Chat Love

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Wir saßen im Backstage einer deutschen Konzertbühne. Obwohl ich verdammt nervös gewesen war, war der Gig ziemlich gut gelaufen. Janne grinste mich an. Ich grinste zurück. Jukka und Sami hockten kichernd über dem Handy unseres Bassisten, nachdem sie herausgefunden hatten, dass er eine Datingapp auf seinem Handy hatte. „Hey, Samu, die wäre doch was für dich", sah Jukka zu mir auf. Ich zog skeptisch die Augenbrauen zusammen. „Spielt Gitarre, liebt Bon Jovi und die finnische Natur. Hat nur leider kein Profilbild", grinste er mich an. Schnaubend schüttelte ich den Kopf. „Warte, ich schreib mal", meinte er. Nun sah nicht nur ich, sondern auch Raul ihn erschrocken an. „Hey, Babe, magst du blondhaarige Männer?", sprach er beim Tippen mit. Raul versuchte ihm das Handy aus der Hand zu reißen, aber es klappte natürlich wieder nicht, hatte es eben schließlich auch nicht. Er tat mir schon irgendwie leid. „Hey, Babe, natürlich", las Jukka die Antwort verwirrt vor, die schneller kam, als erwartet. „Was ist das denn für eine?", fragte er. „Nicht", las Sami die las Sami die folgende Nachricht vor und sah seinen Kumpel rechthaberisch an. „Mist", brummte Jukka. Doch schon begann er wieder auf den Touchscreen zu hauen. Ich rappelte mich auf, um ihm ebenfalls über die Schulter gucken zu können. „Da hab ich aber glückgehabt, dass ich braune Haare habe", schrieb er. Ich sah mit hochgezogenen Augen zu Sami. „Auf deinem Profilbild hast du eher gar keine", antwortete sie. „Boh, ist die verklemmt", schnaubte unser Keyboarder. „Die sind mittlerweile gewachsen", tippte er. „Schön, ich mag auch keine braunen Haare", klang ihre Antwort fast schnippisch. „Was dann? Schwarz?", schrieb Jukka. „Nein. Grün", ploppte die Bubble auf. „Grün?", sah Jukka uns mit hochgezogenen Augenbrauen an. Ich prustete los. „Du checkst auch gar nichts, ich will nichts von einem Idioten wie dir", kam als letzte Nachricht, als hätte sie seine Gedanken lesen können, ehe sie offline ging. Sami und ich konnten uns vor Lachen kaum halten. Diese Frau war unglaublich. Endlich hatte mal jemand Jukka gezeigt, wo der Hammer hängt. Er meinte seine Sprüche zwar nie böse, aber er merkte nicht, dass sie öfters falsch rüber kamen.

Mir ging die Sache nicht wirklich aus dem Kopf. Diese gestaltlose Frau geisterte in meinem Kopf. Welche App hatte Raul? Und was hatte über dem Chat gestanden? Ich zückte mein Handy und machte es mir auf meinem Sofa gemütlich. Es ging relativ schnell, da hatte ich ihr Profil gefunden. „Hey", schrieb ich einfach. Dieses Mal kam keine Antwort.

Mein Handyklingeln riss mich aus dem Schlaf. Grummelnd streckte ich mich nach dem Gerät. Jukka rief an? Ich drückte ihn weg, ich wollte schlafen, doch dann sah ich, dass ich eine Nachricht hatte, auf der Datingapp. Mein Herz schlug etwas schneller, nicht weil ich sofort verliebt war, nein, einfach weil ich wissen wollte, wer hinter den Worten von gestern steckte. „Hey", hatte sie gerade erst geschrieben. Siilvi hieß sie. Ein Bild hatte sie immer noch nicht. „Schon wach?", fragte ich erstaunt. „Haha, nein, noch, hatte einen Gig, aber Sie sind ja auch wach", schrieb sie zurück. „Mein Kumpel hat mich wachgeklingelt, sonst würde ich noch tief und fest schlafen", meinte ich schnaubend. „Oh", kam von ihr. „Wir können auch später weiter schreiben", schickte sie hinterher. „Nein, kein Problem", schrieb ich. „Sie sind neu hier, oder?", fragte sie. „Ja", tippte ich. „Und Sie?" Ich setzte mich im Bett auf und lehnte mich an das Kopfende. „Ich hatte eben vorgehabt die App zu deinstallieren, aber dann habe ich Ihre Nachricht gesehen", antwortete sie. „Oh", schrieb nun ich. „Naja, mein Kumpel hat das Profil vor ein paar Tagen erstellt, ich wollte das eigentlich gar nicht", meinte sie. „Ihr Kumpel?", wollte ich überrascht wissen. Es dauerte etwas bis eine Antwort kam. „Ja, mein Kumpel, was dagegen?", hatte sie sofort wieder den schnippischen Ton drauf. Ich raufte mir die Haare. Vielleicht war diese Frau ja doch einfach nur verdammt arrogant. „Sorry, hab mich nur gewundert, war nicht böse gemeint", schrieb ich. „Von mir auch nicht", antwortete sie. Ich stieß die Luft aus. Ok, es war definitiv komisch mit einer Person zu texten, die man nicht persönlich kannte. „Sie spielen Gitarre?", fragte sie. „Ja, Sie auch, oder?", meinte ich. „Ja, ich liebe es", schrieb Siilvi. Wir schrieben so lange über Musik und Gitarren, dass ich die aufgehende Sonne gar nicht bemerkte. Es war bestimmt schon Mittag, als ich endlich aufstand, um etwas zu Essen zu machen, mein Handy lag neben mir. „Was ist dein Lieblingsessen?", kam mir die Frage beiläufig in den Sinn. „Sorry, Ihr", korrigierte ich eilig, als ich das Du bemerkte. „Hauptsache selbstgemacht, wir können beim Du bleiben", schickte sie. „Stimmt, schmeckt am besten, ich koche liebend gerne", tippte ich grinsend. „Aber in einem richtig guten Restaurant ist es auch schön", schickte ich eine zweite Nachricht. „Stimmt", antwortete auch sie. Ich bemerkte das grinsen auf meinen Lippen erst, als mein Handy wieder klingelte. Jukka, wer sonst. Ich sah zwischen Chat, Essen und Anruf hin und her, dann drückte ich ihn weg. Nicht mal zum Essen konnte ich das Handy aus der Hand legen, diese Frau war definitiv interessant. Und so langsam weckte sie in mir doch etwas mehr Interesse. „Musst du nicht schlafen?", fragte ich, als ich fertig aufgeräumt hatte. „Störe ich?", schrieb sie. „Nein, ich dachte nur", tippte ich und hatte sofort ein schlechtes Gewissen. „War nicht ernst gemeint, aber ja, so langsam könnte ich wirklich ins Bett", beruhigte sie mich. „Ok, dann, gute Nacht", wünschte ich. „Schönen Tag dir", kam von ihr, dann war sie offline. Ich ließ mich auf das Sofa fallen. Wie verrückt war das denn bitte gewesen.

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