TWENTYONE

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Zur gleichen Zeit befand sich Eren in der Trainingshalle. Er durchlief wie gewohnt seine Routine, um in Form zu bleiben. Auch wenn er hier unten den Himmel nicht sah, den Wind nicht spürte und das helle Sonnenlicht nicht die Räume füllte, fühlte er einen Hauch von Freiheit, wenn er hier war. Wohlmöglich lag es daran, dass dieser Raum so etwas wie sein Rückzugsort geworden war. Andere hatten ihr Zimmer, eine Ecke in ihrer Wohnung oder einen öffentlichen Ort, wo sie gerne hingingen. Eren eben diesen Platz.
Ihn nervte es nur zu Anfang, dass er immer Levi fragen musste, damit jemand ihn begleiten konnte.
Es ging wieder um die Sache mit dem Chip. Seit einen Jahr, und trotzdem kam nichts von Levis Seite aus. Oder war es genau das? Sollte Eren von selbst damit anfangen, oder was sollte das bedeuten? Die Möglichkeit bestand auch, dass Levi sich gar nichts dabei dachte und es so beibehalten wollte, wie es war. Und wenn wir ganz ehrlich wären, war es nur ein kleiner Teil. Trotzdem, Eren dachte sehr oft daran. Oder... vertraute Levi ihm nicht genug? Lag es daran? Egal. Das war jetzt nicht wichtig.

Gute zwei Stunden später war Eren fertig und dehnte sich zuletzt, womit er zum Rand lief und seine Flasche ergriff. Mit einem Schluck rann das Wasser seine trockene Kehle hinab und ließ ihn wohlig aufatmen. Wenn man es einmal hinter sich hatte, fühlte man sich gleich viel besser. So legte er das Handtuch über seinen Nacken und wischte sich damit einmal durchs Gesicht, ehe er seine anderen Sachen ergriff und zur Tür lief. Wie üblich stand dort die Person, mit der Eren jedes Mal zur Sporthalle lief, er hieß Reiner. Zuerst, als Levi ihn Eren vorgestellt hatte, dachte Eren, er wäre sehr angeberisch und nicht sehr nett, doch die verbrachte Zeit bewies anderes. Es stellte sich heraus, dass er mit dem Blonden durchaus eine gute Unterhaltung führen konnte. Manchmal gab Reiner Eren sogar Tipps bei bestimmten Übungen.

Von ihm erfuhr er auch, dass dieser bereits mehrere Jahre bei der Scouting Legion war und so einige Techniken sich angeeignet hatte. Aber was davor war... Darüber redete wohl keiner besonders gerne. Reiner erklärte es mit dem Punkt, dass viele mit ihrem Leben vor der SL unzufrieden waren und deshalb nicht darüber sprachen. Durchaus nachvollziehbar, wenn man bedachte, was dieser Ort eigentlich war. Das hieß aber nicht, dass alle Menschen schlecht waren. Es kam darauf an, aus welchem Blinkwinkel man es betrachtete. Nichts weiter. Und Eren wurde bewusst, dass er mit dem falschen Blinkwinkel in diese Welt eingetreten war. Völlig überliefert mit Vorurteilen und schlechten Gerüchten, die, wenn man einmal länger hier war, alle an Bedeutung verloren – wenn man denn alles besser verstand und die Leute kennenlernte.

„Fertig geschwitzt?", sagte Reiner mit einem breiten Grinsen und gab Eren einen Klapps auf den Rücken. Angesprochener nickte und strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr.

„Wie lange war ich diesmal drin? Ich habe wieder komplett die Zeit vergessen", unbeholfen schaute Eren zu dem Blonden rüber, der einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr warf. „Knappe vier Stunden. Ich würde vorschlagen, dass du es für die nächsten Tage etwas ruhiger angehen lässt. Du trainierst wirklich viel." Der Braunhaarige seufzte. „Ich weiß... Aber es fühlt sich einfach großartig an, wenn man was geschafft hat", lächelte er, während sein Blick durch die Gegen schweifte. Er hörte ein leises Kichern von seiner Linken. „Stimmt schon. Aber nicht, dass ich nachher noch Ärger bekomme, wenn du mir hier mittendrin umkippst." – „Ich glaube nicht, dass Levi dir den Kopf abreißen würde. Momentan darf er sich eh noch nicht richtig bewegen, Hanji hat ihn für die nächsten paar Tage ans Bett gefesselt." – „Wirklich?", Reiner schaute verwundert rein. Mit einem Schmunzeln schüttelte Eren den Kopf. „Nein, das dann doch nicht. Er würde sich wohl niemals irgendwo anketten lassen." Zustimmend nickte der Blonde.

...

„Bin wieder da!", rief er, als er durch die Tür schritt. Er erwartete nicht, dass er irgendeine Antwort bekam, denn das tat Levi nie. Meistens saß er an seinem Schreibtisch und arbeitete, las eines seiner Bücher oder machte irgendetwas anderes am Handy. Sehr einseitig, dachte Eren immer. Doch sagte er nie etwas dazu.

Er lief direkt ohne große Umwege ins Badezimmer. Seine Anziehsachen hatte er sich schon im Vorfeld dahingelegt, damit er nur noch unter die Dusche springen musste. Genauso schnell wie er gekommen war, zog er sich seine Klamotten aus und stieg unter das warme Wasser. Er spürte direkt, wie die Wärme seine Muskeln entspannte, somit er locker ausatmete. Er konnte sich noch genau daran erinnern, wie er sich früher möglichst davor gedrückt hatte, sich aktiv zu bewegen, auch wenn er gut darin war. Doch nun... schien das der einzige Ausweg zu sein und mal an etwas anderes zu denken.

Als er mit der Dusche fertig war, lief er sich mit einem Handtuch die Haare trocken rubbelnd aus der Duschkabine. Sein Blick fiel direkt in den Spiegel, der gegenüber hing. Eren hatte sich schonmal gefragt, warum er da hing. Oder beobachtete sich Levi gerne, wenn er duschte? Komischer Gedanke, Erens Meinung nach. Er schnappte sich seine Anziehsachen und zog sie sich über, lief dann aus dem Bad.

Sein Blick wanderte zur Uhr, die nur wenige Meter neben ihn an der Wand hing. Und tatsächlich, es war schon 17.43 Uhr. Die Zeit verging wie im Flug, wenn man nicht darauf achtete. Eren zuckte mit den Schultern und lief weiter. Beiläufig schaute er beim Vorbeigehen in die Räume rein, um zu sehen, ob Levi wirklich im Bett geblieben war. Denn so schnell er konnte, war dieser in sein Zimmer geflüchtet, weil er nicht auf der Krankenstation bleiben wollte. Natürlich fand das Hanji nicht gerade gut und tat das nur unter der Bedingung, dass Eren ihr sofort bescheid gab, wenn sich Levis Zustand verschlechtern sollte. Nicht, dass sie das hoffte. Sie war nur etwas skeptisch. Es kam immerhin schon öfters vor, dass Levi vergaß auf sich zu achten und schnell wieder bei Hanji landete. Mochte man gar nicht glauben, weil der Schwarzhaarige immer so ernst und konzentriert wirkte – so schätzte Eren ihn jedenfalls ein.

Er blieb stehen, als er Levi auf seinem Bett sitzen sah. Einen Klapptisch über seinen Beinen und mit den Fingern gerade etwas in seinem Laptop am eintippen. Natürlich, was auch sonst. Eren verdrehte die Augen mit einem Schmunzeln und lief auf ihn zu. Er sagte sogar seinen Namen, doch der Schwarzhaarige reagierte nicht darauf und schien zu fokussiert auf seine Tätigkeit zu sein. So ging Eren einfach um das Bett herum und kletterte zu Levi rauf. Seine Augen wanderten über den Bildschirm, doch konnte er nicht entziffern, was der Schwarzhaarige da gerade machte.

„Was tust du da?", fragte er deshalb, erhoffte eine Antwort. „Ich muss die Gedenkfeier für Kenny planen und noch einige wichtige Emails an Partner schreiben. Zudem auch noch mehrere Anfragen reingekommen sind, um die ich mich auch kümmern muss", antwortete er monoton. Erens Augenbrauen hoben sich in Unverständnis. „Levi, du bist gerade einmal von der Krankenstation und willst direkt wieder arbeiten?" – „Ja." Eren rollte wieder mit den Augen. Der Schwarzhaarige war ein Dickkopf, das wusste er. Deshalb würde es auch nichts bringen, ihn davon abzuhalten. Und wenn er es doch tun würde... würde Levi das mit Sicherheit nicht gefallen. Und Eren ebenfalls nicht. Obwohl...

„Ich habe nachgedacht", begann der Braunhaarige. Levi brummte zustimmend, dass er zuhören würde. „Was passiert eigentlich mit den Personen, die die Ausbildung nicht schaffen?", in seiner Frage lag ein bedrückter Ton inne, dem einen eigentlich schon klar machte, worauf Eren hinauswollte. „Wie kommst du darauf?", entgegnete Levi, klappte seinen Laptop zusammen. Er konnte sich auch später damit beschäftigen, momentan war er einfach zu müde. „Reiner hat mir erzählt, wie seine Prüfungen waren. Aber er konnte mir diese Frage nicht beantworten, weil er es selbst nicht wusste." – „Wenn das so ist, dann wird dir Reiner auch sicher erzählt haben, dass die Ausbildung voraussetzt, dass du dein Leben der SL aufopferst und du all das behalten und anwenden kannst, was du bereits gelernt hast." Eren nickte bestätigend. „Ist es dann nicht offensichtlich, was passiert? Wenn du die Erwartungen nicht erfüllst?", Levis Stimme klang auf einmal so kalt wie Eis. Über Erens Rücken lief ein Schauer, als er mit geweiteten Augen zu Levi schaute, der Erens Gedanken mit einem Nicken zustimmte.

„Das bedeutet, wenn man nicht mithalten kann..." – „Wird man aussortiert", vollendete Levi den Satz, sein Gesicht so blank wie immer.

Personalities [Ereri/Riren]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt