Out Of Tune

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Die Temperaturen lagen knapp bei null Grad, aber trotzdem schüttete der Regen wie aus Kübeln, während ein langer, greller Blitz über den Himmel zuckte. Samu wusste, dass die hohen Häuser, die die Straße säumten, ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit vor dem Gewitter schützen würden, dennoch war ihm die Sache nicht geheuer. Seine Kleidung triefte. Sein blondes Haar klebte ihm im Gesicht und die Kälte zog immer tiefer in seine Knochen. Im Sommer wäre dieses Naturschauspiel vielleicht beeindruckend gewesen, doch gerade wollte er einfach nur nach Hause. Dumm, wenn das aber noch eine halbe Stunde entfernt lag. Bei den Wetterverhältnissen konnte er bestimmt sogar noch eine Viertelstunde drauf rechnen. Er war hin und her gerissen, ober seinen besten Freund zu der späten Stunde noch stören konnte, doch gerade war ihm ein kleiner Groll und eine schuldige Erklärung lieber als klitschnass zu erfrieren, also bog er von der Hauptstraße ab. Bis zu Riku war es nicht mehr weit und er spürte, wie diese Aussicht ihn mit Erleichterung flutete, gepaart mit ziemlich viel Hoffnung. Was, wenn Riku gar nicht da war? Er schüttelte den Kopf und bog in die Seitenstraße rechts von ihm. Noch ein paar hundert Meter und das blaugestrichene Mehrfamilienhaus baute sich aus den Wassermassen vor ihm auf. Eilig stieg Samu die Stufen zur Tür hinauf und drückte seinen abgefrorenen Zeigefinger auf das Klingelschild mit dem Namen Rajamaa. Kaum eine Minute später rauschte es in der Gegensprechanlage. „Bitte?", knisterte Rikus Stimme. „Hey, hier ist Samu. Kannst du mich reinlassen?", sprach Samu in das Mikro und presste danach betend die Lippen zusammen. „Klar", drückte Riku den Öffner und es surrte. Erleichtert schob Samu die Tür auf und stapfte die Treppen rauf. Seine Schuhe hinterließen dabei platschende Geräusche. Riku stand in seiner Wohnungstür und sah seinen besten Freund kopfschüttelnd an. „Was machst du bei dem Wetter draußen?", grinste er, ließ Samu aber keine Zeit zu antworten, verschwand stattdessen in der Wohnung, um mit einem Eimer wiederzukommen. „Pack die nassen Sachen da rein, die Schuhe kannst du hier stehen lassen", wies er an. Samu gehorchte und befreite sich aus der dicken Winterjacke, den durchnässten Schuhen und der triefenden Hose. Dann machte er einen Schritt in die Wohnung, streifte sich die Socken von den Füßen und machte die Tür hinter sich zu. „Setz dich ruhig ins Wohnzimmer, ich bring dir neue Klamotten und mach dir einen Tee, dann will ich aber wissen, was du bei dem Wetter um die Uhrzeit draußen getrieben hast", verschwand Riku mit dem Eimer und den nassen Sachen im Bad. Samu nahm in Rikus kleinem, aber gemütlichen Wohnzimmer auf dem Sofa platz und wickelte sich in die Decke, die auf den Kissen lag. Wenig später kam Riku mit dicken Socken und einer Jogginghose von sich in den Raum. „Hier", hielt er sie seinem Kumpel hin und ließ sich zu ihm auf das Sofa fallen. „Danke", murmelte Samu, schälte sich aus der Decke und zog sich eilig die Sachen über, um sich dann wieder in die Decke einzukuscheln. „Jetzt erzähl mal, was hattest du da draußen zu suchen?", sah Riku ihn aufmerksam an. Samu seufzte. „Keinen dummen Spruch, ok?", bat er. Riku nickte mit einem aufmunternden Lächeln, während er sich fragte, was Samu so verunsicherte. „Ich war feiern in diesem neuen Club, hab da mit einer hübschen Frau getanzt und bin mit ihr nach Hause", erzählte Samu leise. „Und die hat dich einfach im Regen stehen lassen? Im wahrsten Sinne des Wortes?", hakte Riku nach, schließlich konnte das nicht der ganze Teil der Geschichte gewesen sein. „Ja, nein", sah Samu auf seine von der Decke bedeckten Knie. Tief holte er Luft. „Wir haben rumgemacht und so, du weißt schon. Aber ich konnte nicht, weil ich ... weil ich ständig jemand anderes vor Augen hatte. Wenn du das erklären musst, bleibst du auch bei dem schlimmsten Wetter nicht", murmelte er. Ein Grinsen legte sich auf Rikus Lippen. „Oh Samu", lachte er und zog ihn kurz an sich, um ihm dann durch die Haare zu wuscheln. „Darf ich fragen an wen?", fragte Riku vorsichtig. Samu schüttelte den Kopf, während sein Blick noch starrer auf der Decke liegen zu schien. „Hey, alles gut, ist nicht schlimm", legte Riku ihm den Arm um die Schultern. Samu seufzte. Schließlich hob er den Blick wieder und sah in Rikus regenblaue Augen, die das Wetter von draußen perfekt spiegelten, aber dennoch so warm wirkten. Mit einem weiteren Seufzen ließ Samu seinen Kopf auf Rikus Brust sinken. Riku zog ihn, wenn auch etwas verwirrt, noch fester an sich und hielt ihn. Nach einiger Zeit stützte er sein Kinn sanft auf Samus Kopf und genoss die Wärme, die von dem Körper seines Freundes aus ging. „Sorry", nuschelte Samu nach einer Weile, entfernte sich wieder und fuhr sich verlegen durch das blonde, nass zerzauste Haar. Riku grinste ihn nur an. „Alles gut", meinte er. „Ich würd gerne ins Bett, kommst du mit?", fragte er anschließend. „Ja, ich schlaf dann auf der Couch", meinte Samu. „Quatsch, da brichst du dir ja alles", schüttelte Riku den Kopf. Ein kaum hörbares Seufzen kam über Samus Lippen, während sich seine Finger nervös verschränkten. Riku war aufgestanden und zur Tür gegangen, drehte sich jetzt aber wieder um. „Jetzt komm, ich beiße nicht", lachte er. Sein Freund schien heute Abend nicht ganz da zu sein. Vielleicht noch irgendwie etwas mitgenommen von der Situation beim Feiern, Riku wusste es nicht. Er wollte ihn einfach nur aufheitern und ihm ein Gefühl von Sicherheit oder Geborgenheit geben, jeden Falls, dass er auf andere Gedanken kam. Während Samu sich aufrappelte und ihm hinterher in sein Schlafzimmer trottete, schwebte in seinem Hinterkopf noch immer die Frage, an welche andere er bei der Frau wohl gedacht hatte.

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