Kapitel 64 - Ablaufendes Visum

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Chishiyas Sicht

Die Besprechung der Führungsrege ist endlich vorbei und ich steuere wieder Sayuuris Zimmer an. Als ich vorhin gegangen bin hat sie noch geschlafen und ich wollte sie auch nicht wecken nach so einem Tag. Ich sehe mich unauffällig um, ob mich jemand beobachtet und als ich die Nummer zwei des Hutmachers entdecke bleibe ich stehen und winke ihm provokativ zu. Er sieht mich noch einen Moment mit zusammengekniffenen Augen an, doch dann setzt er sich in Bewegung und läuft in die Richtung seines Zimmers. Sein obsessives Verhalten in letzter Zeit zeigt mir, dass er mich nicht mehr so leicht unterschätzt wie am Anfang. Es amüsiert mich, doch um meinen und Kuinas Plan aufgehen zu lassen sollte ich mich in nächster Zeit ein wenig zurückhalten.

Ich versichere mich ein letztes Mal, dass mich niemand beobachtet und gehe dann in das Zimmer. Das Licht ist ausgeschaltet und ich stelle durch Sayuuris flache Atmung fest, dass sie immer noch schläft. Ich setze mich auf den Sessel neben das Bett und nehme mir den schwarzen Gummiball auf dem Nachttisch. Ich drehe ihn in meiner Hand und betrachte ihn genauer. Ich verstehe immer noch nicht weshalb sie an so einem kleinen, unbedeutenden Ding hängt. Auf der Rückfahrt hat sie sogar Schläge von dem verrückten Mann in Kauf genommen, nur damit er ihn nicht kaputt macht. Aber ich verstehe das diese kleine Sache ihr wichtig ist und mir gefällt der Gedanke, dass ich ihr den schwarzen Ball geschenkt habe. 

"Wie viel Uhr haben wir?", ertönt plötzlich Sayuuris verschlafene Stimme und ich sehe von dem Ball in ihre Augen. 

"Zweiundzwanzig Uhr dreißig", antworte ich und lege den schwarzen Ball wieder auf den Nachttisch neben mir. Sie setzt sich auf und reibt sich den Schlaf aus den Augen, bevor sie sich leicht streckt und zusammenzuckt. Jedes Mal wenn sie aufwacht scheint sie zu vergessen, dass sie sich damit nur selbst wehtut aber sie lernt einfach nicht daraus. "Wir sollten den Verband wechseln"

Sie nickt nur und schlägt die Decke zurück um aufzustehen. Ich laufe zu dem Tisch am Fenster und nehme mir Desinfektionsmittel und neue Bandagen. Ich desinfiziere meine Hände und kann aus dem Augenwinkel erkennen, wie Sayuuri langsam die Klebestreifen abzieht. Als ich die mehrfach zugenähte Wunde sehe runzele ich leicht meine Augenbrauen. Die Verletzung ist nicht tödlich aber ich möchte mir nicht vorstellen, welche Schmerzen sie haben muss. Während ich den Verband erneuere gehen meine Gedanken kurz zurück zu dem Moment, als wir im Krankenhaus waren. Meine Hände waren voll von ihrem Blut und ich kann mich nicht daran erinnern, jemals wegen etwas erstarrt zu sein wie in diesem Augenblick.  

"Du warst bei einer Besprechung, oder?", stellt sie fest und ich nicke nur bestätigend, "Was ist mit dem Mann vom Krankenhaus?"

"Er lebt noch. Sie haben ihn in Raum 475 gesperrt und warten bis sein Visum abläuft", sage ich Wahrheitsgemäß und sie verzieht leicht das Gesicht. Selbst wenn ich es hätte verhindern wollen wäre er im nächsten Spiel direkt gestorben. Mir fiel es ziemlich leicht mich aus der Diskussion rauszuhalten und nachdem was im Krankenhaus passiert ist habe ich festgestellt, dass mir noch nie ein Tod so gleichgültig war wie seiner. 

"Sein Visum läuft heute ab, nicht wahr?"

Wieder nicke ich nur bestätigend. Der Militärtrupp hat kein vernünftiges Wort aus ihm herausbekommen aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er an einem Spiel teilgenommen hat. Ich schätze, dass er erst seit heute im Borderland ist was seine Psychose verschlimmert hat und er deshalb auf Sayuuri losgegangen ist. Als ich fertig bin und die Sachen wieder wegräume,  nimmt sie plötzlich mein Handgelenk. Sie scheint hellwach und ich sehe sie ein wenig verwundert an, als sie mich mit sich zieht.

"Zu dem Raum geht es in die andere Richtung", bemerke ich nur doch sie scheint genau zu wissen, wohin sie möchte. Ich folge ihr durch das Restaurant in die Küche und bleibe ein wenig versetzt hinter ihr stehen.

Alice in BorderlandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt