Kapitel 40

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ELISA

Mit schnellen Schritten laufe ich die Treppe hinunter und schnappe mir meine grüne Bomberjacke. "Ich muss zur Arbeit." rufe ich durchs Haus. Wenige Sekunden später steckt Dad seinen Kopf durch die Tür des Wohnzimmers. 

"Aber heute ist doch Sonntag?" empört er sich und schaut derweilen auf seine neue Uhr. "Wir haben schon fünf Uhr. Das ist doch viel zu spät." Vor vier Wochen wäre ich jetzt wahrscheinlich schon ausgeflippt und hätte ihm Vorwürfe gemacht, dass er sich acht Jahre zuspät dafür interessiert, wann seine Tochter arbeiten muss. Doch nach einem Monat bin ich tatsächlich etwas offener geworden. 

Bis jetzt hat er all seine Versprechen gehalten, fand einen Job und kochte jeden Abend etwas anderes zu Essen. Seit dem haben sich ein paar Dinge geändert. Statt auf der Couch darf er wieder im Bett meiner Eltern schlafen. Ich kann ihm wieder ohne Wut ins Gesicht schauen und wir waren gemeinsam bei den Nachbarn essen. 

"Ronny, kommst du? Ich bringe dich zu den Nachbarn." rufe ich nach oben, damit mein Bruder mich hört. Obwohl Dad schon die letzten Wochen gut beweisen konnte, dass man sich wieder auf ihn verlassen kann, kann ich nicht so weit gehen und ihm Ronny anvertrauen. Er lässt mir aber Zeit und drängelt nicht, er sagt kein Wort, wenn ich Ronny jedes Mal den Nachbarn übergebe. 

"Wann bist du zurück? Dann werde ich das Essen später machen." fragt Dad doch ich winke nur ab. "Nein, das musst du nicht. Ich komme erst nachts zurück, also koch nur für dich. Ich werde mir einfach was bei Conny's machen." Mit einem Lächeln drehe ich mich zur Tür und will gerade gehen, da ruft Dad nochmal meinen Namen.

Er schaut mich schüchtern an und hat seine Hände hinter dem Rücken versteckt. Er wippt leicht nach vorne und nach hinten und einer seiner Füße tippt immer wieder nervös auf den Boden. "Was ist?" frage ich verwundert. Ich höre, wie er drei mal tief einatmet und dann kommt er einen Schritt auf mich zu. Er streckt eine Hand nach vorne und hält etwas in seiner Hand. 

Als er seine Hand öffnet, erkenne ich eine Kette, an der ein kleiner silberner Anhänger hängt. An dem Anhänger ist ein kleiner schwarzer Stein, welcher je nach Lichtverhältnissen die Farbe leicht verändert. Er ist perfekt abgestimmt mit dem Armband, das immer um mein Gelenk liegt. Es sieht fast aus, als wäre es aus dem gleichen Set. 

"Was ist das?" frage ich verdutzt, doch die Faszination kann ich nicht verbergen. "Die ist für dich," erklärt er, "Ich habe sie von einem Teil meines ersten Gehalts gekauft. Ich hoffe sie gefällt dir." 

"Sie ist wunderschön." bestätige ich und deute meinem Vater an, sie mir umzulegen. Grinsend legt er sie um meinen Hals, während ich mir meine Haare hochhalte. Dann drehe ich mich um und umarme ihn. 

Feste. 

Es ist die erste Umarmung seit acht Jahren und das Gefühl ist überwältigend. Alle Last fällt von meinen Schultern und ich fühle mich frei, warm und geborgen. Wie lange habe ich mich nach seiner beruhigenden Schulter gesehnt. Ich hoffe nur, dass er es diesmal schafft. 

Mit Tränen in den Augen und einem Lächeln auf den Lippen bringe ich Ronny zu den Nachbarn und fahre dann in Richtung Conny's. Ich lächle die gesamte Fahrt über und selbst als ich am Tresen stehe und Bob's Saufgeschichten zuhören muss, höre ich nicht auf zu lächeln. 

"Da hat heute aber jemand gute Laune." trällert Conny, als sie eine Minute Ruhe findet. Ich nicke und strahle sie an: "Mein Vater ist seit einer Woche trocken." Conny's Augen werden groß und dann zeigt sie ihre schiefen Zähne. Laute Schreie, die Conny immer als Lachen verkaufen will, erfüllt die kleine Bar. 

"Oh Süße, und ich hab im Lotto gewonnen und wurde auf dem Hinweg auch noch vom Blitz getroffen!" scherzt sie, doch als sie merkt, dass ich es ernst meine, versteinert ihre Mine sofort. "Du verarschst mich doch." murmelt sie und mustert mich ungläubig von oben bis unten. 

Fear Me (ff Kol Mikaelson)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt