Z-E-R-O

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Sie stieß einen schweren Seufzer aus als sie sich ihre Brille von der Nase nahm. Nur kurz schweifte ihr Blick über die nasse Frontscheibe ihres Wagens, ehe sie ihre Stirn auf den Lenker legte. Ihre Augen dabei zusammengekniffen und die Lippen aufeinandergepresst. In ihrem Kopf ging gerade dieser eine Gedanke auf und ab, dabei war das nicht mal ihre Schuld. Am liebsten wollte sie schreien und all ihren Frust in der Stille des Autos ersticken und einfach für einen Moment vergessen. Die Musik laut aufdrehen und einfach zurückfahren.
Und ihre Stimmung wurde auch nicht besser als sie das leise Klingeln ihres Handys vernahm. Sie musste nicht mal auf den Bildschirm schauen, um zu wissen, wer sie gerade anrief. Doch trotzdem tat sie es. Moblit. Es war ihr schon drei Jahre langer fester Freund, der sie gerade anrief. Aber sie nahm nicht ab, dafür war sie zu aufgewühlt – außerdem wusste sie, was er sagen würde. Sie wollte es nicht hören.

Nur einen kurzen Moment später, als das Klingeln aufgehört hatte, bekam sie eine Nachricht. Wieder schaute sie drauf und sah, dass er so eben geschrieben hatte. „Es tut mir leid, ich habe es nicht so gemeint. „Lass uns reden, okay?", las sie mit einem stumpfen Ton vor und warf das Handy in der nächsten Sekunde mit einem abfälligen Schnauben auf den Beifahrersitz. Das konnte doch nicht sein Ernst sein?! Was erlaubte er sich eigentlich?! Es war ihr gerade einfach zu viel, sie musste weg.

So steckte sie den Schlüssel ein und löste die Handbremse, fuhr aus der Einfahrt des mittelgroßen Hauses der Berners. Dabei ignorierte sie das besorgte und reuevolle Gesicht ihres Freundes, der am Fenster stand und immer wieder zu Hanji schaute, suchte wohl nach einer Reaktion ihrerseits. Doch die gab sie ihm nicht und fuhr einfach weiter, drehte das Radio an und ließ ihre Finger zum Takt auf das Lenkrad schlagen.

Es war ein Sonntagabend. Es sollte ein ganz normaler Sonntagabend werden, so wie er es jede Woche war. Die Brillenträgern war von Montag bis Freitag bei der Scouting Legion, und am Wochenende fuhr sie zu Moblit. Natürlich wusste Moblit nicht davon, dass sie bei der SL war– und das sollte auch so bleiben. Doch nun drängte ihr Lebensgefährte sie dazu, zu entscheiden. „Ich brauche dich öfter als nur am Wochenende, Hanji! Ich will neben dir einschlafen und jeden Morgen neben dir aufwachen. Ist das denn wirklich zu viel verlangt?", hatte er gesagt. Der Anblick machte es ihr noch schwerer, in dieser Situation die Fassung beizubehalten. Sie konnte es verstehen, was er darüber dachte. Und es war nicht leicht, ganz und gar nicht. Aber ja, es war zu viel verlangt. Sie konnte nicht einfach die Scouting Legion verlassen und bei ihm einziehen, das ging nicht. Von dem Tag an, wo sie ein Mitglied der Scouting Legion wurde, schwor sie uneingeschränkte Loyalität gegenüber dem Boss und all den anderen. Sie waren ihre Familie. Seit sie noch ein Teenager war, war sie ein Teil von der großen Familie, das wollte sie nicht aufgeben.

Doch Moblit konnte es nicht verstehen. Er konnte nicht nachvollziehen, warum Hanji jeden Sonntagabend losfuhr und erst am nächsten Freitagabend wiederkam. Sie sagte ihm, dass sie immer weit fahren müsste und deshalb nie lange bleiben könnte; das stimmte sogar zum Teil. Den wahren Grund konnte sie ihm nicht sagen, das wäre Verrat. Und sie wollte nicht diese Ehre haben, ihren Freund zum Schafott zu führen. Nicht mit ihr. Da blieb ihr letztendlich nichts anderes übrig als ihn anzulügen. Auch, wenn ihr der Gedanke durchaus gefiel. Wie sie ihn jeden Tag sah, zusammen frühstückten und sich abends irgendwelche Filme ansahen. Aber es ging nicht.

Die ganze Autofahrt über dachte die Braunhaarige darüber nach. Überlegte, ob sie erstmal auf Abstand gehen oder ihm schreiben sollte. Für manche wäre die Antwort wohl offensichtlich, doch für sie nicht. Sie stand im großen Widerspruch und wusste nicht, was sie tun sollte. Deshalb machte sie das Radio noch ein Stück lauter und begann mitzusingen. Und immer mehr wurden die Gedanken, die einst so laut in ihrem Kopf schellten, immer leiser.

...

Als sie dann nach einer stundenlangen Autofahrt wieder in die Tiefgarage einfuhr, atmete sie aus und versuchte diese ganze Anspannung loszuwerden. Denn hier passten solche Gefühle nicht hin. Oder vielmehr, sie wollte es so. Sie dachte, das ginge niemanden außer ihr was an, so verhielt sie sich auch. Auch wenn sie gerade lieber jemanden zum Reden haben wollte.

Personalities [Ereri/Riren]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt