Siku-One-Shots

Could You Love A Nightmare

Für  @SixAlienMono 

„Du hast die Sachen gestohlen!", schrie Janne Riku an. „Nein, mir fehlt doch selbst etwas!", fuhr dieser zurück. Die Klassenfahrt nahm gerade ganz andere Dimensionen an. „Deine Lieblingssocke", lachte Janne auf. „Ach, lass mich doch", wollte Riku sich umdrehen, doch Janne hielt ihn fest. „Ich will meine Sachen wiederha – AUA!" Janne hüpfte von ihm fort und hielt sich das linke Bein. Verwirrt sah Riku ihn an. „Was?", fragte er, als etwas an seinem Hosenbein zupfte. Überfordert sah er hinunter. Neben ihm stand ein kleines, fledermausartiges Wesen. Wieder zerrte der eine Flügel an seiner Hose, während der andere den Flur hinunter zeigte. Riku holte tief Luft. Träumte er? Aber Janne hatte ihn wirklich gepackt und er hatte auch wirklich geschrien, also folgte er der kleinen Gestalt, die ihn auf sein Zimmer führte. Es klackte und der Schlüssel drehte sich im Schloss. Riku drehte sich erschrocken um, um dann wieder zu der Fledermaus hinab zu sehen. Sein Mund stand offen. Er musste träumen. Im nächsten Moment stand ein Junge vor ihm, in seinem Alter, blonde, verwuschelte Haare und blaue Augen. Er trug eine Jeans und einen Pulli. Sein linker Fuß war nackt, der andere steckte in einem bunten Socken. „Was? D-du? Häh?", stammelte Riku. Es war sein vermisster Socke. Er wich zurück an die Tür. „Geh nicht, bitte", sahen ihn die blauen Augen flehend an. Riku stockte. „Was bist du?", fragte er leise. „Ein Nightmare", sagte der Junge. „Ein Albtraum?", lachte Riku auf. „Ein Mahr, Nachtalb", sagte der Junge. Riku hob die Augenbrauen und verschränkte schützend die Arme vor der Brust. „Nightmares sind Halbmenschen, die zwischen ihrer Menschengestalt und dem Nachtschatten wechseln können. Und sie ärgern Menschen", erklärte der Junge kleinlaut. „Also hast du wirklich unsere Sachen geklaut? Wo sind sie? Wir müssen sie zurückbringen", ließ Riku seine Abwehrhaltung fallen. „Damit sie dich erstrecht verdächtigen? Sie sind im Wald, wo weiß ich nicht", sagte er. „Wie? Du weißt nicht wo?", stammelte Riku ungläubig. „Ich brauche sie nicht, ich mache nur meinen Job", hob er die Schultern. „Und meine Socke?", sah Riku ihn kopfschüttelnd an. Der Nightmare sah an sich hinab, ohne wieder aufzuschauen. „Wenn das irgendeiner von Jannes scheiß Tricks ist, löst es jetzt auf", fauchte Riku. „Janne? Ist das der Typ, den ich gebissen habe? Er ist abscheulich. Ich hatte mich auf Gesellschaft gefreut, hier war ewig niemand mehr, aber es macht nicht mal Spaß diesen Typen zu ärgern. Wobei das Chaos schon lustig war, als alle ihre Sachen nicht gefunden haben", blickte der Nightmare auf. „Und meine Sachen?", fragte Riku einfach nur. Schon schaute der Junge wieder zu Boden. Ein flattern erklang, dann war er als Nachtschatten aus dem Fenster verschwunden. Riku schüttelte sich und sah nach draußen. Alles war still. So langsam wurde er wirklich verrückt. Doch der Herbergsleiter, bestätigte die Aussage des Wesens. Es waren lange keine Gäste mehr hier gewesen, nur einzelne Personen. Die Herberge würde bald dicht machen. Sich durch die Haare fahrend ging Riku in den Speisesaal, um sich zu den anderen zusetzen.

„Meine Schuhe!", rief Raul, Rikus Kumpel, als sie am nächsten Morgen aufstanden. „Meine Jacke ist auch wieder da!", freute sich Sami. „Und meine Uhr", fügte Jukka hinzu. Den anderen Schülern erging es nicht anders. Über Nacht waren ihre Sachen wieder aufgetaucht. Beim Frühstück kitzelte etwas an Rikus Bein. Der Nachtschatten war auf seinen Oberschenkel geklettert. Ein kleines Schmunzeln legte sich auf seine Lippen. „Ich sag doch, es war Riku und jetzt hat er Schiss bekommen", eröffnete Janne ein allgemeines Gespräch an dem langen Tisch, dass in wilde Diskussionen führte. Plötzlich platze das Trinkpäckchen vor Janne und besprühte ihn mit süßklebrigem Apfelsaft. Die Klasse brach in schallendes Gelächter aus, nur Janne nicht. Auch Rikus Lachen war eher verhalten. Er sah zu dem Nightmare auf seinem Bein, das sich nun eilig unter seinem Pulli verkroch. Seine Krallen kitzelten auf seiner Haut. Hustend stand er auf und verschwand nach draußen. Er zupfte den Nachtschatten unter seinem Hoodie hervor. „Was sollte das?", fragte er, doch nun lag ein ehrliches, fast schadenfrohes Grinsen auf seinen Lippen. Der Nightmare befreite sich aus seiner Hand und flatterte davon. Riku fuhr sich durch die Haare. Er musste vollends verrückt geworden sein. Nightmare – solche Fabelwesen gab es in Filmen und Büchern, aber nicht hier, auf der Klassenfahrt und auch sonst nirgends.