißen Stoff. Ebenso ein Schlüsselarmband mit zwei Nullen als erste Ziffern. Chishiya sieht zu mir herunter und unsere Blicke treffen sich. Er scheint tiefenentspannt, obwohl diese arme Frau da unten gefoltert wird. Ich fahre mit zitternd durch die Haare, als ich einen Widerstand bemerke und inne halte.

Ich sehe wieder hoch zu der Zelle und Chishiya entgegnet meinem Blick. Er scheint zu wissen, dass ich etwas entdeckt habe und sieht mich wartend an. Ich greife tiefer in meine Haare und ziehe eine kleine, brüchige Haarklammer heraus. Izumi hat sie mir gestern bei unserem Mädelsabend geliehen.

Alice in BorderlandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt