Kapitel 75

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WATERHOUSE

Die Stille hat einen unruhigen Hang zu unangenehmer Gesellschaft. Die Schwärze der Nacht lässt den Friedhof jedoch nicht verschwinden. Stattdessen wirkt er durch die warmen Lichter der Kerzen, die einzige Erinnerung an die Verstorbenen, einladend und beruhigend. Einladend, um die Verstorbenen zu betrauern und beruhigend, sodass man in der Trauer nicht ertrinkt. 

Schritte sind zu hören. Langsame, viele Schritte. Ein paar sind unbeholfen, andere sind stolpernd, viele sind rhythmisch. Sie alle versammeln sich vor einem bestimmten Grab. Der Stein ist frisch gemeißelt und hat kein einziges Anzeichen von der typischen Verwitterung der anderen an sich. Der Name ist bei vielen bekannt, von vielen gefürchtet und genauso vielen verehrt.

Anitja Waterhouse. 

Die alte Dame, die den Clan so lange beschützt und geführt hat und durch Hass und Vergeltung kaltblütig ermordet wurde. Jede gesprochene Prophezeiung von ihr entsprach der Wahrheit, trotzdem hat sie uns nicht helfen können. Sie wusste es damals. Sie wusste es, als sie die kalten blauen Augen unseres Verderbens das erste mal erblickt hatte. Sie wusste, dass sie durch diese Hände sterben würde.

Kaum hat sich die Scharr der Hexen ruhig um das Grab aufgestellt, tritt eine Hexe aus der Anonymität der Gruppe heraus und lässt die rote Kapuze ihres Mantels auf ihre Schultern fallen. Stolz, schreitet sie neben den grauen Grabstein und stellt sich entschieden neben ihn. 

Ihre Augen schweifen über die unruhige Menge. Eis gräbt sich in jede Hexe, die von dem Blick der Oberhexe getroffen wird. Ihre Augen funkeln mit Triumph und unangebrachter Arroganz. 

"Es ist vollbracht. Unser aller Gegner ist besiegt. Gestorben ist sie unter einem Trümmerhaufen einer klug gestellten Falle des Clans. Sie hatte keinerlei Chance gegen unsere Stärke, unseren Mut und unsere Ideenvielfalt." 

Sie lächelt in die Menge, als würde sie ihren eigenen Worten Glauben schenken. Als würde sie den Mist wirklich glauben, den sie ihren Anhängern erzählte. Als würde sie nicht wissen, dass ihre Gegnerin eine gesamte Halle zu Fall gebracht hat und einen großen Teil des gesamten Clans ausgelöscht hat. 

Mütter, Väter und Töchter starben in den grausamen letzten Momenten des Syphoners und die Oberhexe lässt es aussehen wie ein Sieg. 

Doch die Köpfe bleiben gesenkt und die Lippen verschlossen. Jeder denkt es, doch niemand sagt es. Alle bleiben ruhig, denn sie haben vertrauen in ihre Ahnen. Wenn sie finden, dass die Oberhexe richtig gehandelt hat, dann wird es wohl stimmen. 

Die Oberhexe fährt mit ihrer Rede fort. Sie erzählt ihren Leuten von den großen Dingen, die sie von nun an vor hat. Davon, dass sie den Clan wieder zur vorherigen Stärke führen will und welche neunen Pläne sie nun hat. 

Die Menge bleibt ruhig. 

Erst als sie mitten in ihrer Zukunftsrede stockt, so blass wie die tief Vergrabenen wird und ihre Augen weit aufreißt, zeigen sich Reaktionen. Gemurmel erfüllt die Stille des Friedhofs und übertönt die zirpenden Grillen, die sich von der angespannten Stimmung nicht von ihrer nächtlichen Melodie abbringen lassen. 

Als die Oberhexe zu Boden geht, rennen ein paar treue Lakaien zu ihr und helfen ihr wieder auf. "Was ist passiert?", "Was hast du gesehen?", "Haben die Ahnen etwas gesagt?" 

Die Oberhexe zittert. Nichts mehr übrig von der Arroganz und der Selbstsicherheit von vor nur wenigen Minuten. 

"Augen!" haucht sie. 

Die Menge schaut sie fragend an, nur ein paar trauen sich ihre Verwirrung zu äußern. 

"Blaue Augen. Rote, gelbe Augen, die von Hass erfüllt sind." ruft die Oberhexe panisch. 

Fear Me (ff Kol Mikaelson)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt