Kapitel 47

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ELISA

Ich bin gestern sehr früh ins Bett gegangen. Ich habe weder bemerkt, wie meine Freunde, abgesehen von Andi wieder herkamen. Noch habe ich bemerkt, wie Izzi und Sally wieder verschwunden sind und erst spät in der Nacht zurück kamen. 

Denn kaum bin ich in meinem Zimmer auf mein Bett gefallen, schlossen sich meine Augen und die Dunkelheit umwickelte mich in ihrer dunklen Leere. Es tat gut, einen Moment lang nichts mehr zu spüren und als ich heute morgen aufgewacht bin, konnte ich mich nur mit Wiederwillen aus dem Bett bekommen. 

Wenn ich mich jetzt so im Badezimmerspiegel betrachte, muss ich sagen, dass ich genauso aussehe wie ich mich fühle. Scheiße. 

Der einzige Gedanke, der in meinem Kopf Platz findet, ist mein kleiner Bruder. Ich bin mir sicher, dass es das beste für ihn ist, doch ich will es eigentlich auch einfach nicht wahr haben. Mein Bruder war das einzige, was ich noch hatte und ihn jetzt auch noch zu verlieren tut höllisch weh.

Doch ich Schlucke dieses Gefühl hinunter und versuche mich zusammenzureißen. Mit einem tiefen Atemzug und damit etwas neu gewonnener Energie fahre ich mit meiner Haarbürste durch meine widerspenstigen braunen Haare. Sie fallen schlaff an meinen Schultern herunter und man könnte fast meinen, dass sie blasser sind als sonst. 

Dann putze ich mir die Zähne und spritze mir Wasser ins Gesicht, damit ich mich wenigstens etwas frischer fühle als ich aussehe. Mit einem letzten geschlagenen Blick in den Spiegel verlasse ich das Bad und schlurfe in mein Zimmer, um endlich aus meinem Schlafanzug rauszukommen. 

Ich entscheide mich für eine skinny jeans und ein schwarzes Top. Darüber ziehe ich einen weißen Adidas-Pullover, dessen Kapuze ich mir über den Kopf ziehe. Zuletzt schließe ich noch einmal kurz die Augen, sammle all meine Kraft und begebe mich nach unten. 

Meine Freunde warten schon auf mich. Jeder einzelne am Küchentisch situiert und bereit so zu tun, als wäre alles normal. Als wäre nicht mein Vater vor kurzer Zeit gestorben, meine zweite Heimat wahrscheinlich mit den Leuten, die einer Familie noch am nächsten kamen innen drin, nicht verbrannt und mein kleiner Bruder nicht manipuliert und gegenüber ohne Ahnung, dass ich überhaupt existiere. 

Natürlich bin ich ihnen dankbar. Niemand tut mehr in diesen Tagen für mich, doch ich kann einfach keine Wärme für sie aufbringen. Ich fühle mich einfach zu leer und zu kalt um ihnen irgendetwas wiederzugeben. 

"Andi hat French Toast gemacht." lächelt Izzi und zieht einen freien Stuhl für mich zurück. Ich setze mich mit einem gequälten Lächeln zu ihnen und versuche meine Laune, an die meiner Freunde anzupassen. 

"Und der Tee ist auch für dich, Eli." ergänzt Sally und tippt mit einem Brotmesser in der Hand an die Tasse. "Danke" hauche ich und fange an an dem Toast zu nagen, nicht wirklich mit viel Lust oder Hunger. 

Zu meiner Überraschung sitzt auch Clair am Tisch und lächelt mir leicht schüchtern zu. Die Cousine meiner Schwester hat sich lange nicht mehr blicken lassen, doch da sie die gleiche Trauer durch macht, wie auch ich, kann ich sie gut verstehen. 

Sie knabbert leise an ihrem eigenen Toast und nimmt immer wieder einen Schluck aus ihrer Tasse. Sie hält sich genauso wie ich aus den Diskussionen meiner Freunde raus und zwischen allen scheint ein stilles Übereinkommen geschlossen zu sein, dass sie versuchen die Stimmung zu erheitern, indem sie gekonnt nicht über die schwierigen Themen unserer beiden Familien reden. Ich kann verstehen warum sie es tun, doch helfen tut es mir nicht. 

Doch um ehrlich zu sein, wüsste ich nicht, was mir überhaupt noch helfen kann. Ich habe gar keine Lust mit irgendwem zureden, geschweige denn mit jemandem über meine Verluste zu sprechen. Ich muss mich einfach auf den Plan von Klaus und mir konzentrieren, sodass ich nicht viel Zeit zum Nachdenken habe. 

Fear Me (ff Kol Mikaelson)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt