Kapitel 62

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ELISA

Das kalte Tau der Wiese beruhigt meine brennende Haut etwas, doch ich kann nicht sagen, dass es mich im geringsten aufatmen lässt. Mein Blick liegt auf dem blauen Himmel, komplett von Wolken befreit, als hätte es gestern nie gegeben. Alles um mich herum fühlt sich anders an und ich bin mir nicht sicher ob es ein gutes oder ein schlechtes Anders ist. 

Ich liegt nur da, komplett nackt, auf einer Wiese, die ich noch nie im Leben gesehen habe und versuche die Ereignisse von vor wenigen Stunden zu verarbeiten. Solche Schmerzen habe ich noch nie gefühlt, aber auch eine solche Freiheit zu erleben ist etwas ganz neues für mich. Meine Muskeln schmerzen, mein  Körper fühlt sich noch immer sehr empfindlich an und die Müdigkeit droht mich zu übermannen. 

Ehrlich gesagt, habe ich keinen Plan, was ich jetzt machen soll. Alles um mich herum ist mir völlig unbekannt und nackt durch die Gegend zu rennen ist auch nicht wirklich eine Option. Andererseits muss ich aber irgendwas machen. Auch wenn die morgendliche Ruhe und die Möglichkeit einfach nur da zu liegen, als wäre überhaupt nichts, sehr einladend auf mich wirkt. 

Ich weiß was passiert ist. Das Ritual, der Lichtstrahl der verrückten Oberhexe und dann... 
Die Schmerzen sind nicht wirklich etwas, das leicht zu vergessen ist und auch die Veränderung kurz danach hat sich in meinen Gedanken tief eingebrannt. Nur die Stunden danach und wie ich hier auf der Wiese gelandet bin sind etwas verschwommen. Es ist weniger eine Erinnerung als unlogische und zusammenhangslose Szenen, die sich vor meinem inneren Auge immer und immer wieder abspielen. 

Rebekah, wie sie wild auf mich einredet, ein Waldweg, den ich entlang sprinte und lautes Quietschen von Reifen. Grelle Lichter und tiefe Dunkelheit. Angst, Bedrohlichkeit und Leichtigkeit. Und auch die Stimme von Kol spukt bei den Szenen herum. Da er jedoch wahrscheinlich immer noch in Frankreich ist, kann ich mir nicht vorstellen, dass er die letzte Nacht da war.  Alles zusammen lässt nicht wirklich auf eine logische Nacht schließen. Es könnte auch genauso gut eine wilde Partynacht gewesen sein, bei der ich bis zum Gedächtnisverlust getrunken habe. 

Ich wusste, dass man die Kontrolle über sich selbst verliert, wenn man sich in einen Werwolf verwandelt, was ich jedoch nicht wusste ist, dass man sich auch nicht mehr daran erinnern kann, was passiert ist, während man als Werwolf unterwegs ist. Genauso wenig wusste ich, dass ich wohl einen Werwolf als Vater habe. Dass ich selbst ein Werwolf bin.

Die Erkenntnis trifft mich nicht so hart, wie ich es erwartet hätte. Nachdem ich von den verschiedensten übernatürlichen Wesen und meiner eigenen Blutlinie erfahren habe, bin ich wohl dementsprechend abgestumpft. Was das für mich in Zukunft bedeuten wird weiß ich leider auch. Andi hatte mir schon vor langer Zeit erklärt, was es bedeutet, ein Werwolf zu sein. 

Ich richte mich auf und schaue mich auf der Wiese um. Sie ist umgeben von Bäumen. Nur etwas weiter weg kann man eine Straße entdecken. Eine kleine Windböe weht meine Haare nach hinten. Das vom Tau noch nasse Gras kitzelt an jeder Stelle meines Körpers. Ich ziehe meine Beine an und schlinge meine Arme um sie. Das Brennen in meinem Körper hat schon wieder aufgehört und erst jetzt bemerke ich die Kälte, die sich um mich schleicht. 

Ich habe wirklich keine Ahnung, was ich jetzt tun sollte, also warte ich einfach ab und hoffe, dass Bekah auftaucht. Ich bin mir einigermaßen sicher, dass sie mich finden wird, weshalb ich mir nicht so viele Sorgen mache. Schließlich habe ich sie in dem Wirrwarr von den nächtlichen Erinnerungen gesehen. 

Ein weiterer Windzug geht und Gänsehaut bildet sich an meinen Armen. Weiter weg kann ich trommelnde Schritte hören und als ich mich umdrehe, sehe ich Bekah anlaufen. Ich wusste das sie kommt. 

Ich stehe auf und springe ihr in die Arme. Sie kann mich noch rechtzeitig abfangen und drückt mich feste an sich. "Alles okay?" fragt sie außer Atem und ich nicke hastig. Bekah trägt einen schwarzen Parker, den sie sobald ich sie loslasse, auszieht und mir übergibt. Dankend ziehe ich mir diesen an und ziehe ihn komplett zu. Er geht mir bis zu den Knien und bedeckt meinen Körper ausreichend. 

Fear Me (ff Kol Mikaelson)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt