Kapitel 73

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ELISA 

Im Auto war ich nur einen Moment lang verwirrt, bis alles zu mir zurückkam. Ich weiß nicht ob es der exakte Moment war als Kol mich in den Arm genommen hatte oder erst, als ich meinen kleinen Bruder in dem Armen von Bekah sah. Wirklich wahrnehmen konnte ich keinen im Auto. Das einzige was ich sah, war der kleine, von Staub bedeckte Körper, der eigentlich das letzte gute in meinem Leben war. 

Ich nahm ihn Bekah weg und schloss ihn feste an mich. Ich wollte ihn nicht gehen lassen, doch ich wusste auch, dass er schon längst weg war. Die anderen sagten nichts. Nicht während der Autofahrt und nicht als ich meinen Bruder in das Haus trug, dass eigentlich sein neues zu Hause hätte werden sollen. 

Mir entwischte keine einzige Träne, als ich mit meinem Bruder in sein neues Zimmer ging und mich auf sein neues Bett setzte. Erst jetzt, als der Körper aus meinen Armen genommen wird läuft mir eine einzelne Träne die Wange hinunter.

Der Weg dieser Träne ist langsam und als sie über meine Wange gleitet, kommt mir die Frage, welchen Sinn sie überhaupt noch macht. Als sie an meinem Kinn hinuntertropft, weiß ich nicht mal mehr, warum sie geflossen ist.

Ich bin mir nicht sicher, wie lange ich einfach nur da gesessen habe, aber erst als mir Kol seine Hand auf die Schulter legt, erwache ich aus meiner Trance. In seinen Augen finde ich Trauer und Wut, vielleicht auch noch Mitleid. Wieso spüre ich nichts davon? 

"Elisa ich..." beginnt Kol, doch bricht ab, als ich aufstehe und ihm in die Augen schaue. "Ich habe Hunger!" Einen Moment lang schauen wir uns nur gegenseitig an. Kols kalkulierender Blick sucht mein Gesicht ab. Als ob er nach Anzeichen suchen würde, die auf einen baldigen Zusammenbruch hinweisen würden. 

Dann nickt er nur, nimmt meine Hand und zieht mich in Richtung der Treppe. Ich blicke auf unsere Hände hinab. So viele Dinge, die ich gespürt habe, wenn wir uns berührt haben, sind einfach weg. Alles ist so leer und grau geworden und ich kann einfach nicht die Motivation aufbringen, dass es mich stört. 

Wir kommen im Wohnzimmer an und dort sind alle zusammen versammelt. Kaum sind wir eingetreten, verstummt jedes Gespräch und sieben Augenpaare starren uns an. "Du hast noch das zu beenden, was du angefangen hast, Nik."  eröffnet Kol, ungestört von den stechenden Blicken.

"Wie wahr!" antwortet Klaus, der mit überschlagenen Beinen gerade auf dem Sofa sitzt und nur kurz vorher etwas mit Bekah am besprechen war. Dann plötzlich springt er auf und ist mit einem kräftigen Windzug verschwunden. Als er kurz darauf wieder herkommt, hält er ein Reagenzglas in der Hand, welches eine dunkle Flüssigkeit in sich aufbewahrt. Man braucht keine Wissenschaft um zu wissen, was für eine Flüssigkeit da drin ist. 

"Ein Geschenk einer alten Freundin," erklärt Klaus mit einem Grinsen auf den Lippen, "ein wertvoller Tropfen, der nur für ganz besondere Personen wie dich bestimmt ist." Er zwinkert mir zu. Ohne eine einzige Reaktion nehme ich ihm das Reagenzglas aus der Hand, öffne den Verschluss und kippe mir den Inhalt mit einem mal runter. 

Ein überwältigendes Gefühl breitet sich in mir aus. Einen kurzen Moment nehme ich alles viel stärker war als sonst. Es ist, als würde ich mein Herz zum ersten Mal seit langem wieder schlagen spüren. Als wären meine Adern vertrocknet und in dem Moment, als ich das Blut geschluckt habe, wäre ein Damm gebrochen und hätte meine Adern mit Leben geflutet. 

Das Rascheln von kleinsten Bewegungen hört sich an, als würde eine liebliche Melodie aus Existenzen in meiner Umgebung ertönen und alles was ich sehe ist die Vielfalt der Farben, die plötzlich ein eigenes Leben und einen eigenen Charakter entwickelt zu haben scheinen. Mit einem einzigen Atemzug kann ich tausende verschiedene Gerüche verspüren und einen Moment lang bin ich mir nicht sicher, ob ich die Farben nicht riechen, die Gerüche hören und Geräusche um mich herum nicht sehen kann. Es ist, als wäre ich auf Ecstasy.  

Fear Me (ff Kol Mikaelson)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt