39| 𝙽𝚎𝚠 𝚈𝚎𝚊𝚛𝚜 𝙳𝚊𝚢

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Es war halb Vier am Mittag als ich meine Jacke anzog und mich auf den Weg machte. Mir ging es wirklich schlecht. Es hatte mir auch nicht geholfen Subin am Morgen zu sehen. In seinen Augen konnte ich erkennen wie sehr er darunter litt, dass es mir wieder so schlecht ging. Da das ganze ein Teufelskreislauf war kamen dadurch noch mehr Erinnerungen hoch.
Wir frühstückten noch zusammen, dann musste er auch schon zur Arbeit. Seungwoo hatte ich auch noch kurz im Treppenhaus getroffen, dann waren meine engsten Freunde weg. Als ich bei Chaeyoung klingte ging niemand an die Tür und ich wurde noch mehr verbittert als ich es so oder so schon war...
...deshalb hatte ich dann das Haus auch so früh verlassen.
Zwar ärgerte ich mich auch etwas über mich selbst, da es wirklich schrecklich war durch den eiskalten Regen zu laufen, aber die Tatsache, dass Wooyoung mich mit seiner nervigen Art ablenken konnte nach diesem Marsch trieb mich dennoch voran.
"Na sieh einer an. Was machst du denn draußen unterwegs?" Eine nervige Stimme tauchte neben mir auf und ich zuckte zusammen.
"Gehe jemanden besuchen", antwortete ich nur knapp und zog mir die Kapuze tiefer in mein Gesicht um Lina nicht sehen zu müssen.
"Ach, zu deinen neuen Lover? Klappt es denn nicht mit deinen zwei?" Ihre Stimme war voller Spott.
Ich blieb stehen. Zwei Sekunden später drehte ich mich zu ihr um und versuchte Ruhe zu bewahren.
"Hör zu. Ich weiß wirklich nicht was ich dir je getan habe, deshalb lass mich einfach in Ruhe. Oder sag es mir, aber das was du abziehst ist eigentlich nur traurig und kindisch. Vor allem in diesen Zeiten sollten wir eigentlich zusammenhalten." Ich sah sie direkt an.
"Du heulst doch nur deinem toten Freund hinterher, also erzähle du mir nichts von Zusammenhalt."
"Sink nicht noch tiefer." Ruhig schüttelte ich meinen Kopf bevor ich einfach weiter ging.
"Weißt du was sie sagen über dich?"
Ich ignorierte sie. Mit meiner Hand umfasste ich schon mein Smartphone.
"Du bist jämmerlich. Eine Schlampe die zwei echt nette Männer gegeneinander ausspielt. Ist dir einer nicht genug? Oder nein! Sind dir zwei nicht genug? Musst du hier auch noch San, Hongjoong, Seonghwa, und Wooyoung manipulieren? Dein Freund muss wirklich dumm gewesen sein sojemand erbärmliches und manipulatives geliebt zu haben."
Das war ein Wort zu viel ich drehte mich um und wollte auf sie zustürmen. Allerdings kam ich nicht weit. Jemand umfasste meinen Arm und zog mich zurück. Im nächsten Moment schob Hongjoong mich hinter sich und jemand anderen in die Arme.
"Ist das dein Ernst?", hörte ich Hongjoong Lina anfauchen. "Wir haben Streit und weil es dir nicht passt, dass der Rat, in dem übrigens auch dein Bruder sitzt, beschlossen hat nicht dich zu wählen sondern sie, lässt du es an ihr aus?"
"Sie hat es nicht verdient! Was kann sie schon? Huh?" Lina wurde laut.
"Was sie kann? Sie hat in dem halben Jahr mehr bewirken können als du in deinen ganzen zwei Jahren nach deiner Ausbildung..."
"Hör nicht hin", Wooyoung zog mich näher an sich.
"Ich will hier weg", krächzte ich nur leise und krallte mich an seiner nassen Jacke.
"Hongjoong, ich bringe sie weg von hier", rief Wooyoung direkt dazwischen.
"Ja, ist besser so... Jae, es tut mir wirklich leid."
"Dir tut es leid? Ihr sagst du das...?"
Wooyoung schnappte nur nach Luft und zog mich einfach mit sich. Alles rauschte nur noch an mir vorbei und ich kam erst wieder in der Realität an als ich zitternd bei Wooyoung auf dem hellgrauen, weichen Sofa saß und eine Tasse Tee in der Hand hielt.
"Du zitterst immer noch..." Wooyoung legte mir eine orangefarbene Kuscheldecke um die Schultern und setzte sich neben mich. "Willst du etwas essen? Ich war gerade einkaufen."
"Sie... Sie hat schlecht über ihn gesprochen, Wooyoung. W-wie kann man nur? Er lebt nicht mehr und sie ist so herzlos", Tränen rannten über meine Wangen.
"Vergiss sie einfach. Lina ist schon eine Weile echt unmöglich. Auf das was sie sagt kannst du so oder so nichts geben." Wooyoung legte einen Arm um mich bevor er seinen Kopf auf meiner Schulter platzierte. "Du kannst auch gerne baden. Ich gebe dir Sachen von mir, damit deine wieder trocken werden. Wer rennt auch schon mit offener Jacke draußen herum?" Er wischte mit Tränen weg.
"Ich will dir keine weiteren Umstände machen..."
"Machst du nicht", er lächelte schwach. "Dann lasse ich dir jetzt Wasser ein. Du lässt dir so viel Zeit wie du brauchst, und währendessen koche ich für uns."
"Ich habe dich nicht verdient."
Wooyoung hielt inne. Einen Moment später nahm er mir die Tasse ab, umfasste mein Gesicht und zwang mich so ihn direkt anzusehen.
"Das will ich nie wieder hören, okay? Jaewa Marie, in meinen Augen hast du die Welt verdient, also behaupte ja nie wieder das Gegenteil in meiner Gegenwart!"
"Tut mir leid... Ich meinte damit auch nur, dass ich immer so mies zu dir bin... Deshalb. Du bist zu nett."
"Naja, ich nerve dich dafür ziemlich oft. Ich behaupte mal, wir sind quitt." Er lächelte.
"Das sagst du jetzt nur, weil ich mich besser fühlen soll..." Ich umfasste seine Handgelenke und zog seine Hände runter.
"Tatsache, aber es hilft."
"Ein bisschen", ich nickte kaum merklich.
Wooyoung strahlte, dann stand er auf. Fünf Minuten später schob er mich ins Badezimmer mit frischen Klamotten und ließ mich alleine. Ich brauchte genau zwanzig Minuten bis ich mich wieder ganz gefasst hatte und fertig gebadet und umgezogen in den Gang trat. Ich hörte wie Wooyoung telefonierte und lief vorsichtig zurück in den Wohnbereich. Als er mich sah begann er zu lächeln.
"Jaaa, Eomma. Ich sollte jetzt aufhören... Saranghae. Hey! Vergiss es nicht immer zu sagen", meinte er ins Telefon und begann dann Sekunden später zu lächeln bevor er auflegte. "Geht es besser?"
"Mir ist nicht mehr so kalt. Also ja", ich nickte leicht. "Habe meine Klamotten im Bad aufgehängt."
"Ist okay. Essen ist jetzt auch fertig. Setz dich einfach hier hin. Ich hole noch deinen Tee und mache ihn nochmal warm." Wooyoung sprang los.
Ich tat was er sagte und war froh, dass es etwas zum Essen gab. Es beruhigte mich und ich spürte wie viel Hunger ich eigentlich gehabt hatte. Nach dem Essen half ich unter Wooyoung's Protest noch die Küche aufzuräumen bevor wir dann zusammen auf dem Sofa saßen und aus seinem riesen Panoramafenster im Wohnzimmer sahen. Mittlerweile war es auch stockdunkel draußen.
Ich war in genau diesem Moment froh hier zu sein. Wooyoung tat mir gut... Und ja, Subin hatte recht. Ich mochte ihn. Vielleicht nicht mehr wie es sich mein bester Freund erhoffte, aber ich konnte zumindest mal dazu stehen.
Irgendwann fand meine Hand schließlich seine. Ich vertraute ihm nach allem voll und ganz. Es fühlte sich genau jetzt richtig an.
"Subin hat mal vor ein paar Monaten erwähnt, dass du nachgehakt hast was während Stunde Null passiert ist.. ", begann ich leise.
"Das ist wirklich schon eine Weile her. Du musst das jetzt nicht ansprechen... Snacks?"
"Wooyoung..." Ich hielt ihn fest.
Überrascht sah er mich an.
"Du musst nicht darüber reden, wenn du nicht willst. Das weißt du doch." Er rutschte näher zu mir und strich mir über die Wange mit seiner freien Hand.
"Ich will aber..."
Er nickte leicht und zog die Decke wieder richtig über mich.
"Ich war 12. Offensichtlich, und als es los ging an dem Tag waren meine Eltern nicht Zuhause..."

..."Bleib hier du dumme Nuss", schrie Chaeyoung mir nach die den Leuten in den nächsten Bunker unserer Wohngemeinschaft folgte.
Ich riss mich nur los von ihr und eilte die Straße entlang. Irgendwo waren meine Eltern! Sie mussten hier sein. Das wusste ich. Als ich den Laden allerdings betrat hörte ich Schüsse. Erschrocken blieb ich stehen. Mein Herz raste wie verrückt im nächsten Moment passierten zwei Dinge. Ein schwarz gekleideter Mann trat vor die Kassen mit einer gezogenen Waffe und jemand umfasste meine Hand und zog mich sofort wieder zum Eingang. Schüsse fielen, aber es musste mir jetzt egal sein. Das wusste ich. Der Junge der mich mit sich zog hielt meine Hand so fest es nur ging. Meine Füße brannten wie Feuer und die Sirenen dröhnten weiter in meine Ohren.
"Hier lang", der Junge zog mich um die Ecke und sprintete zwischen zwei Häusern weiter.
"I... Ist es noch weit?", fragte ich völlig außer Atem.
"Nein. Die Straße noch. Der Onkel eines Freundes hat einen Bunker auf seinem Gelände. Er ist auch offiziell, aber nirgends verzeichnet. Wir werden Glück haben..."
Und das hatten wir wirklich. Schwer atmend stolperten wir die Treppen in den Bunker herunter wo ein älterer Mann uns noch rein gelassen hatte.
"Hanse... Wen hast du denn da mitgebracht?", fragte eine freundlich wirkende, ältere Frau.
"Das ist meine Freundin aus der Schule. Ich habe sie gefunden, weil sie auch nach ihren Eltern gesucht hat... Aber sie leben nicht mehr... Keiner von ihnen", erklärte der Junge leise und drückte meine Hand.
Tränen rollten mir über die Wangen. Er hatte recht und das wusste ich.
"Das tut mir leid... Ihr könnt zu den anderen Kindern nach hinten gehen. Wir bleiben hier und bewachen das Funkgerät", der ältere Mann kam ebenfalls die Treppe runter.
Wir nickten nur und taten was er sagte. Im Nebenraum fanden wir eine Familie vor und drei andere Waisen. Außerdem ein jüngeres Ehepaar. Jaeyoung und May. Sie halfen uns kurz uns zurecht zu finden bevor ich dann auf eine der Matratzen ganz am Rand saß und versuchte zu realisieren was gerade passiert war.
"Ich bin Do Hanse." Der Junge der mich gerettet hatte setzte sich neben mich. "Dich stört es hoffentlich nicht wenn wir uns die Matratze teilen... Ich kann auch auf dem Boden schlafen."
"Nein... Ist okay", ich lächelte ihn leicht an. "Ich bin Park Jaewa Marie."
Er lächelte zurück im nächsten Moment wirkte er allerdings schockiert. Vorsichtig nahm er meine Hand in seine.
"Du blutest..."
Und erst jetzt fiel mir der Schmerz an meiner linken Seite auf. Ich wurde bei der Flucht angeschossen...

..."Naja, so haben wir uns kennengelernt. Ich habe am Tag darauf Fieber bekommen. Hanse ist mir nicht eine Sekunde von der Seite gewichen. Wäre er nicht gewesen, dann wäre ich jetzt nicht hier." Ich strich mir durch die Haare mit meiner freien Hand. "Sie hätten mich entweder erschossen, oder ich hätte keinen Bunker mehr erreicht, oder ich wäre an dem Fieber gestorben, wenn nicht jemand Tag und Nacht nach mir gesehen hätte."
Wooyoung's Blick ruhte nur auf mir bevor er meine Hand losließ und mich in eine Umarmung zog.
"Chae hat ihn gehasst, weil sie der Meinung war er hätte mich verleitet zu irgendwelchen Dummheiten und das meine ganze Jungend über. Dabei war das Gegenteil der Fall... Vor allem als ich mich mit Subin verstand war ja fast nichts sicher vor uns..." Ich presste meine Lippen aufeinander. "Hanse hat mich oft wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt... Und als wir dann vor acht Jahren uns zur Stunde Null Mal wieder aus dem Lager geschlichen haben... Naja, da sind wir eben zusammengekommen. Und die Ironie an der ganzen Geschichte ist, dass wir gerademal zehn Tage verheiratet waren und das nach all dem was wir erlebt haben. Das ist nicht fair."
"Jae, was ist schon fair auf dieser Welt?" Wooyoung legte seinen Kopf auf meinem ab.
"Du bist fair zu mir. Warum auch immer..."
"Ich mag dich eben, und wenn ich jemanden mag, dann kann der sich auf den Kopf stellen. Mich wird man nicht so schnell los."
Ich schob ihn ein bisschen weg und sah auf. Wooyoung's Blick war einfach nur liebevoll. Ohne es zu wollen lächelte ich leicht.
"Träume ich gerade, oder lächelst du wirklich?", neckte er mich.
"Yah! Mach es nicht kaputt!" Ich schlug ihm auf den Arm.
"Tut mir leid. Ich muss nur sicher gehen... Oh, und frohes neues Jahr." Er grinste los.
"So spät schon?"
Er drehte mich leicht, so dass ich draußen das Feuerwerk sehen konnte.
"Frohes neues Jahr...", murmelte ich nur und lehnte mich wieder an ihn. "Danke, dass du für mich da bist."
"Mein Leben lang. Das weißt du."

2.008 Wörter

09. August 2022

I'm The One | ATEEZWo Geschichten leben. Entdecke jetzt