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„Aber...", seine Stimme klang tief, „du wirst es doch keinem sagen, oder? Nicht mal Hanji soll wissen, dass ich es dir erzählt habe, Eren. Keiner soll davon erfahren, ja?" Er legte seine Hand an Erens Kinn an und zog ihn näher zu sich, sah ihm tief in die Augen. Ein schwacher Hauch ging über Erens Lippen, als er in die grau-blauen Seelenspiegel blickte. Und wieder konnte er darin versinken, ins Endlose. Als würden sie den Braunhaarigen in etwas hineinziehen, wo es kein Entkommen gab. „Ja...", sprach er leise. Zufrieden hob sich einer von Levis Mundwinkeln. „Brav."

Wenige Minuten der Stille vergingen, in denen jeder an etwas anderes dachte. Nur Eren war es, der, egal wie lange er in Levis Gesicht blickte, nicht dahinter kam, was in seinem Kopf vorging. Wohingegen der Schwarzhaarige jede Reaktion seines Gegenübers las und verstand. Es war wie ein Fluch; seinen eigenen Körper nicht verstehen zu können, aber andere dafür umso besser. Und das war der Grund, weshalb Levi so krampfhaft versuchte, seinen Körper unter Kontrolle zu halten. Es war das wichtigste für ihn – Kontrolle. Doch, warum?

Wenn er den Braunhaarigen vor seinen Augen betrachtete, sah er jemand komplett anderes als vor einem Jahr. Er wirkte wie eine völlig andere Person. Levi erinnerte sich genau daran, wie Eren am Anfang getobt hat wie ein tollwütiger Hund, er hat sich nichts sagen lassen. Doch jetzt... war er beinahe handzahm. Anscheinend behielt Levi Recht mit der Annahme, dass Schmerz das effektivste Mittel war, um jemanden nach seinen Wünschen zu formen, wenn man es denn so nennen konnte. Schließlich... hatte er nur etwas nachgeholfen, den Rest tat Eren ganz von selbst. Wer hatte denn gesagt, dass es immer körperlicher Schmerz sein musste? Schon erstaunlich, wie zerbrechlich die menschliche Würde war, wenn man sie nicht richtig pflegte. Beinahe wie eine Reihe von Dominosteinen - man musste nur einen umstürzen und die anderen fielen ebenfalls, verwoben durchs Schicksal.

Das sah er nicht zum ersten Mal. Eren war nur einer von vielen, nichts weiter. Der einzige Grund, warum er noch atmete, war der, dass Levi noch nicht fertig war, mit spielen. Er mochte es zu sehen, wie Eren sich von Tag zu Tag veränderte. Zudem er das Gefühl hatte, dass es falsch wäre, es jetzt schon zu beenden. Zu Erens Glück. Doch dass da auch was anderes mitspielte, war Levi zu dem Zeitpunkt nicht klar.

„Sag mal, Eren... Wie würdest du es finden..., wenn du nächstes Jahr die Ausbildung anfängst?" Eren fuhr ein Stück hoch und zog die Augenbrauen sachte zusammen, schaute dem Anschein nach verwirrt. „Du möchtest, dass ich..." – „Ich bin jetzt der neue Boss der Scouting Legion. Ich werde in Zukunft nicht mehr die Zeit haben, mich dauerhaft um dich zu kümmern. Außerdem würde es dir mit Sicherheit nicht schaden, auch mal mit anderen Leuten zu reden als immer nur mit den gleichen." Bekanntlich war es wichtig, wenn man die volle Kontrolle erlangen wollte, die Leine nie zu straff zu halten. Es war wichtig, eine gewisse Distanz aufrechtzuerhalten.

„Und wenn Sasha die letzten Phasen geschafft hat, wirst du viel Zeit mit ihr verbringen können, das freut dich doch, oder? Du kannst dann dahin gehen, wo du willst. Du bekommst einen Chip und bist nicht mehr auf meine Erlaubnis angewiesen." Die Augen des Braunhaarigen weiteten sich, mit jedem Wort mehr, was sich über Levis Lippen schlich.

War es wirklich war? Stimmte es, was er da gerade sagte? Er wollte, dass Eren bei der Ausbildung teilnahm? Und wenn Eren die geschafft hatte, könnte er wo immer er hin wollte, hingehen. Er bekäme die Möglichkeit, nicht mehr an Levi gebunden zu sein. Vertraute er ihm so sehr, dass er es ihm anbot? Aber warum hatte er seine Meinung so schnell geändert? Er wäre somit ein vollwertiges Mitglied der Scouting Legion. Für immer, bis zum Tod.

„Wenn ich die Ausbildung aber nicht schaffe... sterbe ich", kam es leise von ihm. Er erhoffte irgendeine Antwort von dem Schwarzhaarige, doch er schaute genauso kalt wie immer. Er erhaschte nur ein leichtes Nicken dessen Seite aus, bevor Levi ihm wieder tief in die Augen sah. „Dann würde ich mich an deiner Stelle anstrengen, damit das nicht passiert. Es wäre schade, alles jetzt schon zu beenden... Und ich werde keinen Unterschied zwischen dir und den anderen machen. Schafft du es nicht, wirst du an dem Morgen darauf nicht mehr atmen, das verspreche ich dir."

Personalities [Ereri/Riren]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt