Es verging eine Woche. In diesen sieben Tagen verlief alles normal. Man könnte meinen, nichts wäre passiert. Dieser Schein sollte jedenfalls aufrechterhalten werden. Denn – wie Kenny bereits sagte – würde ein Aufstand oder dergleichen alles nur noch schwerer machen. So würde eine bestimmte Person davon Wind bekommen, das musste unbedingt vermieden werden.
Ebenfalls in diesen sieben Tagen wurden geheime Ermittlungen durchgeführt, die an die vertrauenswürdigsten Mitglieder Kennys Meinung nach aufgeteilt wurden. Es glich schon fast Ironie, dass eine kriminale Organisation selbst Untersuchungen veranstaltete. Es lag immer noch an oberste Stelle, den Verräter zu finden, denn dessen Anwesenheit stellte eine große Bedrohung für die gesamte Scouting Legion dar. Würde dieser irgendwelche Kontakte an der Oberfläche haben, die auch noch einen gewissen Einfluss hatten, waren sie wortwörtlich am Arsch.Auch jetzt, wo für manche der normale Alltag weiterging, lief es im Hintergrund anders ab. Der Schatten war wie immer das, was übrigblieb, wenn die Sonne gegen eine Blende schlug. Denn diese konnte nicht alle Ecken erreichen, es entstanden Lücken. Es stellte sich heraus, dass der Verräter es ausgenutzt hatte und ein Leck erschuf, man aber noch nicht genau wusste, wo es denn war. Jene Person hatte an jenem Abend – der unbekannt war – eine Nachricht nach Oben geschickt, die bisher noch nicht entschlüsselt werden konnte. Der Inhalt könnte fataler sein, als sie alle gedacht hatten. Und dabei wüssten sie nicht einmal, was in dieser geschrieben stand. Umso dringlicher war es, diesen Jemand zu schnappen und die Nachricht zu zerstören. Und wenn es sein musste; die töten, die davon wussten und feindlich gegenüber der Scouting Legion gesinnt waren.
So viel zu den Ermittlungen. Heute würde Kenny abreisen, um das Problem zu lösen, was sich bei einem Geschäftspartner eingeschlichen hatte. Somit würde er die Leitung ein weiteres Mal an Levi abtreten. Nicht nur dieser Standort – alles. Und wenn etwas schief ging, konnte man ihn wohl „Boss" nennen. Er war der nächste in der Rangordnung und hatte somit am meisten Einfluss nach Kenny. Jedem war das bewusst, was einem nochmal die Größe der SL vor Augen führte. „Größe" war nicht nur im Sinne von der Fläche gemeint, die sie weltweit einnahm. Damit war auch die Größe der inneren Konflikte, der Problemlösung, der Strategien, des geistlichen Eigentums und der Macht und Geldmittel, die sie besaßen, gemeint. Und das alles, weil vor ungefähr dreißig Jahren eine Person etwas aufgebaut hatte, was damals nichts weiter war als ein etwas abgelegener Ort von der Stadt mit Leuten, die anders waren und dort, wo sie lebten, nicht so akzeptiert wurden, wie sie im Inneren wirklich waren. Kenny erschuf somit mit diesem Ort einen Platz für Menschen, die sich nach etwas sehnten, was sie vorher nicht erreichen konnten. Keine Sicht fürs Leben hatten und nicht wussten wohin mit ihnen. Jeder konnte zur SL, jeder, der einen guten Grund hatte und bereit war, sein altes Leben aufzugeben und sich von seinem alten Ich loszusagen. Jemand zu sein, der man früher nicht sein konnte. Dafür stand sie, die Scouting Legion. Ein anderes Wort für Freiheit.
Mal von der Tatsache abgesehen, dass die meisten dadurch kriminell wurden – aber was soll's. Sie lernten damit umzugehen und setzten Prioritäten. Dinge, die sie vorher nie gekonnt hatten.Die alle hier anwesenden Mitglieder würden diesen Ort wohl als ihre „Rettung" bezeichnen. Doch wenn etwas schief gehen würde, so gab es diesen Ort nicht mehr. Er würde nicht mehr der sein, der er einst mal war. Und man arbeitete hart daran, dass es so blieb – dieser Rückzugsort. Auch wenn sie dafür von anderen verstoßen wurden, das war ihnen egal.
Gerade waren sie auf den Weg zum Auto, was Kenny zum Privaten Landeplatz für das Flugzeug bringen würde. Von da aus ging es nach Rio de Janeiro. Denn, wie bereits erwähnt, war dort der Standort des Partners der Scouting Legion, der wieder einmal nicht nach dem Willen Kennys gehandelt hatte und somit ein nicht gerade kleines Problem entstand. An sich war es riskant, auch nur einen Fuß aus der SL zu setzen. Aber wenn der Boss seinen Posten und den Einfluss behalten wollte, war es ein Muss, was er nicht umgehen konnte. Auch wenn ihm sehr wohl bewusst war, dass er somit sein Zuhause zurückließ – obwohl hier gerade alles drunter und drüber ging. Obwohl er ein so schlechtes Gefühl hatte. Obwohl er am liebsten selbst dem Verräter den Hals umdrehen wollte. Aber das musste er leider Gottes wohl seinem Neffen überlassen. Und er vertraute ihm mehr als jedem anderen sonst. Nicht ohne Grund war er der Corporal und auch der Vize-Anführer der SL. Er besaß mehr Willensstärke, Durchsetzungsvermögen und Kraft als jeder andere. Er war sich seiner Stärken und Schwächen bewusst, verbesserte sich stetig, was ihn umso mehr zu einem guten Anführer Kennys Meinung nach machte. Und wenn es irgendwann wirklich soweit war, und Kenny durch irgendeinen Grund nicht mehr da wäre, würde er es nicht bereuen, seinem Neffen das Steuer in die Hände gelegt zu haben. Immerhin war er es, der ihn zu dem gemacht hatte, der er jetzt war. Und er war stolz auf den Schwarzhaarigen.
„Ich möchte über alles in Kenntnis gesetzt werden. Besonders jetzt, wo wir dieses Rattenproblem haben." – „Natürlich", erwiderte Levi und nickte verstehend. Seine Hände waren hinter seinem Rücken verschränkt und sein Blick wie der eines Soldaten. Kenny zeigte ein kurzes Lächeln, ehe er in den schwarzen Wagen einstieg. Der Schwarzhaarige gab dem Fahrer ein Zeichen, indem er auf das Dach des Autos kurz klopfte. Sogleich startete der Motor des Gefährts. Während die anderen Männer, die als Begleitschutz dienten, auf den Befehl des Corporals warteten und sich etwas in der Gegend umschauten, sah Levi noch auf das Auto, wie es losfuhr.
Gerade, als er selbst gehen wollte, hörte er, wie das Fenster der hinteren Tür sich öffnete. Er sah dorthin und erblickte die Hand seines Onkels, die aus der Blechkiste ragte und winkte. „Wir sehen uns dann, Kleiner!", sagte Kenny mit einem Lachen und zog seinen Hut.
Levi schnaubte und verdrehte die Augen. Normalerweise mochte er es gar nicht, wenn jemand etwas über seine Größe sagte. Aber heute... war es anders. Es lag etwas in der Luft, was alles so trüb erschienen ließ. Ein Schleier von Unschuld, Einsamkeit und Trauer. Es war jedoch nur eine Frage der Zeit, bis sich dieser wieder verziehen würde.Hätte er doch nur auf sein Gefühl gehört.
Levi drehte sich somit um und gab ein Zeichen, womit sich alle in Bewegung setzten. Seine Leute folgten ihm auf den Weg zur Tür, die die Halle vom Gebäude trennte. Der Schwarzhaarige seufzte lustlos, als er daran dachte, sich gleich direkt mit dem Papierkram beschäftigen zu müssen, der mit Sicherheit schon als Staubfänger in Kennys Büro diente. Er hasste es, immer hinter seinen Onkel aufzuräumen. Aber anders... ging es nicht. Egal wie oft Levi ihn auch tadelte, fing er sich dadurch nur Kennys bestrafende Blicke ein. Und jedes Mal erinnerten sie ihn an das, was er am liebsten vermeiden wollte. Am liebsten vergessen würde. Aber sie hatten sich wie Naben in seinen Kopf eingebrannt.
Während die ersten Leute bereits in das Gebäude liefen, wurden die anderen – darunter auch der Corporal – durch eine heiße Druckwelle nach vorne geworfen. Ein lauter Knall kam hervor, das feurige Rot schoss in die Luft. Vor lauter Schock hielten sie sich die Ohren und versuchten dieses hohe Piepsen in ihren Ohren zu ignorieren. Ihre Körper fühlten sich an wie Blei, erschwerten einem das Bewegen. Augenblicklich kamen die anderen Männer zurück und fanden die am Boden liegenden Restlichen vor.„Corporal, Sir! Geht es Ihnen gut?!", fragte direkt einer der anderen dringlich. Die Augen ein Stück zugekniffen und den Kopf sich haltend, versuchte Levi sich aufzurichten. Mit weit geöffneten Augen sah er auf die Stelle, von der die Explosion ausging. In seinem Gesicht zeichnete sich der Schock, als er das Feuer erblickte, was sich über eine weite Fläche erstreckte.
„Ruft sofort das Versorgungsteam! Es gibt vier Tote und drei Schwerverletzte!", rief sogleich einer mit starkem Ton, der sich ebenfalls zu dem Corporal setzte. Absuchend ging sein Blick über dessen Körper. „Sir, Sie sollten sich nicht zu sehr bewegen. Sie haben schwere Verletzungen erlitten! Sie bluten aus den Ohren und haben mehrere Platzwunden und Schnitte am Kopf! Sie könnten sich innere Verletzungen zugezogen haben! Also bitte...", sprach der eine auf Levi ein, doch diese Worte drifteten an ihm vorbei. Ihm blieben die Worte im Mund stecken. Mit aller Kraft, die er noch hatte, stand er auf. Ignorierend die warnenden Rufe seiner Untergebenen.Wenige Meter vor dem Feuer blieb er stehen und sah mit einem ungläubigen Blick auf das in Flammen stehende Auto. „Was...", kam es schwach über seine Lippen. Seine Augen glitten über das einst schwarze Auto, verarbeitete erstens, was sich vor seinen Augen abspielte. Im Hintergrund hörte er sie rufen, dass er sich vom Auto entfernen solle, dass es gefährlich wäre. Doch Levi stand nur da und sah auf die Flammen. Sie schienen immer und immer mehr an Größe zu gewinnen. „Corporal, bitte gehen Sie vom Auto weg! Es könnte ein weiteres Mal explodieren!" Sie schienen die Tatsache, dass dort – in diesem Auto – sich der Boss der SL befand zu übersehen. „Holt schnell Wasser...", sprach er, „Los! Wir müssen das Feuer löschen!!", rief der Schwarzhaarige mit voller Kraft nach hinten. Doch die anderen bewegten sich nicht einen Millimeter. „WAS SCHAUT IHR DENN SO BESCHEUERT?! MACHT SCHON!!", seine Stimme wurde zunehmend lauter, während er aufs Auto zeigte. Mit einem Zögern lief einer der Männer los, der selbst nicht wusste, was jetzt das Richtige war. Er atmete tief aus und sackte auf seine Knie – seine Beine konnten ihn nicht mehr halten. „Corporal!", wurde es direkt besorgt ausgerufen. Doch Levi schlug mit der Faust auf den Boden und richtete seinen Kopf nach unten.
„Scheiße... Verdammte Scheiße! VERDAMMTE SCHEISSE!!"
DU LIEST GERADE
Personalities [Ereri/Riren]
Fanfiction•[Part 1 - 3]•[German]•[kann ohne Vorwissen gelesen werden]• Gerade erstmal ein Jahr im Dienst wird Eren Jäger nach Stohess versetzt. Dort bekommt er seinen ersten richtigen Fall zugewiesen, und mit ihm einen neuen Partner. Doch ist er nicht so, wie...