FOUR

167 18 6
                                    

„Weißt du, was ich nicht verstehe, Mikasa?", sprach der Braunhaarige mit einem überschwänglichen Unterton. Sie schüttelte den Kopf, während sie sich ihren Shot mit einem Zug die Kehle runterkippte. Als sie das Glas mit einem lauten Ton wieder auf den Tisch knallte, zog sie scharf die Luft ein. Der hatte es in sich!
Eigentlich war sie nicht so der Typ für stärkere Drinks. Aber was soll's. Einmal konnte man eine Ausnahme machen. Doch Eren beachtete das gar nicht und sprach weiter, während er seinen Whisky etwas schwenkte:
„Warum bin ich eigentlich noch hier?" – „Na, weil es gerade richtig lustig ist?" Er schüttelte den Kopf. „Nein, das meine ich nicht. Nicht hier. Hier hier", gab er ein klein wenig beschwipst von sich, schaute dabei überlegend rein. Die Schwarzhaarige zog eine Augenbraue hoch. „Was meinst du damit?", in ihrem Ton lag Verwunderung. Die einigen Gläser an Cocktails und die ein oder anderen Scotchs hatten nicht gerade dazu beigetragen, dass sie allem klar folgen konnte – eher das Gegenteil war eingetreten. Eren ging nicht anders. Auch er war schon lange nicht mehr komplett nüchtern. Wenn man einmal drin war, richtig in Stimmung war, verflog die Zeit schnell und die Grenze, wo man eigentlich hätten aufhören sollen zu trinken, war schon lange überschritten.
„Als ich bei Hanji war, hat sie mir genau diese eine Frage gestellt. Seitdem muss ich ununterbrochen darüber nachdenken, aber ich finde keine Antwort. Egal wie sehr ich mich anstrenge", er fuhr sich mit beiden Händen einmal durchs Gesicht, ehe er in seine Haare griff, einen verzweifelten Seufzer preisgab. „Oh Mann... Das wurmt dich so sehr? Vielleicht findest du darauf keine Antwort, weil es gar keine richtige Antwort dafür gibt", erwiderte die Schwarzhaarige, wodurch Eren augenblicklich aufschaute. Sein Gesicht war geziert von Unverständnis. Bekanntlich sorgte Alkohol dafür, dass so manche Menschen kompletten Scheiß erzählten, sich selbst und ihre Worte nicht mehr unter Kontrolle hatten. Aber es gab auch die Fälle, in denen Alkohol das Tor der Wahrheit öffnete und die Menschen einem alles sagten. Und zum ersten Mal an diesem Abend – oder eher schon Nacht – schienen die betrunkenen Worte Mikasas für Eren wirklich Sinn zu ergeben. Konnte allerdings auch nur der Alkohol sein.

„Meinst du echt? Das... Das ergibt irgendwie Sinn", murmelte er überlegend. Sie nickte und hob die Hand in die Luft. Auf ihr Zeichen kam sogleich ein Kellner angelaufen, der mit einem angestrengten Gesicht die fünf Gläser auf dem Tablett balancierte. „Vier weitere Shots bitte!", forderte sie mit einem aufgeweckten Gesicht. Abschätzend sah der Blonde zu den beiden Personen, die nun nicht mehr ganz gerade an ihrem Tisch saßen. Er schüttelte den Kopf und sagte: „Tut mit leid, aber Sie haben genug." Die Augenbraue der Schwarzhaarigen ging nach oben. Mit einem festen Ton sprach sie aufgebracht: „Wie bitte? Ich habe nach vier Shots gefragt. Nicht nach deiner Meinung!" Sie musste sich verhört haben, ganz sicher. Die Person vor ihr schluckte sichtlich eingeschüchtert und schien nicht zu wissen, was er darauf erwidern sollte. „Ich meine es nur gut mit Ihnen. Sie sehen nicht so aus, als würden weitere Drinks Ihnen guttun." Mikasa gab ein abfälliges Schnauben von sich. „Was soll das denn heißen?! Weißt du eigentlich, wen du vor dir hast? Das hier, ist die Begleitung des Corporal! Und ich bin die stellvertretende Chefin für die Handelsgruppen! Bevor du so etwas zu uns sagst, überlegt dir lieber zweimal, wen du vor dir hast, he?!" Völlig überfordert stand der Kellner da und hatte seine Augen nervös geweitet. Entschuldigend verbeugte er sich und sprach mit einem Zittern: „E-Entschuldigen Sie! Das-Das wusste ich nicht! Ich werde sofort loslaufen und-", Er hielt augenblicklich inne, als er eine bestimme Person sah, diese ihre Hand auf die Schulter des Kellners legte.
„Das wirst du sicherlich nicht tun. Die beiden hatten mehr als genug", gab er mit einem dunklen Ton von sich. Sein Blick war eindringlich, was den armen Kellner nur noch mehr aus der Fassung brachte. „Ja-Ja sicher doch! Es tut mir leid, Corporal Sir! Kommt nicht wieder vor!", rappelte er schnell runter, ehe er auch schon verschwand.

