Yo Contigo, Tú Conmigo

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„Bañarnos en el mar

Desnudos antes de

Que me pille la luna

Besando tu piel

Porque la magia

De tu ojos me hace ver

Que la vida es una canción"

Magia, Alvaro Soler

Er saß an einem einsamen Strand in Spanien. Die Luft war warm und stickig. Der Wind wehte salzig und feucht, schaffte keine Abkühlung. Die Sonne stand an ihrem höchsten Punkt und brannte erbarmungslos. Das Meerwasser schwappte über seine Füße, durchnässte den Boden seiner Shorts. Er hatte die Knie angewinkelt und die Arme darauf abgestützt. Sein Blick ging über die Weite des Blaugrau. Er sah den schroffen Wellen zu, während über seine Wangen salzige Tränen liefen. Wie war es je so weit gekommen?

Riku stapfte die Böschung herunter, zwischen kleinen windgeschrägten Bäumen hindurch, den weichen Sand zwischen seinen Füßen. Durch Zufall hatte er die kleine Bucht vor einer Woche entdeckt, an der niemand zu baden schien. Sie war sauber, verlassen und ruhig. Doch als er aus dem Unterholz hervortrat, saß jemand zusammengekauert an der Meereskante. Seine Schultern bebten immer wieder. Unschlüssig blieb Riku stehen. Es war eindeutig, dass dieser jemand gerade seine Ruhe haben wollte und keinen nervigen Urlauber brauchte. Jedoch, als hätte er seine Anwesenheit gespürt, drehte sich der blondhaarige, junge Mann in genau dem Moment um und sah ihn musternd an, wischte sich eilig die Tränen von den Wangen. Eine Weile starrten sie sich nur an, dann ließ Riku seine Strandtasche fallen, schob sich das T-Shirt vom Oberkörper und ließ es auf die Tasche fallen. Mit einigen Schritten war er durch den weichen, heißen Sand und in den blauen Wellen. Als er aus dem kühlen Blau wieder auftauchte und sich zum Strand umdrehte, sah er den traurigen Blick auf sich liegen. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in ihm aus. Der junge Mann versuchte nicht einmal seine Gefühlswelt zu verstecken. Oder er konnte es nicht. Riku fasste sich ein Herz und stapfte durch das Wasser wieder an den Strand, ließ sich dann einfach schweigend neben den Jungen fallen und folgte seinem Blick über das Meer hinaus, in die Weite aus Blautönen, die auf ihn wunderschön wirkte. „¿Qué haces aquí? ¿En este lugar desierto? ¿Vives aquí?", riss ihn eine tiefe, warme, aber gebrochene Stimme aus dem Anblick und ließ ihn den Kopf nach links zu dem Mann drehen. Sein blondes Haar hing wirr in seinem Gesicht, seine Augen waren leicht gerötet. „Sorry, no ... no hablo español", stammelte Riku. „You on holiday?", fragte sein Gegenüber also auf Englisch. „Yeah", nickte Riku. „How come you know this place?", wollte er wissen. „Luck", hob Riku die Schultern und lächelte. „Where you from?", wollte der blondhaarige wissen. „Finland", antwortete Riku. „No", schüttelte er den Kopf. „Why, I am from Finland", stotterte Riku verwirrt. „Ich auch", sagte er mit einem etwas schüchternen Lachen auf Finnisch. „Oh. Bist du auch im Urlaub?", wollte Riku überrascht wissen. „Nein, leider", seufzte der junge Mann und sah auf den nassen Sand zwischen seinen Füßen. Riku sah, wie die Trauer, das Unwohlsein augenblicklich wieder in ihm hochkochte. „Sorry, ich wollte nicht", meinte er leise. „Schon gut, ich, ich will einfach nur nach Hause. Ich wünschte ich wäre nie hierhergekommen, ach, was erzähle ich dir, du hast Urlaub", murmelte er. „Nein, schon gut", sagte Riku und legte ihm etwas unbeholfen eine Hand auf die Schulter. „Wie heißt du?", wollte er wissen. „Samu", sagte der blondhaarige Junge. „Riku", stellte er sich lächelnd vor. Samu nickte. „Also, falls du magst, ich höre gerne zu, und erzähle auch nichts, versprochen", meinte Riku mit warmem Lächeln. Er kannte diesen Mann nicht, aber seine Ausstrahlung, wenn sie gerade auch noch so traurig war, war warm und ließ ihn sich augenblicklich wohl fühlen. Samu sah ihm in seine grauen Augen, als versuchte er herauszufinden, ob er die Wahrheit sagte. „Ich hab eine riesige Scheiße gebaut", setzte er dann an. Riku drückte nur leicht seine Schulter und versuchte ihm Kraft zum Weiterreden geben. „Ich hab Ferienwohnrechte verkauft, bei einer Firma, in Anführungszeichen, die damit ihre Kunden betrügt, ich, ich bin ein gesuchter Wirtschaftskrimineller, der vor Gericht muss", schluchzte er zum Schluss auf und wandte den Blick ab. „Oh scheiße", entfuhr es Riku. Er musste schlucken. Was sagte man zu einem solchen Geständnis? Das wüsste er auch nicht, wenn er ein Freund wäre, doch er hier, war jemand wildfremdes, den er seit fünf Minuten kannte. Er hätte mit seinem Geschäft genauso gut ihn hereinlegen können, um bestimmt tausende Euro betrügen können. „Ich, ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll", sprach er seine Gedanken flüsternd aus. „Musst nichts sagen", erwiderte Samu mit einem Seufzen. „Ich muss da jetzt durch. Übermorgen geht es nach Finnland zur Polizei", fügte er hinzu. „Ich flieg auch Montag zurück", fiel Riku auf. Samu lächelte nur schief. „Darf ich dich für heute Abend einladen?", fragte Riku und wusste auch nicht so recht, wie er darauf kam. Samu hob die Schultern. „Wenn du magst", meinte er relativ gleichgültig. „Mag ich", sagte Riku fest und wusste ebenso wenig, woher er diese Gewissheit nahm. Aber wer würde zugeben ein Verbrecher zu sein, wenn er es nicht bereute. „Komm, ich will ins Wasser", rappelte er sich auf und hielt Samu seine Hände hin. Zögernd griff dieser danach und ließ sich hochziehen. Plötzlich fand er sich direkt vor dem braunhaarigen Finnen wieder. Sein Atem verschnellerte sich, seine Hände in denen des anderen kribbelten. Ungewollt glitt sein Blick zu den leicht rauen Lippen. Kopfschüttelnd riss er sich los und schob sich T-Shirt und Hose vom Körper, so dass er schließlich nur noch in Boxershorts vor dem Fremden stand. Riku nahm seine Hand und rannte los, in die brechenden, verhältnismäßig kalten Wellen hinein. Dann ließ er seine Hand los und sprang kopfüber ins Wasser, tauchte einige Meter, genoss die Kühle an seinem Körper und tauchte dann wieder auf, um sich die Haare aus dem Gesicht zu streichen und tief Luft zu holen. Abwartend drehte er sich zu dem jungen Mann um, der noch immer an der Stelle stand, an der er seine Hand losgelassen hatte. Er sah unheimlich verloren aus, als spiegelten die Wellen des weiten Meeres seine Gefühlswelt wieder, die immer wieder heftig auf ihn einschlug. Riku spürte, wie sein Herz stolperte. Aus welchem Grund auch immer wollte er, dass es ihm gut ging, dass er seine Sorgen vergessen konnte und dass er einfach glücklich sein konnte. Doch die Wahrheit und Realität war, dass er viele Leute betrogen hatte und die Konsequenzen dafür nun rechtmäßig tragen musste. Dagegen konnte und sollte er nichts tun. Er konnte nur jetzt, gerade, diesen Moment verändern. Er lief ein Stück zurück und spritzte dem blondhaarigen Mann eine Fontäne Wasser entgegen. „Hey", beschwerte Samu sich. „Komm", lachte Riku und schob ihm erneut das Wasser entgegen. Die Tropfen glänzten in der Sonne und wirkten so klar. Dann klatschten sie gegen den gebräunten Oberkörper des anderen und liefen daran hinab, verendeten in der blauen Boxershorts. Einen Moment schien Samu ihn zu mustern, dann ließ er seine Hände ins Wasser sinken und spritzte zurück, so dass Riku nach hinten stolperte und sich seinerseits wehrte. Als er irgendwann dabei nach hinten viel und prustend wieder auftauchte, musste auch Samu endlich herzhaft lachen. Er packte Riku an den Armen und half ihm wieder Halt unter den Füßen zu finden. Es war als kannten sie sich schon seit Ewigkeiten.

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