Siku-One-Shots

Hab dich lieb, bis gleich

Ein lauer Sommerwind wehte um die kleine rote Hütte am Waldrand. Ich stapfte den Pfad hinauf zur Tür und hämmerte gegen das weiß gestrichene Holz, bis Raul mir strahlend öffnete. Er hatte uns, die Band, zu seinem Geburtstag eingeladen. Diesen würden wir in seinem kleinen Mökki nördlich von Helsinki verbringen. Das Häuschen lag zwischen Wald und See auf einer idyllischen Lichtung. Ich folgte Raul ins Innere und durfte feststellen, dass ich wie immer der letzte zu allem war. Die Jungs saßen auf den zwei Sofas verteilt. Die Stimmung schien sehr ausgelassen. Samu redete mal wieder wie ein Wasserfall, ein breites Grinsen auf den Lippen, ein Bier in der einen Hand und die andere hinter Riku auf der Sofalehne ausgestreckt. „Sami, wurde aber auch Zeit", hob er mir die Bierflasche entgegen. „Ja, wo warst du mal wieder?", sah Mikko mich an. „Los, es wird angestoßen!", forderte Osmo. „Nein, es ist noch nicht Mitternacht, wir haben noch zwanzig Minuten", unterbrach Riku ihn. „Ich hätt' trotzdem gern ein Bier", meinte ich grinsend. Raul griff in den Kasten neben dem roten Sofa und reichte mir eines. „Danke", nahm ich es an und ließ mich neben Osmo auf das schwarze Sofa fallen. Raul setzte sich zu Mikko und holte sein Handy aus der Hosentasche, um es mit der Box zu verbinden. „Wünsche?", fragte er in die Runde. „Rolling in the Deep", kam von Riku. „Nein, wir müssen einen Klassiker hören. Livin' on a Prayer", grätschte Samu dazwischen. „Klassiker?", sah Riku ihn schief an. „Das ist doch kein Klassiker", schüttelte er den Kopf. „Natürlich ist das ein Klassiker", entgegnete Samu entgeistert. Meine Augen huschten zwischen den zweien her. „Selbst wenn, es passt gar nicht", erwiderte Riku. „Aber Rolling in the Deep", lachte Samu. „Jungs wir hören einfach beide", mischte Osmo sich ein. Samu starrte Riku noch eine Weile gespielt böse an, begann dann aber breit zu grinsen. „Klar, doch, spiel Adele", sah er Raul an und wuschelte Riku durch die braunen Locken. „Danke", formten Rikus Lippen lachend. „Wie war eigentlich dein Date?", fragte Mikko interessiert, die Augen auf Osmo gerichtet. „Date?", hob Samu augenblicklich den Kopf. „Ihr wusstet nichts davon?", schein Mikko verwundert. „Ich hab's ihnen noch nicht gesagt", gab Osmo etwas kleinlaut zu. „Ok, jetzt spann uns nicht auf die Folter", meinte Samu hibbelig. Osmo lachte nervös. „Naja, ich habe eine Musikerin aus Espoo kennengelernt und es hat irgendwie gefunkt und ja, vorgestern hatten wir ein Date", erzählte er, während sich seine Wangen leicht röteten. „Ich freu mich für dich", schlug Samu ihm gegen die Schulter. „Lief es denn gut?", fragte ich. „Ja sehr", meinte Osmo nun, die anfängliche Verlegenheit verflogen. „Da könntest du dir mal eine Scheibe von abschneiden, Samu", grinste Raul. Samu streckte ihm bloß die Zunge raus. Ich warf einen Blick auf die Uhr über der Tür. „Noch eine Minute Leute", machte ich darauf aufmerksam, dass wir vor lauter Quatschen fast den Start in Rauls Geburtstag verpasst hätten. „Hey, hey, hey", klatschte Osmo in die Hände und erhob sich, um nach seinem Bier zu greifen. „Zehn", hob er es hoch, als der Sekundenzeiger auf der schwarzen Zehn stand. „Neun", stiegen wir mit ein und hoben die Flaschen, um kurz darauf in lauten Applaus auszubrechen, als der Zeiger die Zwölf traf. „Alles Gute", gratulierten wir Raul, fielen ihm nacheinander in die Arme.

„Lasst uns Flaschendrehen spielen", schlug Osmo vor, als wir uns alle wieder etwas beruhigt hatten. „Ok", hob Raul mit herausforderndem Blick auf Osmo die Augenbrauen. Er griff nach einer leeren Bierflasche und drehte sie an. „Wie schön, Osmo. Wen von uns würdest du von deinem Geburtstag ausladen, wenn du einen wählen müsstest?", fragte er grinsend. Osmo verzog nachdenklich den Mund. „Mikko", meinte er schließlich. Dieser sah ihn gespielt böse an, doch wir wussten alle, dass Mikko unter uns die Spaßbremse war. Osmo ergriff die Falsche und drehte. „Riku. Tanze zu dem Song, den du am wenigsten magst", forderte Osmo. Samu schnappte sich Rauls Handy und scrollte durch Spotify, bis er grinsend fündig wurde. Riku sah ihn mit einem Seufzen an, erhob sich dann aber und begann zu tanzen. „Ok", stieß er die Bierflasche an, als die letzten Töne verklangen und atmete tief durch. „Sami", hob er schelmisch den Blick. Ich stieß gespielt genervt die Luft aus. Ich war gespannt, was jetzt kam. „Poste dein ältestes Foto auf Insta", wies er mich an. Mit einem Nicken nahm ich mein Handy in die Hand. Mit einem freudigen Kribbeln in den Fingern drehte ich das braune Glas. „Lese die letzte Nachricht vor, die du geschrieben hast", blickte ich Samu nach einigem Überlegen an. Auch er griff nach seinem Handy. Er holte tief Luft und sah genervt zu mir auf, als er die Nachricht sah. Mein Blick blieb fordernd. „Hab dich lieb, bis gleich", las er murrend vor. In meinem Kopf ratterte es. „Du hast ne Freundin?", fragte ich perplex. Er verzog den Mund. „Wer ist es?", hakte Osmo genauso neugierig nach. Samu schüttelte grinsend den Kopf. Doch die Verliebtheit war ihm ins Gesicht geschrieben. Er griff nach der Flasche. „Mikko", lächelte er verschmitzt. Danach kam endlich Raul an die Reihe und dann durfte ich wieder. „Was war dein heißester Sex-Traum?", fragte ausgerechnet Mikko Riku, als er das dritte Mal dran war. Dieser biss sich auf die Lippe. „Sex zu Birds and Bees", gab Riku mit glühenden Wangen zu. Osmo prustete los und riss mich mit. „Was ist das für ein Sex-Traum?", schüttelte Mikko den Kopf. Ein paar Runden später sollte uns das ganze etwas klarer werden. „Sami darf eine Minute in deinem Handy schnüffeln", meinte Osmo zu unserem Gitarristen. Schweren Herzens übergab er mir das kleine Gerät. Ich sah auf seinen Hintergrund, der eine Gitarre zeigte, Samus HIFK bedruckte, wohl bemerkt, und wischte über den Bildschirm, doch die Apps, die er hatte, waren alle uninteressant, ebenso wie sein säuberlich gelöschter Browserverlauf. Also nahm ich mir für die letzten 30 Sekunden WhatsApp vor. Gleich sein erster Chat sprang mir ins Auge. Die Person war mit einem S und einem roten Herz eingespeichert und hatte ihm zuletzt ein „Hab dich lieb, bis gleich" geschickt. Ich blickte auf und sah zwischen Samu und Riku hin und her. „Du? Du bist Samus Freund?", platzte es ungläubig aus mir heraus. Riku sah angstvoll zu Samu, während der Rest der Band große Augen machte. „Seid ihr echt zusammen?", fragte Raul genauso perplex wie ich. „Ja", hauchte Samu und griff nach Rikus Hand. Und in dem Moment ergab so vieles in meinem Kopf einfach nur Sinn. „Oh mein Gott", sprang ich auf und drückte die beiden an mich. „Wir müssen anstoßen!", hob Raul sein Bier. Samu drückte seinem Freund eilig einen Kuss auf die Wange, während wir nach unseren Flaschen griffen. Klirrend stießen sie mittig über dem Tisch zusammen.