„Was sollte das, Levi?! Wir hätten beinahe noch ein paar Drinks gekriegt!", beklagte der Braunhaarige und machte ein empörtes Gesicht. Der Schwarzhaarige gab nur ein „Tch!" von sich, ehe er sagte: „Und ich hätte euch beinahe eine Kugel in den Schädel gejagt, hättet ihr eure verdammte Klappe nicht gehalten. Ihr habt die ganze Halle mit eurem Scheiß beglückt!" Erst dann bemerkte Eren die vielen Blicke in ihrer Richtung. Eine Schamesröte schlich sich auf seine Wangen und er schaute augenblicklich weg. Mikasa machte allerdings nicht den Eindruck, dass das sie in irgendeiner Weise interessieren würde. Sie hatte dennoch ein standhaftes Gesicht aufgesetzt und schien diese ganze unangenehme Situation einfach zu überspielen.
Der Schwarzhaarige rollte mit den Augen. Er atmete tief aus und drehte sich zu Mikasa. „Du musst morgen früh raus. Ich will nicht, dass du in irgendeiner Weise hinterher liegst. Ich erwarte eine genauso gute Leistung wie immer, Ackermann. Also ab ins Bett!" Etwas trotzig murmelte sie: „Das ist nicht fair!" Doch Levi ignorierte es mit einem unberührten Blick und sprach nun zu Eren. „Du auch. Wir gehen. Jetzt." Der Braunhaarige weitete die Augen. „Warum denn?! Ich will noch nicht gehen!", er presste wütend die Lippen aufeinander. „Ihr benehmt euch wie kleine Kinder! Wo sind wir hier bitte?! Reißt euch endlich mal zusammen! Euch sollte der Alkohol verboten werden!"

Nachdem er die beiden doch noch dazu überredet bekam, dem Abend ein Ende zu setzen, gingen sie aus der lauten Halle raus. Auf halbem Wege trennten sich ihre Wege und Levi und Eren waren allein. Schon jetzt vermisst der Braunhaarige die frühere Stimmung. Er war nicht im Ansatz müde oder körperlich erschöpft. Er könnte noch Stunden weitermachen. Vermutlich war da Levi aber anderer Meinung.

„Jetzt jammre nicht rum. Sonst hättest du früher oder später auf dem Tresen getanzt", brach der Schwarzhaarige die Stille. Eren schaute auf. „Auf der Feier waren nicht nur Leute der SL, sondern auch wichtige Kunden... Auch wenn die Vorstellung recht amüsant wäre." Unbewusst hob sich einer von Levi's Mundwinkeln, als er sich jenes Szenario vorstellte. Ein Grinsen schlich sich auch auf die Lippen des Braunhaarigen. „Und wenn schon! Das hätte sicher einigen gefallen", schmunzelte er, „Oder bist du dazwischen gegangen, weil du selbst nicht mehr konntest?" Für einen kurzen Moment stockte Levi und schaute mit einem warnenden Blick zu Eren. „Tch. Wie gesagt; Ich halte eine Menge aus. Bis ich auf dem Tresen tanze, braucht es weitaus mehr als das bisschen von heute Abend."
„Die Vorstellung ist aber verlockend", brach es aus Eren heraus, der schon längst Kopfkino hatte. Er konnte sich alles bis ins Detail vorstellen, was zum Teil auch dem Alkohol zu verdanken war. Darauf sagte Levi aber nichts, da er dem Unsinn nichts mehr hinzuzufügen hatte. Genug war genug.

