THREE

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Und nun stand er da. Vor ihm der Spiegel, in dem er sein Outfit mit einem überlegenden Blick betrachtete. Es waren nun schon mehr als zehn Minuten, in denen er sich nicht sicher war, ob er wirklich so rausgehen wollte. Er war sich unschlüssig. Dabei war die Sorge unnötig. War ja nicht so, als würden sie auf eine Gala gehen, über einen roten Teppich laufen und klaren Champagner trinken.
Trotzdem. Saßen seine Haare? Passte der Anzug zu ihm? Alles Fragen, die gerade eine Runde durch Erens Kopf machten. Und er wusste nicht wieso.

„Keine Sorge, du siehst heiß aus", kam es auf einmal von hinten. Der Braunhaarige zuckte erschrocken zusammen und drehte sich um. Sein Blick ging zu Levi, der mit verschränkten Armen am Türrahmen gelehnt stand. Sein Blick genauso wie immer, aber mit einem gewissen etwas. Der weiße Anzug, den er trug, passte perfekt zu seinen pechschwarzen Haaren und bildete einen Kontrast. Das schwarze Hemd und Krawatte unterstrichen den Effekt. Alles in allem – perfekt. Das ließ Eren nur noch mehr an seiner Kleiderwahl zweifeln. Er würde nie so aussehen.
„Wir müssen los. Ich will nicht zu spät kommen", seiner Stimme lag ein starker Ton inne, worauf Eren nickte. So lief er dem Schwarzhaarigen hinterer. Seine Gedanken bei dem, was ihn erwartete. So sehr die Erwartungen gegenüber der SL gestiegen waren – immerhin hatte er schon viel gesehen – konnten diese wohl kaum ein richtiges Bankett auf die Beine bringen.

Als sie nach ein paar Minuten vor der allzu gut bekannten Halle ankamen, in der Eren normalerweise trainierte, öffnete Levi sie mit einem Klacks. Durch das Licht, was hell erschien, musste der Braunhaarige sich die ersten Sekunden noch die Augen zuhalten. Sein Mund stand ein Stück weit offen, als er wieder Sicht erlangte. Er nahm seine Aussage zurück.
Er konnte nicht glauben, was sich vor seinen Augen abspielte. Alles war in schwarz und weiß dekoriert, der Boden geschmückt von einem tiefweinroten Teppich und an der Decke hangen mehrere Kronleuchter. Alles, was Eren nicht erwartet hatte. „Hast wohl nicht gedacht, dass die Scouting Legion sowas kann, was? Da wir in vielen Bereichen tätig sind, ist es wichtig, dass wir die Etikette wissen. Das ist eine Voraussetzung." Und mit diesen Worten lief er einfach weiter. Eren folgte ihm mit einem leichten Zögern, weil er zu sehr damit beschäftigt war, sich die Umgebung noch ein Stück weiter anzugucken.

Die gesamte Halle war gefüllt mit Leuten, die sich gepflegt am Unterhalten waren, in ihrer Hand ein Glas Sekt, Champagner oder ein Bier. Ehe Eren sich versah, hatte er auch Levi verloren, der sich wohl zu ein paar anderen Mitgliedern gesellt hatte. Es sah so aus, als wäre der Großteil der SL hier vor Ort. Es war kein Geheimnis, dass diese eine große Zahl an Mitgliedern hatte. Ganz zu schweigen von denen, die mit der SL eine Verbindung haben.
Er wusste nicht wohin. Er hatte niemanden, den er wiedererkannte oder einen, mit dem er sprechen könnte. Unbeholfen sah er sich um. Doch fand er keinen.
Bis ihm eine Frau mit kurzen schwarzen Haaren auffiel, die wie Eren etwas abseits stand. Auch sie hatte in ihrer Hand ein Getränk, tippte mit dem Finger auf ihr Glas und guckte in der Gegen rum. Erleichtert atmete der Braunhaarige aus. Er lief zu seiner alten Freundin rüber, die Eren mit einem frohen Lächeln begrüßte.

„Hallo, Eren", sprach sie freundlich. Er selbst nickte zur Begrüßung, hatte sich bereits ein Glas Sekt von dem Kellner geschnappt. „Wie geht es dir? Wir haben uns lange nicht mehr gesehen", fuhr sie fort. Das stimmte, sie haben wirklich länger nicht mehr miteinander gesprochen. Aber damit waren nicht die Jahre gemeint, als sie noch Kinder waren. Vor ungefähr zehn Monaten sahen sie sich wieder. Natürlich waren beide völlig überrascht und hatten sich eine Weile ausgesprochen. Nur über die SL... Darüber gab es gewisse Dinge, die sie sich nicht erzählt hatten. Auch das Thema Armin blieb aus. Eren musste es Mikasa nicht erzählen, sie wusste es bereits. Jeder hier wusste es. Außerdem sah die Schwarzhaarige sofort, dass der Braunhaarige auf dieses Thema nicht gut zu sprechen war. Natürlich, wer war das auch schon?
„Ganz gut, denke ich", antwortete er auf ihre Frage. Dass das nicht ganz der Wahrheit entsprach, war offensichtlich. Eren sah fertig aus. Er hatte Augenringe, sein Blick war träge und die Körperhaltung verriet auch so einiges. Aber die Schwarzhaarige wollte nicht weiter darauf eingehen und nickte nur verstehend.

„Ist das deine erste Veranstaltung bei der Scouting Legion?" – „Ja. Und ich muss schon sagen... das hat etwas." Mikasa kicherte einen Moment, als sie Erens Blick sah. Dieser konnte immer noch nicht seinen Blick von der Kulisse abwenden. „Na ja... Daran wirst du dich wohl oder übel gewöhnen müssen. Die SL hat Geld, die Macht und den Einfluss, um sich sowas zu leisten. Es ist ein leichtes für sie, das hier zu veranstalten", entgegnete sie, „Dazu gibt es heute aber auch einen passenden Anlass. Das 30-jährige Jubiläum." Eren weitete die Augen. „Die Scouting Legion ist schon so alt? Ich dachte, die SL wäre noch jünger." Mikasa schüttelte den Kopf. „Vor dreißig Jahren hat Kenny diese Gruppe gegründet. Am Anfang war sie noch klein, aber sie gewann immer mehr an Aufmerksamkeit, weil sie auch größerer Unternehmen zu ihrer Seite hatten. Und aus diesen ganzen Jahren resultierte sich das, was du nun vor deinen Augen siehst." Der Braunhaarige presste die Lippen zusammen, ehe er mit einem Schluck sein Glas leerte.

„Du solltest nicht so schnell trinken, Eren", kam es sofort von Mikasa, die etwas besorgt schaute. Er verdrehte die Augen. „An deinem besorgten Getue hat sich auch die letzten Jahre nichts geändert, was?", sagte er mit einem belustigten Unterton. Darauf schnaubte die Schwarzhaarige und wandte ihren Blick von Eren ab, trank selbst einen Schluck.

Doch dann wurde auf einmal der Raum dunkler. Die Lichter waren auf das Podest am anderen Ende des Raumes gerichtet. Der ganze Saal wurde leise und die Köpfe der Menschen drehten sich zum Geschehen. Auch Mikasa und Eren gingen ein Stück weiter nach vorne, um alles besser sehen zu können. Vorne stand Kenny im schwarzen Anzug. Was natürlich nicht fehlen durfte, war sein Hut. Nebenbei fiel Eren auf, dass er den Boss gerade zum ersten Mal sah. Er musste zugeben, er hatte sich den Boss der wohl bekanntesten Auftragskiller-Organisation anders vorgestellt.

„Meine Damen und Herren!", erklang es seine tiefe, raue Stimme. „Ich heiße euch herzlich willkommen, zu der 30. Jubiläumsfeier der Scouting Legion!" Das Publikum applaudierte, worauf Kenny sich ein Stück weit verbeugte. „Wie ihr seht, steht dort zu eurer Rechten alles, was euer Herz begehrt. Also lasst euch nicht daran hindern, euch das zu nehmen, was ihr haben wollt. Aber! – Ich will keine Toten, klar?! Dieser eine Tag soll besonders bleiben." Durch die Runde ging ein lautes Lachen, was Eren einen Schauer über den Rücken jagte.
„Aber bevor wir zum Buffet übergehen, würde ich den Corporal bitten, einige Worte an euch zu richten!", hieß es dann plötzlich. Wie, als würde der König das Feld betreten, wurde alles umgehend leiser. Wie von selbst wanderte Erens Blick von Kenny zu dem Schwarzhaarigen, der gerade hinterm Mikrofon zum Stehen kam. Dessen Blick ging einmal quer durch den Raum. Bis er bei Eren halt machte. Der Braunhaarige glaubte, ein leichtes, fieses Lächeln gesehen zu haben – konnte er sich allerdings auch eingebildet haben.

„Wieder ist ein Jahr vergangen, in der die Scouting Legion standhaft geblieben ist. Wieder ein Jahr, in dem wir große Erfolge erzielt haben. Wir erlangen immer mehr an Aufmerksamkeit. Die Presse schreibt regelmäßig über uns und immer mehr Unternehmen suchen Anschluss an unserer Organisation. Es könnte gar nicht besser laufen. Und genau deshalb soll es auch so bleiben! Ich erwarte von euch, dass ich nächstes Jahr wieder hier stehen und diese Worte an euch richte. Aber dafür will ich Ergebnisse sehen! Wenn ihr mir diese liefert, werde ich mir etwas überlegen, was euch sicher gefallen wird. Also sagt euch von eurem vergangenen Ich los und strengt euch an!", er hob sein Glas in die Luft, worauf auch die anderen mit einem selbstsicheren Gesicht dort standen und gefällig und sorgenlos am Lächeln waren.

Nur Eren stand etwas neben sich. Es hatte sich gerade so angefühlt, als wären diese Worte explizit an ihn gerichtet worden.

Personalities [Ereri/Riren]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt