Kapitel 4.16: Parallelen

400 30 8
                                    


Es war eigentlich nicht ihre Art sich öffentlich in einer Kneipe volllaufen zu lassen, aber der Wirtsraum war fast leer und wenn sie ehrlich war, hatte sie an diesem Abend wenig Hoffnung oder Scham.
Das, was sie im Schloss gesehen hatte war einfach zu schlimm.

War es das, was er ihr nicht sagen konnte?
Dass er parallel zu ihr eine Affäre mit Pansy hatte?
Dass er schon öfter mit ihr geschlafen und Hermine somit betrogen hatte?
Warum beteuerte er dann immer wieder, dass er kein Interesse an ihr hatte?
Er hätte doch einfach ehrlich sein können, oder?

Als sie darüber nachdachte, kam Tom zurück, stellte das zweite Bier auf den Tisch und noch ein kleines Glas mit einer klaren Flüssigkeit, „Sie sehen so aus, als bräuchten Sie etwas stärkeres..", erklärte er, „geht aufs Haus.", ein aufmunterndes Lächeln huschte über sein Gesicht, dann ließ er sie wieder allein.
Hermine trank erst das halbleere Bier aus, dann das kleine Glas, was sich als hochprozentiger Schnaps herausstellte, der in ihrer Kehle brannte und kippte dann mit dem zweiten Bier nach.

Ihre Wangen glühten, ebenso wie ihr Dekolleté, sie fühlte zum ersten Mal seit vielen Wochen und Monaten eine innere Wärme und sie genoss das Gefühl, auch wenn sie morgen vermutlich pochende Kopfschmerzen haben würde.
Eine ganze Zeit lang saß sie auf ihrem Stuhl, begoss ihren Kummer mit Butterbier und zwischendurch immer mal wieder einem kleinen Schnaps, bis die Tür des Wirtshauses geöffnet wurde und eine ihr nur allzu bekannte Person eintrat.

„Tom, machen Sie mir einen doppelten Whiskey?", er setzte sich auf einen Hocker am Tresen, strich sich über das Gesicht und kippte sich den Inhalt des Glases ebenso schnell hinter die Binde wie Hermine.
Sie entschied sich dazu, zu ihm zu gehen, stand auf, wartete kurz, der Alkohol zeigte schon jetzt seine Wirkung, dann schnappte sie sich ihr Bier, wankte wenig damenhaft zum Tresen und setzte sich neben ihn.
„Hallo, Remus."
Er verschluckte sich fast an seinem Whiskey, hustete, „was machst du denn hier?"
„Ich trinke Butterbier", sie zuckte mit den Schultern, nahm einen weiteren Schluck, „und du?"
„Hermine, was machst du hier? Wie bist du aus dem Schloss gekommen?!", Fragen über Fragen schwirrten in seinem Kopf, er musste Dumbledore informieren.
„Ich bin einfach gegangen. Durch die Tür... und dann bin ich hier hin appariert.."
„Warum hat dich keiner aufgehalten?", fragte er fassungslos.
„Weil mich keiner gesehen hat", sie zog den Umhang hervor.
„Pack den weg!", er stopfte ihn wieder zurück in ihre Jacke, „bei Merlins Bart, was machst du nur?"
„Ich musste da weg, Remus... ich halte das nicht mehr aus.", traurig musterte sie ihn, sie würde ihm so gerne sagen, was sie belastete, aber sie konnte nicht.

Remus überlegte hin und her, eigentlich trug er die Verantwortung für sie, obwohl sie mittlerweile volljährig war und hätte umgehend Dumbledore oder McGonagall informieren müssen, aber sie schien so verzweifelt, dass er ihr einen Moment des Friedens gönnen wollte, er musste vor allem herausfinden, was sie so belastete.
„Ich glaube, es ist besser wenn du uns zwei Gläser und die Flasche gibst, Tom... das wird ein langer Abend", er seufzte leicht, nahm die Flasche und zwei Gläser und schob die junge Frau dann vorsichtig wieder zu dem abgelegenen Tisch.
„Willst du mir erzählen, was passiert ist?", fragte er, als er die beiden Gläser mit Whiskey füllte.
„Ich kann nicht", sie schüttelte kraftlos den Kopf.
„Ist es so schlimm?"
„Ich kann es einfach nicht... ein Zauber hält mich davon ab", gestand sie leise.
„Ein Zauber?", seine Augen flogen aufgeregt über sie, suchten Verletzungen ab, „Hat dir jemand etwas getan?"
„Ich bin unversehrt... zumindest körperlich.", sie kippte den Whiskey hinunter, ließ das Glas gleich wieder von ihm auffüllen, „Aber... was machst du eigentlich hier?"
Er versteifte sich ein wenig, „ich musste einfach mal den Kopf frei kriegen...", Hermine musterte ihn, so hatte sie ihn noch nie gesehen, „Tonks und ich haben uns ziemlich gestritten."
Sie seufzte, „willst du darüber reden?"
Er nahm einen tiefen Atemzug, „sie versteht einfach nicht, dass ich ihr bestimmte Sachen nicht bieten kann...", leerte das Glas und schüttete wieder nach, „es ist jedes Mal dasselbe Thema... ich bin es leid, mich immer zu wiederholen."
„Das klingt so als würdest du Schluss machen wollen", stellte Hermine sie schluckend fest.
„Manchmal denke ich darüber nach", er nickte gedankenverloren, leerte das nächste Glas und füllte wieder auf.
„Remus", hauchte sie, „das kannst du nicht machen!"
„Warum nicht? Es führt immer nur zu Streit und es ist immer dasselbe Thema... ich bin es leid ihr zu sagen, dass es nicht geht. Warum versteht sie das nicht?", fragte er erbost, ballte die Hände zu Fäusten, knackte mit dem Nacken.

Wein und Honig//Sehnsucht und Balsam//Lust und Leid/Von Versprechen und VerratWo Geschichten leben. Entdecke jetzt