Als sie die Wohnung betraten, ging automatisch das Licht an. Während Levi erstmal zu seinem Schrank lief, um sich von dem langsam zu unbequem gewordenem Anzug zu befreien, sah er im Spiegel, wie der Braunhaarige sich mit einem tiefen Seufzen auf Levis Bett niederließ. Mit einem fragenden Blick drehte er sich um und lief langsam zu Eren rüber. „Was soll das werden?", sprach er mit tiefer Stimme. Eren hob seinen Arm von seinen Augen und lugte unter ihnen hervor. „Na was wohl? Ich schlafe hier." Auf einmal gingen beide Augenbrauen von Levi in die Höhe, schaute misstrauisch drein. „Ganz sicher nicht. Das ist mein Bett. Geh zu deinem." Trotz dem bestimmenden Ton in seiner Stimme regte sich Eren keinen Millimeter. „Aber meine Matratze ist so unbequem!" – „Das ist mir egal. Los, runter mit dir!" Doch Eren bewegte sich nicht. So langsam platzte dem Schwarzhaarigen der Kragen. Er griff in Erens Jackett und versuchte ihn von seinem Bett zu ziehen, doch das gefiel dem Braunhaarigen ganz und gar nicht und er wehrte sich.
„Was ist los mit dir?! Du bist schlimmer als Hanji!"

Der Schwarzhaarige seufzte tief und setzte sich auf die Bettkante. Er hatte absolut nicht den Nerv für solche kindische Spielchen. Er war müde und wollte schlafen. Auch wenn es für ihn ein Leichtes wäre, seinen Willen durchzusetzen. Aber heute nicht. Eigentlich untypisch für ihn. Normalerweise würde er Eren so lange gewaltsam runterzeihen, bis dieser freiwillig zu seinem Platz rannte. Wie ein Hund...

Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als er einen Druck an seiner Schulter bemerkte. Und ehe er sich versah, lag seine Jacke auf dem Bett. Er schaute zu Eren, der aber einfach versuchte, das Hemd des Schwarzhaarigen zu öffnen. Levi verzog das Gesicht und drückte den Braunhaarigen weg. „Hey! Was machst du da?! Lass das, Eren!", sprach er kräftig aus. Doch Eren machte einfach weiter. „Und was, wenn nicht?", raunte er mit Unterton. Nach einem Moment wurde sein Blick immer wissender. Aha... Jetzt verstehe ich.

„Dann wirst du wohl oder übel mit Konsequenzen rechnen müssen...", ging er auf das Spiel mit ein. Er sah, wie sich in den grünen Augen des Braunhaarigen etwas regte. Er sah diese leichte Röte auf dessen Wangen. Er sah, wie sich Eren auf die Lippe biss. Und er war sich mindestens genauso sicher, dass Eren nicht wusste, was er da gerade tat. Wie er gerade aussah. Was sein Tun für eine Wirkung hatte. „Und was sind das für... Konsequenzen?"
Genug. Es war genug.
Es waren nur wenige Sekunden, in denen Levi den Jüngeren immer weiter nach hinten drückte. Er ihn zum Kopfende scheuchte und ihm immer näherkam. Sie waren sich so nah wie noch nie. Die Luft schien sich stetig zu erwärmen und ließ alles andere unwichtig werden. Eren wusste gar nicht, was er sagen sollte. Er wusste nicht, was er tun sollte. Er war komplett überfordert.

„Das wirst du wohl selbst herausfinden müssen, Jäger."

Personalities [Ereri/Riren]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt