twentyseven

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„Ich verstehe ihn einfach nicht, Hanji! Erst heute Morgen hat er mich gegen die Wand gedrückt, mir das Messer an die Kehle gehalten. Und jetzt tut er so, als sei nichts gewesen. Ich... Ich weiß nicht, was ich machen soll. Das ist doch nicht normal!", sprach er mit einem verzweifelten Unterton zu der Braunhaarigen, die verstehend nickte, die Hand des anderen hielt. „Ich kann verstehen, was in dir vorgeht. Ich will Levi auch nicht in Schutz nehmen, weil das was er tut, sicher nicht fair und gerecht ist. Versuche ihn erst gar nicht zu verstehen – das schafft keiner. Nicht mal ich und ich kenne ihn schon seit vielen Jahren." Eren fuhr sich mit beiden Händen durchs Gesicht und schniefte mit der Nase.
Nachdem er sich durch den Tag quälen musste, war er schleunigst zu Hanji gegangen. Er brauchte jemanden zum Reden. Und das konnte er hier am besten mit ihr. Eren wusste, dass die Braunhaarige ihm auch nicht viel weiterhelfen konnte. Aber sie kannte die Situation, kannte Levi und wusste, was in Eren vorging – das machte einiges leichter. So hatte Eren jemanden, bei dem er sich alles von der Seele reden konnte.

„Ich weiß es doch. Ich wusste es schon von Anfang an. Levi ist kein Mensch. Er tötet, ohne zu zögern. Menschen! Ich habe keine Ahnung, warum ich auch nur im Ansatz gehofft habe, es gäbe einen Teil in ihm, der seine Taten abstoßend findet", erzählte er weiter. Sein Blick ging gerade aus, schaute gegen die Wand. Die Braunhaarige, welche sich neben den Jüngeren hingesetzt hatte, seufzte. Sie meinte es ernst, die verstand Eren. Sie wusste, was Levi war, was er versuchte zu sein. Doch sie konnte ihn nicht verurteilen, wenn sie selbst solche Taten vollbracht hatte. Auch wenn sie die ganze Geschichte kannte. Dass sie die Mörderin von Fisher war, hatte sie Eren noch nicht gesagt. Das wollte sie aber in naher Zukunft machen. Doch wäre es falsch, sowas Eren in seiner jetzigen Verfassung aufzubürden. Das würde seinen Zustand wahrscheinlich sogar verschlimmern. Und das wollte sie ihm nicht antun.

„Vielleicht sollte ich einfach aufhören zu hoffen, dass sich Menschen ändern können. Dass das alles nur ein schlechter Witz ist. Dass ich irgendwann meinen besten Freund wiedersehen kann. Diese ganze Hoffnung ist Mist. Sie bringt uns nur dazu, an etwas zu glauben, was nicht existiert." Die Worte des Braunhaarigen taten weh. Sie saß hier mit Schweigen. Sie fühlte sich schuldig. Verantwortlich dafür, dass es dem Braunhaarigen gerade so scheiße ging. Auch wenn es eher jemand anderes sein sollte, der diese schwere Last zu tragen hatte.

„Weißt du was, Eren? Wir trinken jetzt einen Kakao und schauen einen Film!", entschied sie einfach, stand mit einem breiten Grinsen auf. Mit hochgezogenen Augenbrauen, roten Augen, sah er zur Braunhaarigen hoch. Eren verstand nun wirklich nicht, wie diese Frau so schnell ihr Gemüt wechseln konnte.
„Jetzt schau nicht so! Das bringt dich auf andere Gedanken. So kannst du etwas entspannen, bevor ich dich wieder zu Levi bringen muss."

Ja... Zu Levi.

...

Wie immer war es der Schall der Schritte, der den Raum ausfüllte. Es herrschte ein Schweigen, was dem Braunhaarigen gar nicht gefiel. Doch sie beide wussten nicht, was sie sagen sollten. Sie beide wussten es. Sie wussten, dass Eren sich gar nicht wohl fühlte. Es ihm seelisch nicht gut ging. Wieder zu Levi zu gehen war gerade das letzte, was er machen wollte. Aber er konnte sich nicht widersetzen. Zu groß die Angst, das kalte Metall wieder an seiner Haut zu spüren. Die Spuren von letztens waren klar und deutlich zu erkennen. Es würde ihn nicht wundern, wenn es Naben werden würden. Ein Zeichen dafür, dass er nicht stark genug war.

Als sie die Räumlichkeiten Levis betraten, ging Eren geradewegs auf seine Matratze zu, setzte sich hin. Levi schaute mit einer hochgezogenen Augenbraue über seine Schulter und sagte: „Brav." Eren atmete tief ein und schloss die Augen. Hanji warf Levi einen Blick zu, der sagte: „Das muss nicht sein." Doch der Schwarzhaarige zuckte nur mit den Schultern. Mit einem Seufzen ließ sich die Braunhaarige neben Levi auf der Coach sinken.

„Es wird noch zu sehen sein", begann sie. Der andere schaute fragend zu seiner Rechten. „Was?", fragte er deshalb. „Die Schnittwunden. Man sollte sie behandeln. Die können sich entzünden", stellte sich klar, nickte zu Eren, der sich weiter in seinen Armen vergrub. Wieder spickte er über seine Schulter, verzog die Lippen. „Was soll's. Verletzungen sind nicht schlimm. Die erinnern einen nur an seine Fehler, damit man's später anders macht", meinte er wie selbstverständlich. Hanji schnaubte sauer. „Mir ist bewusst, dass du mir höhergestellt bist. Aber das sage ich dir jetzt als Freundin: Erens Wunden werden sich entzünden, wenn man sie nicht versorgt! Mir ist egal, was du darüber denkst. Aber ich werde einem Freund helfen, wenn er Schmerzen hat und es ihm nicht gut geht. Falls du's noch nicht gemerkt hast: Es sind ausschließlich von dir verursachte Wunden, die ich bei Eren behandeln muss." Damit stand sie auf, lief auf Eren zu. „Ihr seid ja ein richtiges Dream-Team geworden!", rief der Schwarzhaarige ihr hinterher. „Leck mich, Levi!", schnauzte die Braunhaarige sauer zurück. „Sorry, aber ich stehe nicht auf Brüste!", konterte er mit einem gefälligen Schmunzeln, betrachtete das Messer in seiner Hand.

...

Ein paar Minuten, nachdem Hanji Erens Wunden versorgt hatte, schmückten Erens Hals nun mehrere Pflaster. Den Erste-Hilfe-Kasten räumte sie bereits weg. Der Braunhaarige war inzwischen wieder etwas runtergekommen, dachte nach. An nichts bestimmtes. Es war nur seine momentane Beschäftigung. Immerhin konnte ihm keiner sagen, was er denken durfte. Und es kam sehr viel dabei raus.

Es erklang das bekannte Klingeln seines Handys, womit der Schwarzhaarige das Ding aus seiner Hosentasche holte. „Ich habe ihn. Sind in der Halle", kam es von der Stimme auf der anderen Seite der Leitung. Levi machte einen verstehenden Laut und legte auf. Er rieb sich die Hände, während er auf den Braunhaarigen zu lief. Seine Augen wurden zunehmend größer, desto näher Levi ihm kam. Der Schwarzhaarige stemmte seine Hände in die Hüften, womit er von sich gab: „Ich hab was für dich." Bei dem Unterton konnte er nur Schlechtes vermuten, eine Gänsehaut lief über den Rücken Erens. Diesmal, ohne ein großes Theater zu veranstalten, stand er auf, was Levi mit einem Nicken kommentierte. „Brillenschlange!", sprach er befehlerischen Tones Hanji entgegen. „Du gehst in dein Kämmerchen zurück, dich braue ich heute nicht mehr. Eren und Ich gehen mal kurz wohin." Hanji nickte dies zwar ab, lief bereits zur Tür, doch sie erkannte anhand seines Ausdrucks und der Tonlage, dass Levi weitaus mehr im Sinn hatte. Ob das gut für Eren war, konnte sie nicht einschätzen – die Wahrscheinlichkeit war aber gering.

Mit einem gesunden Abstand lief er dem Schwarzhaarigen hinterher, hatte seine Arme umgriffen und schaute auf den Boden. Sein Kopf spielte verrückt. Was sollte Levi für ihn haben? War es nur eine Ausrede, um Eren zu bestrafen? Hatte er etwas gemacht? Ein Fehler? Er wurde nervös, mit jedem Schritt, den sie durch die Gänge liefen. Unbewusst wurde seine Atmung etwas unruhiger, seine Hände wurden zunehmend nasser.

Nachdem Levi die Tür mittels des Chips geöffnet hatte, hielt er sie für Eren offen, damit er als erstes durchgehen konnte. Noch immer schaute er auf den Boden... bis er eine Stimme vernahm, die er glaubte, nie wieder zu hören. „Eren!" Er schaute auf und blickte in ein blaues Augenpaar, das wohl dem Meer Konkurrenz machen könnte. Mit offenem Mund blieb er auf der Stelle stehen, seine Augen füllten sich augenblicklich mit Tränen.

„Armin...?"

Personalities [Ereri/Riren]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt