Kapitel 4.5: Schuld

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Nach einer friedlichen Nacht wachte Hermine auf, lächelnd öffnete sie die Augen, bemerkte als erstes, dass Severus nicht hinter ihr lag, das Lächeln ebbte langsam ab, stattdessen sah sie sich fragend um, fand ihn komplett angezogen am Fenster stehend.
„Severus?"
„Wir sollten gleich los", sagte er leise, drehte sich dabei nicht einmal um.
Sie setzte sich auf, „bist du sauer auf mich?", war es doch ein Fehler gewesen, dass sie ihm gestern gesagt hatte, dass sie ihn heiraten wollte?
Wollte sie das wirklich oder war es einfach nur eine angstgeschuldete Vorstellung?
Liebte sie ihn wirklich so sehr, dass sie seine Frau werden wollte?
Seine Ablehnung ließen die Zweifel in ihrem Kopf sprießen.

„Zieh dich bitte an", seine Stimme war immer noch leise, sie konnte die Tonlage überhaupt nicht einschätzen.
Mit einem Kloß im Hals schob sie die Decke beiseite und stieg aus dem Bett, sie suchte eilig ihre Sachen zusammen, zog sich an und stand fünf Minuten später vor ihm.
„Ich bin so weit...", flüsterte sie, erschrak leicht, als er sich umdrehte und sie ansah.
Auch wenn er nichts sagte, er fühlte sich in dieser Situation absolut nicht wohl, das sah sie ganz deutlich.
Er ging ein wenig zu ihr, nahm ihren Arm und apparierte mit ihr zurück in ihr Zimmer, ließ sie dann los.
Hermine schnappt sich seine Hand, zog ihn ein wenig zu sich, „krieg ich einen Kuss?"
Severus presste die Kiefer aufeinander, legte dann flüchtig die Lippen auf ihre, löste sich aus ihrem Griff und verschwand dann ohne Weiteres aus ihrem Zimmer.

Hermine hatte gar keine Zeit sich über seine Zurückgezogenheit Gedanken zu machen, kaum, dass er fort war, ging die Tür ihres Zimmers auf, „Hermine? Ach, du bist schon wach... ich- Schatz, ist alles in Ordnung?", Jean musterte ihre Tochter, sie sah so aus, als hätte sie gerade schreckliche Neuigkeiten erfahren, „Ist was mit Harry oder Ron?"
„Mh? Nein... ich hatte nur einen schlechten Traum", erfand sie.
„Von Sirius?"
Hermine schluckte, „ja genau... was wolltest du denn, Mum?"
„Ich wollte fragen, ob du mir nach dem Frühstück vielleicht hilfst den Keller aufzuräumen", sie lächelte freundlich, hatte die Hoffnung, dass Hermine ihre schlechten Gedanken vergessen würde.
„Ich hab keinen Hunger...", nach diesem mehr als kurzen und unterkühlten Abschied war ihr wirklich der Hunger vergangen, „also können wir sofort anfangen.", im Grunde war sie froh, dass sie wenigstens für ein paar Stunden Ablenkung hatte.
Sie folgte ihrer Mutter die Treppen nach unten und verschwand für die nächsten Stunden im dem Chaos der untersten Etage.

Als das Abendessen beendet war, saß Hermine ein wenig angespannt auf ihrem Bett.
Auch wenn sie einige Zeit abgelenkt war, als die Dämmerung sich über die Straße legte, bündelten sich ihre Gedanken und Sorgen umso mehr um Severus.
Nach dem Morgen hatte sie die Befürchtung, dass er nicht mehr kommen würde, dass er von ihren Plänen verschreckt wäre, dass sie zu schnell zu weit gegangen war, auch wenn ihr Herz sich so sehr nach der Wahrheit sehnte, die sie auszusprechen hatte.
„Guten Abend", eine dunkle umschmeichelnde Stimme riss sie aus ihren Gedanken, Severus stand in der Mitte des Raumes, musterte sie mit einem aufmerksamen Blick.
Hermine lächelte, „ich dachte du kommst nicht", gestand sie leise.
„Heute Morgen dachte ich das auch", er nickte, ging langsam zu ihr und setzte sich zu ihr auf das Bett.

Ein wenig verletzt über diese Tatsache atmete sie durch, „dann bin ich froh, dass du dich noch umentschieden hast.", was ihn seufzen ließ, „Was ist denn?", sie nahm vorsichtig seine Hand.
„Ich kann einfach nicht verstehen, warum du ausgerechnet mich willst. Eine aufregende Affäre ist etwas vollkommen anderes als der Wunsch jemanden zu heiraten... ich habe den ganzen Tag darüber nachgedacht... ich bin zu keinem Ergebnis gekommen. Ich habe so viel schlechtes gemacht, allein mit dir...", er schüttelte leicht den Kopf, immer und immer wieder drangen die Bilder ihrer Entjungferung in seinen Kopf, er hätte sie nie derart manipulieren dürfen.
„Du hast nichts gemacht, was ich nicht auch wollte, Severus.", stellte sie klar.
„Du warst 15 Jahre alt... ein Kind... und ich..", er stockte, wandte den Blick ab.

Er schämte sich selten in seinem Leben, meistens waren ihm die Meinungen seiner Mitmenschen völlig egal, aber dass er es so weit hatte kommen lassen mit ihr und es sogar genoss, ließ ihn nicht zur Ruhe kommen.

„Ich war alt genug, um zu entscheiden, dass ich mein erstes Mal mit dir erleben wollte... und ich bereue es keinen Tag.", sie suchte seinen Blick, versuchte ihn zu sich zu drehen.
„Es war reine Manipulation", er zuckte mit den Schultern, sein Blick war von Trauer zerfressen, „du wolltest so unbedingt ein Abenteuer erleben. Es war ein leichtes dich dazu zutreiben mich zu wollen."
„Wen ich will und wen nicht, das entscheide ich selbst.", ein böser Blick erreichte ihn, es machte sie fuchsteufelswild, dass er nun wirklich alles in Frage stellte und der einmalige Fehltritt mit Sirius lag ihr förmlich auf der Zunge.
„Es wäre schön, wenn es so wäre...", flüsterte er gedankenversunken.
„Es ist so! Siehst du nicht, was du hier gerade machst? Du sprichst mir jegliche Selbstständigkeit, jede Reflektion ab, degradierst mich wieder zu einem Kleinkind und willst über mein Wohl entscheiden!", sie stand vom Bett auf, lief aufgebracht in ihrem Zimmer umher und schüttelte immer mal wieder heftig den Kopf, dass ihre Haare nur so umherflogen.
„Ich versuche dir diese wahnsinnige Idee aus dem Kopf zu holen!"
„Glaubst du wirklich, dass ich selbst nach über einem Jahr nicht weiß, was ich mache?! Hältst du mich für so naiv und unüberlegt?!", ihr Blick glühte, „Wenn das so ist, dann solltest du vielleicht wirklich gehen. Ich will niemanden, der mich nicht ernst nehmen kann oder will.", sagte sie hart, klang dabei überhaupt nicht wie Hermine.
Er nickte, das Gespräch war in die komplett falsche Richtung gelaufen, aber er war unfähig es wieder geradezubiegen und so kam er ihrem Wunsch nach, ließ sie wieder einmal zurück, versuchte ihr und sich selbst die Möglichkeit zu geben nochmal über alles nachzudenken.

Wütend zog Hermine sich um und legte sich ins Bett, wie konnte er so beschränkt sein und ihr diese haltlosen Vorwürfe machen?
Er hatte sie nicht gezwungen mit ihm zu schlafen, er hatte sie nicht dazu gedrängt.
Naja,... ein wenig verführt hat er dich schon..., warf die Kopfstimme ein, er hat sich überhaupt nicht wie Snape benommen... er hat deine Schwärmerei ausgenutzt, um seinen Spaß zu haben, dass es schließlich zu all dem hier kommen würde, das hatte er vermutlich nie geplant, trotzdem trägt er die Schuld...
„Kannst du einfach mal die Klappe halten?!", zischte sie, nahm sich ihr Kissen und drückte es sich auf die Ohren, als könnte sie damit die nervige Kopfstimme damit zum Schweigen bringen.

Objektiv von außen betrachtet entsprach Severus Sorge vermutlich wirklich der Wahrheit, er hatte sie manipuliert, zwar äußert geschickt und auch nicht mit diesen Intentionen, aber er hatte ihre Gefühlslage ausgenutzt.
Aber unabhängig davon, wie viel Wahrheit darin lag, es war Hermine egal.
Sie wollte ihn, zu einem gewissen Teil hatte auch sie ihn manipuliert, auch wenn keiner von beiden das bemerkte.
Es lag in Severus Natur das Schlechte in sich zu sehen und die Schuld auf sich zu laden und in Hermines Natur lag es, nichts auf sich zu beruhen lassen, wenn sie eine vollkommen andere Einstellung hatte.
Sie würde ihn nicht gehen lassen und sie würde nicht zulassen, dass er sich selbst bestrafte.

Severus flüchtete nach Spinner's End, obwohl er schon den ganzen Tag allein verbracht hatte, zog er es vor weiterhin in Einsamkeit zu versinken, anstatt sich bei ihr zu entschuldigen und ihre Meinung und Sicht auf die Dinge zu akzeptieren.
Er goss sich ein großes Glas Feuer-Whiskey ein, ließ sich auf seinen alten Ohrensessel fallen, entzündete ein Feuer im Kamin und starrte in die gleißende Glut und die orangenen Flammen, die sich unaufhörlich durch das Holz fraßen.
Es hatte immer schon etwas beruhigendes, diese Zerstörung, die mit den Flammen einherging etwas tröstendes.
Manchmal stellte er sich die Frage, wie es sich wohl anfühlen würde, vom Feuer verschluckt zu werden, wie es sich anfühlte, wenn die Hitze das Fleisch von den Knochen löste und nichts als reine Asche zurückließ.
Es fühlt sich vermutlich genauso an wie das mit Hermine, warf die Kopfstimme ein, es fraß ihn von innen auf, stetig, wie glimmende Glut sich ebenfalls weiterfraß, auch wenn das lodernde Feuer schon längst erloschen oder noch gar nicht angefangen hatte.

Er kippte sich drei volle Gläser in den Rachen, versuchte nicht weiter an Feuer oder Hermine zu denken, alles, was er wollte, war Betäubung, auch wenn das Trinken von Alkohol der genau falsche Weg war.
Nach dem fünften Glas löschte er das Feuer im Kamin, sofort ergriff ihn eine Kälte, die bis in seine Knochen drang, eigentlich hasste er dieses Haus, all die schlechten Erinnerungen an seinen Vater verdrängten die guten an seine Mutter immer mehr und er ertappte sich immer öfter dabei, dass er das eine oder andere Mal in die Verhaltensmuster seines Vaters rutschte.
Schlechter als schlecht gelaunt torkelte er nach oben, befreite sich von seiner schweren Robe und ließ sich in sein Bett fallen, in dem er nur mäßig Erholung fand.
Grausige Träume zerrten an ihm, ließen Angst und Sorge in ihm wachsen.

Wein und Honig//Sehnsucht und Balsam//Lust und Leid/Von Versprechen und VerratWo Geschichten leben. Entdecke jetzt